Den Verband neu ausrichten
Krieg, Klimakrise, Kürzungen im Sozialbereich: An Herausforderungen mangelt es der Caritas weder in Deutschland noch weltweit. Das zeigte sich bei der 23. Delegiertenversammlung (DV) des Deutschen Caritasverbandes in München an vielen Stellen. So gedachten die rund 150 Delegierten in einer Schweigeminute der Opfer des Hamas-Angriffs in Israel, nachdem Vera Szackamer vom Präsidium des Zentralrats der Juden die Lage der Menschen dort geschildert hatte. Damit wurde greifbar, welche Aktualität "Frieden und Versöhnung" als Agenda-Thema der Caritas fürs kommende Jahr hat. Die Delegierten verabschiedeten dazu ein Agenda-Papier "Frieden beginnt. Mit uns. Mit dir. Mit mir" (Dokumentation in der neuen caritas folgt). Darin wird betont, dass die Caritas nicht nur satzungsgemäß einen Auftrag zum "Friedenschaffen" hat, sondern in ihren Hilfeangeboten immer wieder dafür einsteht.
In der Diskussion betonten zahlreiche Delegierte die Bedeutung einer intakten sozialen Infrastruktur, die auch eine Voraussetzung für den Erhalt des Friedens sei. Sie kritisierten die geplanten Kürzungen im Sozialbereich, weil diese auch Angebote beträfen, die bereits heute nur durch den Einsatz von Eigenmitteln der Caritas zu betreiben seien. "Wir schneiden ins Herz der Caritas", formulierte eine Delegierte, die davon berichtete, dass erste Träger aus der Bahnhofsmission und der Migrationsberatung aussteigen. Caritas-Präsidentin Eva Maria Welskop-Deffaa bat den anwesenden Caritas-Bischof Stephan Burger, zu prüfen, ob Bistümer ihre finanzielle Unterstützung ausbauen könnten, um solche Schließungen zu vermeiden. Ihr Appell an die Bundespolitik lautete: "Das Soziale ist das, was die Zukunft gelingen lässt. Wer Ausgaben in das soziale Netz kürzt, verspielt Vertrauen und treibt die Menschen in die Arme derer, die mit ihrer ,Alternative‘ die Axt anlegen an die Grundwerte unserer Demokratie." Diesen Eindruck bestätigten Delegierte der Ortsebene mit Schilderungen zur angespannten Situation bei der Betreuung von Geflüchteten. Es gebe Anfeindungen und Drohungen gegenüber Caritaseinrichtungen sowie frustrierte Mitarbeitende, die in andere Bereiche wechseln wollten.
Klimaschutz kommt nur schleppend voran
Auch beim Vorhaben, die Caritas bis 2030 klimaneutral zu machen, hakt es. "Wenn wir beim aktuellen Tempo bleiben, werden wir das Ziel nicht rechtzeitig erreichen", betonte der für das Thema verantwortliche DCV-Vorstand Steffen Feldmann. Er verwies darauf, dass eine Förderung im Rahmen der Nationalen Klimaschutzinitiative (NKI), die dem Anliegen einen deutlichen Schub gegeben hätte, bislang nicht realisiert werden konnte. Dadurch fehlten Ressourcen auf Bundesebene, um eine wirksame Unterstützung für die Klimaschutz-Planungen und Aktivitäten der Mitglieder zu organisieren. Im Rahmen des beantragten NKI-Projektes sollten zusammen mit der Diakonie 100 Piloteinrichtungen bei der Einführung eines betrieblichen Klimamanagements begleitet werden.
Solidarität mit Menschen im Globalen Süden
Unabhängig davon verankern immer mehr Verbände den Klimaschutz als strategisches Ziel. Bei der Umsetzung stoßen sie allerdings an finanzielle Grenzen, vor allem dort, wo Aufwände für Klimaschutzmaßnahmen nicht refinanziert werden. Deshalb sollen die verbandliche Bewusstseinsbildung, der Kompetenzaufbau und die Lobbyarbeit für förderliche Rahmenbedingungen gemeinsam weiter vorangetrieben werden. Um das in der aktuellen Caritas-Kampagne "Klimaschutz, der allen nutzt" grundgelegte Anliegen der anwaltschalichen Interessenvertretung für die vom Klimawandel besonders betroffenen Menschen zu unterstreichen, sprachen sich die Delegierten für eine Solidaritätsnote mit den Menschen im globalen Süden aus (Dokumentation folgt in der neuen caritas Heft 19/2023). Darin heißt es: "Wir setzen uns für mehr Klimagerechtigkeit weltweit ein und unterstützen hierzu, auch über unser Hilfswerk Caritas international, vielfältige Maßnahmen."
Neue Satzung spiegelt veränderte Verbandsrealität
Die Delegierten verabschiedeten auch die überarbeitete Satzung für den Deutschen Caritasverband. "In einem Umfeld, in dem Krisen das neue Normal zu sein scheinen, müssen wir imstande sein, schnell und koordiniert zu reagieren", kommentierte Caritas-Präsidentin Welskop-Deffaa. Die neue Satzung unterstützt diesen Anspruch unter anderem, indem sie großen Trägern, die in mindestens zwei Diözesen tätig sind und mehr als 3000 Mitarbeitende haben, eine eigene Vertretung in der Delegiertenversammlung und im Caritasrat gibt. Außerdem entsendet die Ortsebene künftig zehn zusätzliche Vertreter:innen in die DV, die von der Bundeskonferenz der Vorstände und Geschäftsführungen der Ortsverbände gewählt werden. Um aktuellen Ansprüchen der Corporate Governance gerecht zu werden, wurde das Organ des Präsidenten, der Präsidentin abgeschafft. Künftig führt ein maximal vierköpfiger Vorstand die Geschäfte des Verbandes. Er wird vom Caritasrat gewählt, der auch den oder die Vorstandsvorsitzende:n bestimmt. Diese:r trägt den Titel Präsident:in. Der Vorstandwird in seiner Arbeit von einem neu geschaffenen, paritätisch besetzten Kuratorium unterstützt und beraten, das die DV auf Vorschlag des Vorstands wählt. Im Caritasrat, der als Aufsichts- und Verbandsrat fungiert, hat der Vorstand künftig kein Stimmrecht mehr. Der Caritasrat wählt aus den stimmberechtigten Mitgliedern eine:n Vorsitzende:n. Die Stellvertretung übernimmt der/die Vorsitzende der Finanzkommission, zusammen mit einer aus dem Kreis des Caritasrates gewählten Person. Die Satzung tritt in Kraft, wenn das zuständige Finanzamt und die Deutsche Bischofskonferenz grünes Licht gegeben haben und der Eintrag im Vereinsregister erfolgt ist.
Bei der Entwicklung der Satzung wurden weitere Zukunftsfragen identifiziert, die erstmals im Prozess „Verbandlich handeln“ diskutiert wurden. Sie werden nun in einem Verbandsordnungsprozess bearbeitet. Erste Ergebnisse sollen bei der DV 2024 in Cottbus vorliegen. Federführend für den Prozess ist eine Kommission mit 25 Mitgliedern. Sie erarbeitet Vorschläge für die Verhältnisbestimmung und die Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen verbandlichen Gruppierungen. Darüber hinaus wird es um das Miteinander von freiwilligem und beruflichem Engagement gehen, um die Aufgaben der Bundeszentrale sowie um die Mitgliedschaft im Deutschen Caritasverband e. V.
Kompetenzzentrum für digitalen Fortschritt
Mit Spannung erwarteten die Delegierten den Bericht von Susanne Pauser, der neuen Vorständin für Digitales im DCV, zur Umsetzung von Digitalvorhaben in der Caritas. Dabei skizzierte sie die Herausforderung: „Die Frage ist, ob wir das Vertrauen und den Mut haben, enger, vernetzter zusammenzuarbeiten, auch wenn es bedeutet, Souveränität abzugeben, Prozesse neu zu ordnen und sich auf gemeinsame Standards zu verpflichten.“ Susanne Pauser stellte einen auf vier Jahre ausgelegten Stufenplan vor, der von einem digitalen Kompetenzzentrum gesteuert wird. In einem iterativen, nutzerzentrierten Prozess sollen alle relevanten Akteure von den digitalen Fortschritten profitieren, beste Lösungen gefunden und umgesetzt werden. Susanne Pauser betonte: „Der DCV sucht Lösungen im Verband, er ,produziert‘ sie nicht selbst. Ziel ist Umsetzung im Verband aus dem Verband heraus.“
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