Inklusion fängt vor der Geburt an
Ein Kind mit Behinderung ist für seine Familie eine große Aufgabe. Die immensen Umstellungen, die jede Geburt eines Kindes für die Eltern mit sich bringt, sind in dem Fall um ein Vielfaches größer. Ängste und Belastungen, die Eltern beispielsweise durch gesundheitliche Schädigungen des Kindes haben, können ihnen von niemandem abgenommen werden. Jedoch setzt in Deutschland mit dem Erkennen der besonderen Situation eines Kindes ein umfassendes Hilfesystem an, das die Eltern unterstützen und dem Kind alle erforderlichen Hilfen und heilpädagogische Förderung ermöglichen soll.
Zur vorgeburtlichen Diagnostik gehören seit Jahren Methoden, mit denen bei Risiko-Schwangerschaften Chromosomen-Abweichungen beim ungeborenen Kind erkannt werden sollen. Diese Methoden können inzwischen durch einen nicht-invasiven Pränatal-Test („Bluttest“) in einer sehr frühen Phase der Schwangerschaft ergänzt werden, der kaum gesundheitliche Risiken birgt, aber bisher selbst finanziert werden muss. Nun steht der Gemeinsame Bundesausschuss nach Auswertung umfangreicher medizinischer und wirtschaftlicher Prüfungen kurz davor, diesen Test als Regelleistung der gesetzlichen Krankenkassen zuzulassen. Alles bestens? Mitnichten! Es gibt seit Jahren die Tendenz, dass etwa neun von zehn werdenden Eltern sich gegen ihr Kind entscheiden, wenn beim Fötus eine drohende Behinderung festgestellt wurde. Darüber wird viel zu wenig gesprochen! Durch die Zulassung des nicht-invasiven Pränatal-Tests ist zu erwarten, dass er dann bei nahezu jeder Schwangerschaft angewendet wird. Es ist zu befürchten, dass der soziale Druck auf werdende Eltern zunimmt, ihr Kind mit Behinderung nicht zur Welt zu bringen. Aus diesen Gründen lehnt der CBP die Zulassung des nicht-invasiven Pränatal-Tests als Regelleistung der gesetzlichen Krankenkassen ab.
Ergebnisoffenheit statt sozialem Druck
Es fehlt eine Diskussion und ein Konsens darüber, dass jedes Kind in unserer Gesellschaft von Anfang an willkommen ist – auch mit Behinderung. Inklusion fängt nicht irgendwann an, sie beginnt bereits vor der Geburt eines Kindes. Die Behindertenrechts-Konvention der Vereinten Nationen, die Deutschland 2009 ratifiziert hat, verpflichtet uns als Gesellschaft, gerechte Teilhabe-Chancen für Menschen mit Behinderung zu gewährleisten. Wir sind gefordert, mit dafür zu sorgen, dass werdende Eltern eines Kindes mit Behinderung sich mit ihren Sorgen und Fragen ergebnisoffen auseinandersetzen können, ohne einem vermeintlichen Mainstream folgen zu müssen.