... ab ins Soziale?
Welch eine Schnapsidee? Freigesetzte Schlecker-Angestellte und Langzeitarbeitslose werden umgeschult zu Zusatzkräften in Kinderbetreuung und Altenpflege? Die Vorschläge aus der Politik gelten als Angriff auf die Qualitätsstandards der sozialen Arbeit und auf die Professionalität des Personals. Die Gruppe der Empörten umfasst prominente Vertreter von Wohlfahrts-, Sozial- und Berufsverbänden sowie der Wissenschaft.
Die harschen Reaktionen spiegeln die Enttäuschung über die vermeintlich geringe gesellschaftliche Wertschätzung der sozialen Arbeit wider. Trotz zahlreicher - erfolgloser - Bündnisse und Offensiven gegen Fachkräftemangel und zur Verbesserung des Images der sozialen Berufe hat sich die Politik offenbar als beratungsresistent erwiesen und versucht sich lieber in hektischem Krisenmanagement. Auf den ersten Blick möchte man die Empörung teilen.
Ein zweiter Blick fördert versachlichende Aspekte zutage: In beiden Arbeitsfeldern gibt es nicht nur einen Fachkräfte-, sondern generell einen Personalmangel. In den Kitas wird seit Jahren über die Vorteile bunter Teams debattiert, in denen Erzieher(innen) mit Handwerkern, Hausfrauen, Künstlern und anderen Berufsgruppen zusammenarbeiten. In der Pflege gibt es ebenfalls eine - noch junge - Debatte über das Zusammenspiel des professionellen und des nichtprofessionellen Hilfesystems und über die Vorteile des Personalmixes von Pflegefachkräften, Hilfskräften, Alltagsbegleitern und Hotelfachkräften. Die Diskussion um den europäischen Qualifikationsrahmen, die nach Anforderungen und Kompetenzen fragt, eröffnet nochmals neue Perspektiven.
Vor diesem Hintergrund könnten "Freigestellte" und Langzeitarbeitslose, die ja in der Regel über einen Ausbildungsabschluss verfügen und berufs- und lebenserfahrene Menschen sind, durchaus als Chance betrachtet werden. Ein Blick zurück zeigt, dass auch zunächst absurd erscheinende Ideen zu Erfolgsstorys werden können. Mitte der 60er Jahre nahmen 2.300 Menschen in NRW die Möglichkeit wahr, kurzfristig als Seiteneinsteiger als Lehrer an Grund- und Hauptschulen eingesetzt zu werden.
In jedem einzelnen Fall muss sorgfältig geklärt werden, ob für die Person eine Zukunft im betreffenden Arbeitsfeld vorstellbar ist. Und selbstverständlich sollte ein qualifiziertes Umschulungsangebot zur Verfügung stehen. Die jetzigen Fachkräfte sollten auf den Neuzugang im Team vorbereitet werden. Die Professionalisierungsdebatte könnte so einen neuen Schub erhalten: Die fachliche Anleitung und Begleitung der neuen Kolleg(inn)en, die Integration in die Teams und die Unterstützung in allen relevanten Fragen des Berufsalltag könnten zu einer neuen Anforderung an die pädagogischen und pflegenden Fachkräfte in Leitungsfunktion werden. Die Fachkräfte und ihre Berufsverbände - wir alle - werden uns darauf einstellen müssen, dass die Leistungserbringung im sozialen Bereich eine neue mentale Beweglichkeit erfordert.