Sicherer im Umgang mit dem Kind und weniger isoliert
Erreichen Frühe Hilfen die Zielgruppen? Werden die Angebote angenommen, und wie wirken sie sich aus? Dies sind nur ein paar der Fragen, auf die sich der Sozialdienst katholischer Frauen (SkF) Gesamtverein durch die Evaluation seines Modellprojekts "Guter Start ins Leben" Antworten erhofft hat.
Für das bis Ende 2010 laufende dreijährige Projekt konnten die Ortsvereine Frankfurt, Freiburg und Neuss gewonnen werden. Es richtete sich an Schwangere, Mütter und Eltern mit Kindern unter drei Jahren mit Bedarf an Beratung und Unterstützung. Die Modellstandorte arbeiteten in interdisziplinären Teams und ermöglichten so ein umfassendes Angebot zur kurzfristigen, unbürokratischen Unterstützung bei unterschiedlichen Problemen beziehungsweise Fragestellungen.
Die subjektive Zufriedenheit mit den Angeboten
Wissenschaftlich begleitet und evaluiert von der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster wurden Indikatoren entwickelt, die aussagekräftige Beurteilungen darüber erlauben, als wie gut und hilfreich sich die Angebote des Modellprojektes für (werdende) Eltern und ihre Kinder erwiesen haben.
Um die Wirkfaktoren zu erheben, wurden zu zwei Messzeitpunkten die Daten der Adressat(inn)en in standardisierten Telefoninterviews erhoben. Zusätzlich wurden die Inhalte der Angebote sowie sozioökonomische Daten über die Adressat(inn)en durch Dokumentationssysteme, qualitative (Expert[inn]en-)Interviews mit den Fachkräften und standardisierte Beobachtungen einzelner Kinder erfasst. Darüber hinaus erfolgten standardisierte Netzwerkanalysen. Durch eine Befragung der Eltern sollte deren subjektive Zufriedenheit mit dem jeweiligen besuchten Angebot sowie mit den Mitarbeiter(inne)n vor Ort ermittelt werden. Die Ergebnisse der im April 2012 abgeschlossenen Evaluation werden gemäß den Qualitätsdimensionen des Nationalen Zentrums Frühe Hilfen von 2010 dargestellt:
Beeinflussen beziehungsweise verbessern die Angebote elterliche Erziehungs-, Beziehungs- und Versorgungskompetenzen?
Als Wirkfaktoren wurden diesbezüglich überprüft: die Fähigkeit der Mütter1 zur Versorgung von Säuglingen, ihre eigene Kompetenzüberzeugung, ihre Kompetenz, das soziale Umfeld zu gestalten, sowie ihre Erziehungseinstellung.
Die Auswertungen der zu Beginn und zum Ende der Teilnahme an "Guter Start ins Leben"-Angeboten erhobenen Daten zeigten, dass sich die Mütter nach der Teilnahme kompetenter im Umgang mit ihrem Kind fühlen. Sie haben vor allem Wissen über und Vertrauen in ihre Versorgungskompetenz erworben. Zusätzlich kommen sich die Mütter nicht mehr so isoliert vor wie zu Beginn des Angebotes. Die Einbindung in soziale Netzwerke ist weitgehend gelungen.
Konnte systematisch und umfassend Zugang zu Familien gefunden werden?
Die von den Fachkräften ausgefüllten Dokumentationsbögen zeigten, dass sich viele Mütter von sich aus für das Projekt gemeldet haben. Dies belegt unter anderem den hohen Bekanntheitsgrad der Angebote und der SkF-Ortsvereine. Zudem gelang es, über die SkF-interne Schwangerschaftsberatung.
Adressat(inn)en zu erreichen und damit einen bekannten Zugang zu nutzen, der nicht stigmatisierend wirkt.
Wurden die Familien zur aktiven und häufigen Teilnahme an Angeboten motiviert?
Durchschnittlich fanden 17 Begegnungen mit jeder Familie statt. Die Mütter wurden überwiegend in Gruppenangebote vermittelt oder durch aufsuchende Arbeit betreut.
Die im Rahmen der Evaluation erfolgte Zufriedenheitsbefragung verdeutlicht, dass die Adressat(inn)en sich nicht zur Annahme von Angeboten gedrängt fühlten. Die Mütter erlebten die Angebote überwiegend als hilfreich und unterstützend und gaben an, sie auch einer Freundin weiterzuempfehlen.
Welche Belastungen und Ressourcen wiesen die Familienmitglieder auf?
Diese Qualitätsdimension meint, dass systematisch und objektiviert Risiken und Ressourcen der Familien und der in diesen Familien lebenden Kinder durch standardisierte Instrumente erhoben wurden.
Klar wurde, dass die erreichten Mütter vor allem hinsichtlich der lebensweltlichen Dimension wie Schulbildung, finanzielle und berufliche Situation sowie soziale Netzwerke und die familiäre Situation (alleinerziehend, Schwierigkeiten in der Partnerschaft) belastet sind. Die Kinder selbst wiesen demgegenüber deutlich geringer ausgeprägte Belastungen auf. Der Kontakt zu den Adressat(inn)en wurde größtenteils hergestellt, bevor sich die innerfamiliären Belastungen auf die Kinder ausgewirkt hatten.
Fanden Veränderungen im Angebotsverlauf statt?
Um Veränderungen in den Familien einschätzen zu können, wurde auf folgende Indikatoren fokussiert: elterliche Beziehungs-, Erziehungs- und Versorgungskompetenzen, Kompetenzen, um das soziale Umfeld zu gestalten, sowie zur Persönlichkeitsentwicklung.
Die Auswertungen zeigten, dass vor allem hinsichtlich der Beziehungs- und Erziehungskompetenzen positive Veränderungen in den Familien beobachtet werden konnten. Auch die Versorgungskompetenz sowie die Stärkung der Kompetenzen, das soziale Umfeld zu gestalten, haben sich verbessert, wenngleich weniger deutlich. Falls die Mütter an Kooperationspartner des Projektes weitervermittelt wurden, erfolgte ein sicherer Übergang durch intensive Gespräche mit den kooperierenden Akteur(inn)en und zum Teil eine Begleitung der Mütter zu den ersten Gesprächen.
Anhand von Einzelfallstudien wurde deutlich, dass durch die unterschiedlichen Angebote positive Veränderungen in der Mutter-Kind-Bindung initiiert werden konnten.
Fand eine Vernetzung und verbindliche Kooperation der unterschiedlichen Akteur(inn)e(n) verschiedener Disziplinen statt?
Unter dieser Dimension wurden die unterschiedlichen Angebote für (werdende) Eltern und Eltern mit Kindern zwischen null und drei Jahren, etwa Angebote der Kinder- und Jugendhilfe oder des Gesundheitswesens, erfasst. Analysen der drei Modellstandorte zeigten vielfältige Netzwerke im lokalen Kontext auf. Mit etwa der Hälfte der genannten Kooperationspartner(innen) bestanden schriftliche Vereinbarungen.
Die Ergebnisse der Evaluation, aber auch die Erfahrungen zahlreicher anderer SkF Ortsvereine belegen, dass Frühe Hilfen ein größeres Potenzial haben, eine weniger stark belastete Zielgruppe zu erreichen als beispielweise Angebote der Hilfen zur Erziehung. Frühe Hilfen ergänzen somit das etablierte Regelsystem der Unterstützungsangebote. (Werdende) Eltern erlebten die Angebote von "Guter Start ins Leben" als hilfreich und unterstützend und fühlten sich nicht zur Teilnahme gedrängt.
Eltern sind eher belastet als Kinder
Es sind eher die Mütter und Eltern, die Belastungen aufweisen, und nicht die Kinder. Daher sind frühzeitige Angebote für Eltern bedeutsam im Sinne einer Prävention. Müttern sollte bei Bedarf so früh wie möglich, idealerweise noch vor der Geburt ihres (ersten) Kindes, Beratung und Unterstützung angeboten werden, da sie in dieser Phase besonders offen für Anregungen und Unterstützung sind.
Frühe Hilfen sind innerhalb des SkF ein bewährtes Arbeitsfeld und finden sich im Kontext der traditionellen Arbeitsfelder wieder. Eine Vielzahl von Ortsvereinen hält bereits Bildungs-, Beratungs- und Unterstützungsangebote für (werdende) Mütter und Eltern vor. Daher lassen sich über die drei Modellstandorte hinaus viele Ansatzpunkte für das Konzept "Guter Start ins Leben" finden.
Basierend auf den Evaluationsergebnissen hat der SkF Gesamtverein ein einheitliches Rahmenkonzept verabschiedet. Dieses hat für die Ortsvereine eine fachlich empfehlende Funktion. Es soll Impulse und Anregungen geben sowie Entwicklungsprozesse in Gang setzen. Damit die vielfältigen Angebote der Ortsvereine unter "Guter Start ins Leben" auftreten können, müssen sich die Ortsvereine mit den im Rahmenkonzept beschriebenen Zielen identifizieren. Zur Unterstützung vor Ort bietet das Team Frühe Hilfen des SkF Gesamtvereins Fachberatung, Materialien, Fortbildungen und Anschubfinanzierung an.
Den ausführlichen Evaluationsbericht sowie das Rahmenkonzept können Sie gerne bei den Autorinnen anfordern.
Anmerkung
1. Im Rahmen der Evaluation konnten vor allem Daten über (werdende) Mütter erhoben werden; über die Väter der Kinder beziehungsweise Partner gab es kaum Daten. Daher wird im Folgenden nur von Müttern gesprochen.