Vorsicht bei Pflegekräften, die über Agenturen vermittelt werden!
Zunehmend werden Pflegepersonen durch Agenturen zeitlich begrenzt als vermeintlich selbstständig Tätige in Krankenhäuser, Alten- oder Pflegeheime vermittelt. Sie übernehmen dort Krankheits- und Urlaubsvertretungen oder kompensieren sonstige außergewöhnliche Arbeitsbelastungen. Die Spitzenorganisationen der Sozialversicherung betrachten diese Pflegepersonen jedoch als abhängig Beschäftigte – wie das Stammpersonal.
Die Pflege in einem Krankenhaus beziehungsweise Alten- oder Pflegeheim wird durch eine Vielzahl von abhängig beschäftigten Pflegekräften sichergestellt. Wird eine solche Stelle zeitlich begrenzt durch eine Ersatzpflegekraft besetzt, wird die Ersatzkraft in das Gesamtgefüge eingegliedert und ist ebenfalls abhängig beschäftigt. Die Pflegepersonen sind hinsichtlich Arbeitszeit, -ort, -dauer und Arbeitsausführung weisungsgebunden. Sie müssen sich an die Gepflogenheiten der Einrichtung anpassen sowie den Weisungen der jeweiligen Leitung Folge leisten. Ihre Arbeit unterscheidet sich nicht von der der festangestellten, abhängig beschäftigten Pflegepersonen, häufig arbeiten sie mit diesen Hand in Hand. Zwar wird je nach Qualifikation der Pflegekraft und abhängig von der zu erledigenden Tätigkeit die Arbeitsleistung in unterschiedlichem Ausmaß überprüft. Dennoch werden die Tätigkeiten unter der Kontrolle des jeweiligen Krankenhauses beziehungsweise Alten- oder Pflegeheims stehen. Allein die Möglichkeit, ein konkretes Angebot ablehnen zu können, macht die Pflegepersonen nicht zu selbstständig Tätigen, wenn sie nach Annahme des Angebots – wie das Stammpersonal – weisungsgebunden in die Organisation des Krankenhauses beziehungsweise des Alten- oder Pflegeheims eingebunden sind. Sie tragen kein typisches Unternehmerrisiko, da lediglich die Vergütungen ausfallen können.
Je nach Ausgestaltung des Arbeitsvertrags müssen sich auch angestellte Pflegekräfte ihre Arbeitskleidung selbst beschaffen. Es hat auch kein entscheidendes Gewicht, wenn die Pflegekräfte ein Gewerbe anmelden, Einkommensteuer abführen, der Berufsgenossenschaft die Tätigkeitsaufnahme mitteilen, eine Berufshaftpflichtversicherung abschließen. Damit wird nur der äußere Rahmen der Tätigkeit gestaltet. Die maßgebenden tatsächlichen Verhältnisse sprechen für das Bestehen abhängiger Beschäftigungsverhältnisse (LSG Hamburg, Urteil vom 18. Mai 2004, L 1 KR 80/04).
Der Arbeitgeber ist Beitragsschuldner
Sofern es sich bei der Vermittlung der Pflegepersonen um unerlaubte Arbeitnehmerüberlassung handelt, weil dem Verleiher die erforderliche Erlaubnis nach § 1 Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) fehlt und der Vertrag zwischen ihm und dem Entleiher deshalb nach § 9 Nr. 1 AÜG unwirksam ist, wird nach § 10 Abs. 1 AÜG ein Arbeitsverhältnis zwischen dem Entleiher und dem Leiharbeitnehmer fingiert. Damit gilt das Krankenhaus, Alten- oder Pflegeheim (Entleiher) als Arbeitgeber, der nach § 28e Abs. 1 SGB IV zur Zahlung des Gesamtsozialversicherungsbeitrags verpflichtet ist. Zahlt die Agentur als Verleiher trotz der Unwirksamkeit des Vertrags (Teil-)Arbeitsentgelt an den Leiharbeitnehmer, liegt ein sogenanntes faktisches Arbeitsverhältnis und damit auch eine abhängige Beschäftigung im sozialversicherungsrechtlichen Sinne vor. Der Verleiher ist dann als (weiterer) fiktiver Arbeitgeber anzusehen (§ 28e Abs. 2 Satz 4 Halbsatz 1 SGB IV). Er muss die Gesamtsozialversicherungsbeiträge zahlen, die auf das von ihm gezahlte Entgelt entfallen (§ 28e Abs. 2 Sätze 3 und 4 SGB IV, § 10 Abs. 3 AÜG). In diesen Fällen gelten sowohl Entleiher als auch Verleiher als Arbeitgeber und sie haften insoweit als Gesamtschuldner (§ 28e Abs. 2 Satz 4 Halbsatz 2 SGB IV). Krankenhäuser, Alten- und Pflegeheime sowie Aufsichtsgremien sollten prüfen, ob von Agenturen vermittelte Ersatzpflegekräfte lediglich Leiharbeitnehmer und nicht selbstständig Tätige auf Honorarbasis sind. Andernfalls laufen sie Gefahr, bei Betriebsprüfungen der Rentenversicherungsträger erheblichen Beitragsforderungen ausgesetzt zu sein.
Anmerkung
Der Beitrag geht auf eine Veröffentlichung in „Summa Summarum“ Heft 4/2012, Freiburg : Haufe Lexware zurück.