Fachkundiger Einsatz für Gleichaltrige
Pünktlich um 10 Uhr erschienen die zwei Jungen und sieben Mädchen. Und sofort ging es zur Sache. Schließlich liegt die Hauptaufgabe der Jugendlichen darin, zu entscheiden, wer von den Antragstellern wie viel Geld erhält. Am heutigen Tag waren insgesamt 1.861 Euro zu vergeben. Kornelija Ljubek-Ples, Koordinatorin des Kinderbeirats, stellte die Anträge vor, die einzelne Organisationen bei der Kinderstiftung eingereicht hatten.
Kinderbeiräte nehmen ihre Arbeit sehr ernst
Eine Schule beantragte einen Zuschuss, damit auch fünf Kinder mit einer Behinderung an einer Klassenfahrt teilnehmen können. Sofort entbrennt eine lebhafte Diskussion. Leana sagt: "Es wäre sehr traurig, wenn die fünf Schüler ausgeschlossen wären." Und Emilia ergänzt: "Eine gemeinsame Klassenfahrt fördert die Inklusion. Die Kinder fühlen sich dann besser einbezogen." Und Klara betont: "Die Fahrt ins Schullandheim ist für viele ein einmaliges Erlebnis. Viele Kinder können sicher nicht sehr oft so schöne Ausflüge machen." Katharina hält die Beiträge auf einem großen Flipchart fest, unterteilt dabei in Pro- und Contra-Argumente. Und sie legt ihre Meinung dazu: "300 Euro für fünf Kinder für die ganze Fahrt mit Unterbringung und Verpflegung ist ok." So wird ein Projektantrag nach dem nächsten verhandelt. Die Mädchen und Jungen sagen ihre Meinung, fragen nach Details und Hintergründen, gehen aufeinander ein und versuchen, sich eine Meinung über die Sinnhaftigkeit jedes Antrags zu bilden. Das beweist: Sie nehmen ihr Amt als Kinderbeiräte sehr ernst.
Die Kinder machen sich ihre Entscheidung nicht leicht
Dass dies sehr wichtig ist, zeigt die große Bandbreite der Anträge: Ein Verein für die Opfer sexualisierter Gewalt bittet um die Finanzierung von Matroschka-Puppen zu therapeutischen Zwecken. Mara sieht das positiv: "Das ist gut, weil mit den Puppen langfristig vielen Kindern geholfen werden kann." Das Evangelische Jugendwerk Kirchheim/Teck bittet um einen Zuschuss zur Anschaffung von Spielgeräten für Kinder. Emmas Meinung: "Gut, dass man mit Spielmaterialien Gemeinschaft fördert." Eine Grundschule wiederum will einen Schulgarten anlegen, in dem Schülerinnen und Schüler selbst Obst und Gemüse anpflanzen und mit der Natur vertraut werden. Leana findet die Idee "richtig cool": "Die Kinder können die Früchte ihrer Arbeit dann auch ernten." Das Haus der Familie in Nürtingen bittet um Geld für Gutscheine, damit auch einkommensarme Familien an den Projekten teilnehmen können. Emma findet das gut, weil es ein Mehrgenerationenprojekt ist und vielen Familien geholfen wird. Allerdings gibt sie zu bedenken: "Es ist recht unkonkret." Und Katharina wendet ein: "Es werden nicht unbedingt nur Kinder unterstützt." Beim Antrag des Hauses der Familie auf Turnmatten sagt Liza-Janan: "Wir müssen berücksichtigen, dass die schon 700 Euro für ein anderes Projekt bekommen." Nach intensiven Diskussionen einigt sich die Runde auf die Vergabe der Mittel. Bewilligung in voller Höhe? Nur teilweise? Gar nicht? Die Kinder machen sich die Entscheidung nicht leicht. Doch schließlich, nach getaner "Beirats-Arbeit", sind alle zufrieden mit dem Ergebnis.
"Wichtig, nicht nur am grünen Tisch aktiv zu sein"
Warum tun die Kinder das überhaupt? Warum engagieren sie sich im Beirat, in ihrer Freizeit, an einem Samstagvormittag? Katharina sieht das pragmatisch: "Zwei Mal im Jahr an einer Sitzung teilnehmen ist ok für mich. Es ist ja für den guten Zweck. So können Projekte verwirklicht werden." Klara betont, dass es "auch für mein Gewissen gut ist, dass ich anderen helfen kann". Emilia wiederum hat eine ganz eigene Motivation: "Mir hat die Kinderstiftung geholfen, als ich in der 5. Klasse war. Damals wurde ich gemobbt ." Mara ist es wichtig, nicht nur "am grünen Tisch" aktiv zu sein, sondern sich auch die Projekte in natura anzusehen: "Wenn wir sehen, wie die Hilfe wirkt, ist das ein tolles Gefühl. Man kann anfangen, anderen einen guten Start zu geben." Auch für das Mädchen selbst hat die Arbeit unter Umständen persönliche Konsequenzen: "Ich werde vielleicht später einmal in einen sozialen Beruf gehen."
Kinder werden mit schlimmen Schicksalen konfrontiert
Dass die Arbeit in der Kinderstiftung die Beiräte immer wieder mit schlimmen Schicksalen konfrontiert, hat bisher noch niemanden abgeschreckt. Sexualisierte Gewalt gegen Kinder, Missbrauch in der Familie oder Gewalt gegen Frauen können schon heftig sein für Kinderseelen. Katharina berichtet von einer positiven Erfahrung: "Wir haben eine Familie im Flüchtlingsheim besucht, die voller Hoffnung und Zuversicht war. Denen geht es hier besser als in ihrer Heimat. Die kamen uns Gästen sogar mit einem vollen Obstkorb entgegen." Liza-Janan berichtet: "Oft sind die Schicksale schlimm. Aber wenn ich sehe, wie wir Menschen helfen können, motiviert mich das sehr und es ist sehr schön." Mara ergänzt: "Es ist für mich erschreckend, wie es manchen geht. Umso wichtiger ist es, dass wir hinschauen und helfen." Und Leana meint nachdenklich: "Wir haben einen Verein besucht, der sich für Kinder einsetzt, die sexualisierte Gewalt erfahren haben. Als ich diese schrecklichen Geschichten hörte, hat mich das mehrere Wochen lang verfolgt. Es ist gut, wenn man weiß, dass man was dagegen tun kann. Das stärkt meine Motivation, anderen zu helfen."
Hintergrund:
Seit 2017 hat der Beirat über 11.000 Euro für rund 50 Hilfsprojekte im Landkreis Esslingen vergeben. Die Entscheidungen regen Veränderungsprozesse an und stärken gesellschaftliche Teilhabechancen. Mit ihrer kreativen Mitwirkung bei Veranstaltungen, Kunst- und Kleinprojekten machen die Kinder das Thema "Kinderbeteiligung und Kinderrechte" öffentlich, lernen viel über sozialpolitische Themen und erweitern ihre persönlichen Kompetenzen.