Leben und Arbeiten auf „Unserer kleinen Farm“
Nein, so richtig wohnlich ist er noch nicht, der kleine Kotten im Delbrücker Ortsteil Bentfeld in der Nähe von Paderborn, den der SKM, Katholischer Verein für soziale Arbeit Paderborn, derzeit als sein neues Beschäftigungsprojekt "Unsere kleine Farm" einrichtet. Hier sollen einmal bis zu 25 Langzeitarbeitslose mit "multiplen Vermittlungshemmnissen", wie es im Amtsdeutsch heißt, wohnen und arbeiten. Doch auch wenn im Gewächshaus im vergangenen Sommer bereits die Tomaten und Gurken wuchsen und im Garten Erdbeeren und Möhren geerntet wurden, bleibt bei der Renovierung des Gebäudes noch viel zu tun.
Die "kleine Farm" ist das jüngste Projekt des Sozialverbandes, um die gesellschaftliche Integration von Langzeitarbeitslosen zu fördern und sie an den Arbeitsmarkt heranzuführen. Mit dem gleichen Ziel betreibt der SKM in Paderborn bereits eine Fahrrad- und Kreativwerkstatt sowie seit 1995 den Recyclinghof Relum. "Da passt der kleine Bauernhof in Bentfeld gut in unser Konzept", sagte SKM-Vorsitzender Detlef Müller seinerzeit bei der Vorstellung des Projektes. Müller bedankte sich für die freundliche Aufnahme ihrer neuen Einrichtung in dem kleinen Ort Bentfeld und stellte den guten Kontakt zu den Nachbarn heraus. Es sei ein bundesweit einmaliges Projekt für den SKM.
Durch ein ähnliches Projekt im rumänischen Ineu sei der SKM auf die Idee gekommen, dass eine solche "Farm" auch in Deutschland Langzeitarbeitslosen helfen könnte, sich wieder in den gesellschaftlichen Alltag zu integrieren, beschreibt SKM-Geschäftsführer Johannes Bracke das Vorhaben. So habe man vor fast zwei Jahren das rund 3750 Quadratmeter große Grundstück mit dem baufälligen kleinen Bauernhaus gekauft. Das hatte drei Jahre leer gestanden, nachdem die frühere Besitzerin verstorben war.
Vom Haus und den Ställen wurde ein großer Teil abgebrochen und ein von einer Paderborner Gärtnerei gespendetes Gewächshaus angebaut. Der Abbau sei einfach gewesen, der Aufbau schwierig, da die meiste Arbeit in Eigenleistung erbracht werden müsse. "Ansonsten reichen die Finanzen nicht. Das Geld, Aufträge zu vergeben, haben wir leider nicht", sagt Bracke. "Aber warum sollten wir das, was wir im 1400 Kilometer entfernten rumänischen Ineu geschafft haben, hier vor der Haustür nicht schaffen? Und wenn es nicht schnell geht, dann geht es eben langsam. Aber schaffen werden wir es", ist sich Bracke, der von Haus aus Diplom-Sozialarbeiter ist, sicher.
Der erfolgreiche Aufbau der Farm wird dann für die 25 Menschen, die davon profitieren, wahrscheinlich die letzte Chance, für sich eine neue Lebensperspektive zu entwickeln. Denn viele derer, die für das Projekt infrage kämen, seien bereits am "Ende des Sozialstaates" angelangt, erklärt Bracke, der seit 34 Jahren beim SKM viele Arbeitslosenprojekte begleitet hat. Seine Klientel umschreibt er mit folgenden Eigenschaften: fehlender Schulabschluss, Schulden, Suchterkrankung, Erkrankungen körperlicher und seelischer Art, reale oder drohende Wohnungslosigkeit, auffälliges Verhalten, gestörte Sozialstrukturen und fehlende Motivation. Auf dem Bauernhof können sie entweder wohnen und arbeiten oder auch nur wohnen, sofern sie irgendwo anders eine Beschäftigung haben. Dabei hat er einen besonderen Blick auf die jüngeren Arbeitslosen bis zu 25 Jahren. Bei allem Elan verfällt Bracke nicht in die soziale Schwärmerei, dass "die kleine Farm" der Königsweg für die Lösung der Probleme seiner Klient(inn)en sei, den alle begeistert einschlagen. "Nein, wir verlangen auch etwas nach dem Motto ,Fördern und Fordern‘", sagt der Sozialarbeiter. Mit dem Blick auf sogenannte Sozialhilfe-Dynastien habe der Gesetzgeber härtere Voraussetzungen für Sozialleistungen für diese Personengruppe geschaffen. Da könne dann ganz einfach mal Schluss sein mit den Zahlungen, wenn die Chance nicht genutzt werde.
Bracke hat eine klare Meinung zur derzeitigen Förderpolitik: Die Politik erschwere die Arbeit des SKM durch den Wegfall von Förderungen. Angeblicher Missbrauch laute meist die Begründung. So würde jetzt statt langfristiger Eingliederungsmaßnahmen lieber das Nichtstun gefördert. Auch die Ein-Euro-Jobber gäbe es nur noch unter erschwerten Bedingungen.
Dennoch will der SKM auf dem Bauernhof so viel Hilfe wie nötig, aber so wenig wie möglich geben. Ein weitergehendes Projekt ist schon geplant: Es laufen Verhandlungen mit den Justizbehörden, dass auf dem Bauernhof auch von den Gerichten verhängte Sozialstunden abgearbeitet werden können.
Die Bewohner ernten und verkaufen Gemüse selbst
Doch vor allem für die künftigen Bewohner(innen) soll die Mitarbeit in der kleinen Landwirtschaft ein Lernen am Beispiel sein: Sie erfahren, wie die Nahrungsmittelkette funktioniert, vom Säen und Ernten bis zum Zubereiten einer Mahlzeit. Für viele der Klient(inn)en ist dies eine ganz neue Erfahrung. Deshalb ist nicht nur der Verkauf der produzierten Lebensmittel vorgesehen, sondern auch die Selbstverwertung in einer noch einzurichtenden Lehrküche im Heuboden des alten Hofgebäudes.
Unter Anleitung von Stefan Greitens, Meister für Garten- und Landschaftsbau, werden die Nutzpflanzen angebaut, die in den Einrichtungen des SKM Verwendung finden oder im Sozialen Kaufhaus an bedürftige Familien und Einzelpersonen abgegeben werden sollen. Die soziale Betreuung übernimmt der SKM. Die Haltung von Kleintieren oder eventuell sogar zwei Schweinen soll künftig das Verantwortungsbewusstsein der Mitarbeitenden trainieren. Darüber hinaus stehen die Ausbauarbeiten des Gebäudes im Vordergrund. Neben haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeitenden des SKM sind hier auch zukünftige Hausbewohner(innen) eingesetzt. Bedrückend für Projektleiter Bracke sind die ständigen Geldsorgen: "Wir können immer nur so viel machen, wo wir auch Geld für haben." Der größte Teil der Finanzierung kommt aus Sach- oder Geldspenden.
Als Vorbild für das Projekt im heimischen Bentfeld diente das Farmprojekt des SKM Paderborn in Ineu in den rumänischen Kaparten. Nach dem Zusammenbruch des kommunistischen Regimes unter Nicolae Ceausescu waren die Bilder von unmenschlichen Zuständen in Kinderheimen durch die Medien gegangen. Doch da gab es nicht nur die kleinen Kinder,
sondern auch behinderte Jugendliche, die völlig durch das Raster fielen. In Zusammenarbeit mit dem rumänischen Verein "Impreuna" und mit Hilfe des Paderborner Caritasverbandes wurde eine verfallende Kolchose gekauft, um Jugendliche und junge Erwachsene zu betreuen, die durch das Raster der schulischen Fördermöglichkeiten fallen oder deren Förderung endet. Die Bilder aus Ineu und Bentfeld gleichen sich. Auf der sogenannten "Farm" in Rumänien wohnen und arbeiten 20 junge Erwachsene mit zum Teil psychischen Behinderungen. Die Idee war auch hier, dass sich die Gemeinschaft selbst tragen könne und sich somit unabhängig von weiteren Förderungen machen würde. Unter einfachsten Bedingungen wird dort Gartenbau betrieben, werden Schweine gezüchtet und Kühe gehalten. Projekte wie eine Pilzzucht in einem alten Wasserturm oder die Fischzucht in eigens angelegten Teichen waren nicht so erfolgreich und wurden wieder eingestellt.
Während auch in Bentfeld der Gartenbaubetrieb schon läuft, hofft der SKM, dass im Sommer 2013 die Bewohner(innen) dort einziehen können.