Küche, Bad, Balkon-Tomaten
Adla Muossa und ihr Mann Akram Alsando haben es sich auf dem bequemen Wohnzimmersofa gemütlich gemacht. Hinter ihnen hängt ein Bild mit süddeutscher Seenlandschaft. Deutschland ist ihre neue Heimat seit fast sechs Jahren. Von ihrem Heimatort Quamischli im Nordosten Syriens sind ihnen nur die Erinnerungen geblieben. "Leider haben wir nichts mitbringen können, weil wir unsere Koffer vom Schlauchboot ins Meer werfen mussten", erzählt Adla Muossa. "Wir hatten nur uns und das, was wir am Körper trugen, als wir hier ankamen."
Die gefährliche Reise dauerte insgesamt zwei Monate und kostete das kurdische Paar und seine vier Kinder 8000 Dollar. Doch das war ihnen die Sicherheit der Familie wert, auch wenn sie danach vor dem finanziellen Nichts standen. Akram Alsando, 46, hat in Syrien Elektrotechnik studiert und in einem Strom erzeugenden Betrieb gearbeitet. Adla Muossa, 40, war Grundschullehrerin. Heute arbeitet er für einen Security-Dienst, sie als Stadtteilmutter.
Ihre Wohnung in Berlin Marzahn-Hellersdorf hat 90 m², ist hell und freundlich - und die Familie muss Bad und Küche mit niemandem mehr teilen.
In Syrien hatten die Alsandos ein Haus mit Garten. In Berlin züchtete Adla Muossa Tomaten und Auberginen auf dem Balkon. "In diesem Jahr lässt mein Job mir keine Zeit dafür", sagt sie. Doch die Arbeit sei wichtig. Der beste Weg zur Integration, auch wenn der Alltag für sie anstrengend ist mit vier Kindern zwischen 10 und 16 Jahren.
Vor zwei Jahren sah das Leben der Alsandos noch anders aus: Sie wohnten in einem Flüchtlingsheim in Berlin und hatten keine Arbeit. Auf dem ohnehin angespannten Wohnungsmarkt hätten sie allein keine Chance gehabt, eine Wohnung zu finden. "Deshalb haben wir uns an die Caritas gewendet", erzählt Akram Alsando. "Eine der Mitarbeiterinnen des Wohnraum-Projektes, Iman Ibrahim, hat uns sehr geholfen." Sie kommt aus Jordanien, spricht arabisch und erfasste die schwierige Situation der Familie sofort. "Wie fast alle Geflüchteten hatten die Alsandos in der Gemeinschaftsunterkunft keinen Computer und konnten nicht online nach Wohnungen suchen", berichtet Iman Ibrahim. "Außerdem wissen die wenigsten, welche Unterlagen sie brauchen. Wörter wie 'Besichtigungstermin' oder 'SCHUFA Selbstauskunft' haben die meisten noch nie gehört." Auch dass sie Anspruch auf eine preisgebundene Wohnung haben, sofern sie einen Wohnungsberechtigungsschein vorweisen können, ist vielen nicht bekannt. "Wer zu uns kommt, hat meist viele Bewerbungen verschickt und keine einzige Antwort bekommen", sagt Iman Ibrahim. Das sei kein Wunder, denn die wenigsten Leute wüssten, wie man sich bei einer Wohnungsbaugesellschaft bewerbe. "Auch wir müssen hartnäckig sein," betont die Caritas-Mitarbeiterin. "Oft schicke ich bis zu 30 Bewerbungen für eine Person, bis sie schließlich einen Besichtigungstermin bekommt."
Hinzu kämen die Vorurteile der Vermieter und Vermieterinnen. "Sie denken etwa, dass Geflüchtete laut sind, dass sie die Mülltrennung nicht hinkriegen oder dass es Streit geben könnte mit den Nachbarn", sagt Peggy Patzig. Sie leitet das Migrationsberatungszentrum Marzahn - Hellersdorf des Caritasverbandes für das Erzbistum Berlin. Dort befindet sich auch das Büro der Unterstützung bei Wohnraumvermittlung für Geflüchtete mit seinen drei Mitarbeiterinnen. Diese haben in den vier Jahren, seit es das Projekt gibt, für fast 400 Menschen Wohnungen vermittelt.
Sie begleiten die Wohnungssuchenden auch zu Besichtigungsterminen. "Vor Corona waren oft 20 Familien gleichzeitig bei einem Termin," erzählt Peggy Patzig, doch die Vermieter fassen Vertrauen, wenn sie merken, dass wir von der Caritas hinter den Leuten stehen - auch nach der Schlüsselübergabe." Mindestens drei Monate nach Einzug sind die die Wohnraumvermittlerinnen der Caritas ansprechbar, etwa wenn es darum geht, Reparaturen durchzuführen, sich mit dem Hausmeister kurz zu schließen oder Fragen rund um das Mietverhältnis zu beantworten. "Außerdem kennen wir die Mitarbeitenden vom Wohnungsamt," sagt Peggy Patzig, "und rufen dort an, um Dinge zu klären." Zudem hat sie mit ihrem Team Kooperationsverträge mit zwei großen Berliner Wohnungsbaugenossenschaften abgeschlossen. "Die stellen uns Wohnungen zur Verfügung, wir suchen dafür passende Mieter und Mieterinnen."
Bei den Alsandos hat das gut geklappt. "Wir fühlen uns hier wohl, sicher und glücklich", betonen sie. Was sie an Deutschland mögen? "Die Ordnung und die Sauberkeit", sagt Adla Muossa. "Und auch die tolle Gesundheitsversorgung. Das ist für uns eine neue, sehr angenehme Erfahrung."
Akram Alsando gefällt es gut, dass die U-Bahn in Berlin täglich so lange fährt. Aber vor allem, dass seine Kinder hier eine Ausbildung machen können und eine Zukunft haben.
"Wir sind für unsere Kinder nach Deutschland gekommen", sagt Adla Muossa. Sie wünscht sich, dass ihre Kinder nach der Ausbildung eine gute Arbeit finden. Und dass sie später eine Familie gründen können. Dass sie das haben, was für Adla Muossa und ihren Mann Akram Alsando nicht selbstverständlich war: ein ganz normales Leben.