Caritas - ein Gesicht der Kirche
DR. PETER IMMER:
Welche Bedeutung hat die Caritas für Sie als Bischof des Bistums Görlitz?
BISCHOF WOLFGANG IPOLT:
Ich verstehe Ihre Frage mehr als grundsätzliche - welche Bedeutung hat die Caritas für die Kirche, nicht nur für unsere Ortskirche. Für mich ist die Caritas das Gesicht der Kirche nach außen hin. Wo ich als Bischof hinkomme, da begegne ich mehr der Innenseite der Kirche: Da kommen Menschen, die wollen die Sakramente empfangen, die wollen das Wort Gottes hören und gestärkt werden für ihren Glaubensalltag.
Aber Sie als Mitarbeiter der Caritas repräsentieren eher die Außenseite, oft auch für Menschen, die nicht zur Kirche gehören. Wenn die Menschen das Flammenkreuz auf dem Auto oder über der Tür sehen, dann wissen sie, das hat irgendetwas mit Kirche zu tun.
Aber: Außen und Innen gehören zusammen. Das darf man nicht auseinandernehmen. Von daher ist es mir wichtig, dass ich an einem Tag wie heute bei Ihnen bin. Ich verstehe meinen bischöflichen Dienst so: Dafür zu sorgen, dass die Innenseite - die Glaubensüberzeugung der Einzelnen - und die Außenseite der Kirche - die gelebte Nächstenliebe - zusammenbleiben wie zwei Seiten einer Medaille.
MATTHIAS FRAHNOW:
Wie muss Ihrer Meinung nach die Caritas nach außen wirken? Wie muss sie sich darstellen, damit sie ein einigermaßen gutes Bild abgibt?
BISCHOF WOLFGANG IPOLT:
Das ist eine nicht unwichtige Frage. Ich freue mich sehr, dass auch Frauen und Männer bei der Caritas mitarbeiten, die keine Christen sind. Sie haben sich entschieden und gesagt: Bei diesem Wohlfahrtsverband möchte ich mich einbringen. Mein Wunsch wäre es, dass gerade sie auch etwas von der Innenseite des Christseins, von unserer Motivation entdecken. Durch wen kann das geschehen, wenn nicht durch auskunftsfähige Christen! So kann der Arbeitsplatz Caritas auch zu einem Berührungspunkt mit dem christlichen Glauben werden.
DR. PETER IMMER:
Sie hatten gesagt, wir sind die Außenseite und wenn man jetzt da einfach ein "R" anhängt, sind wir eigentlich auch Außenseiter - besonders hier in der Diaspora? Wie sehen Sie uns im Vergleich zu den anderen Akteuren in der Wohlfahrtspflege?
BISCHOF WOLFGANG IPOLT:
Ich würde uns anders bezeichnen: Wir sind eine Minderheit mit besonderen Qualitätsmerkmalen. Ob wir dabei Außenseiter werden, das liegt auch an uns. Sie kennen vielleicht das Wort aus dem Evangelium "Ihr seid das Salz der Erde." Salz ist Würze. Durch Salz wird die ganze Mahlzeit schmackhaft. So hat Jesus sich die Christen gedacht: Wir sollen wie das Salz für diese Welt, für die Menschen sein - zum "guten Geschmack" des Lebens beitragen. Wir treten heute in eine neue Epoche der Kirchengeschichte ein. Die Zeit einer flächendeckenden Volkskirche ist vorbei. Darum ermutige ich diejenigen, die bei der Caritas arbeiten sehr, nicht zuerst auf Zahlen zu schauen. Sie sind in dieser qualifizierten Minderheit nicht bedeutungslos, sondern eine wichtige Stimme im Konzert der anderen Wohlfahrtsverbände und in unserer Gesellschaft.
MATTHIAS FRAHNOW:
Wenn Sie zur Caritas schauen, was bewegt Sie da, was ist da Ihr Thema, wo Sie sagen, das liegt mir besonders am Herzen?
BISCHOF WOLFGANG IPOLT:
Die Kirche hat drei Grundaufgaben. Das sind: die Verkündigung des Evangeliums, die Feier des Gottesdienstes und das ist die Diakonie. Diese Aufgaben gehören zusammen. Ich bin darum sehr dankbar, dass auch so viele Ehrenamtliche ihre Freizeit für die diakonische Aufgabe der Kirche einsetzen. Wir haben in manchen Pfarreien unseres Bistums die Elisabethgruppen oder Hedwigskreise, die vor allen Dingen für die Kontakte in den großflächigen Gemeinden sehr wichtig sind. Caritas - das ist nichts Zusätzliches, es ist ein gewichtiger Lebensvollzug der Kirche. Mein Anliegen ist es, dass diese drei Aufgaben der Kirche zusammenbleiben und nach außen bezeugt werden.
MATTHIAS FRAHNOW:
Die Leute, die Sie hier vor sich haben, sind sehr engagierte Menschen, die tagtäglich hilfsbedürftige Menschen vor Augen haben. Aber viele unserer Klienten sind nicht christlich, sondern eher fern vom Glauben. Die Frage ist, ob wir mit der Liturgie nicht auch manchmal verstören können, dass wir die Menschen damit überfordern oder dass das Kreuz sie eher anschreit, als dass es einlädt. Das ist manchmal ein Spagat, auch für Mitarbeiter. Was können wir tun, dass die starken Mitarbeiter noch gestärkter werden, anderen Heimat geben und einladend sein können?
BISCHOF WOLFGANG IPOLT:
Sie haben recht. Das Kreuz ist etwas Verstörendes, bleibt etwas Fremdes. Auch für mich als Christ. Das jemand für mich aus Liebe sein Leben hingibt - das ist überraschend. Solche Liebe will angenommen werden. Wie Sie wissen, haben auch damals nur wenige diesen Weg Jesu sofort verstanden.
Aber das Kreuz oder andere christliche Zeichen bleiben wichtig - ob ganz verstanden oder als Anstoß und manchmal auch als Ärgernis.
Was können die Mitarbeiter für sich selber tun? Die Mitarbeiter der Caritas sollten immer wieder Zeiten und Räume schaffen, wo sie sich im Gespräch austauschen. Sie haben einen Beruf, der oft an die Substanz des eigenen Innenlebens geht, da braucht es auch Tankstellen. Wenn es wirklich schwierig wird, braucht es manchmal auch Supervision und professionelle Hilfe. Jeder von Ihnen muss darauf achten, dass die eigene Seele nicht Schaden leidet, damit Sie einigermaßen stabil den Menschen gegenübertreten können, für die Sie da sein wollen.
INFO
Dieses Gespräch wird in der nächsten Ausgabe mit dem zweiten Teil fortgesetzt.