Trotz Distanz Nähe zu den jungen Menschen schaffen
Bei der regelmäßigen Mediennutzung junger Menschen haben laut aktueller JIM-Studie1 Internet (95 Prozent), Smartphone (95 Prozent) und Musik (92 Prozent) den größten Stellenwert. Wie sämtliche Felder der sozialen Arbeit sind deshalb auch die Schulsozialarbeit und Angebote der schulbezogenen Jugendsozialarbeit2 gefragt, auf diese Entwicklungen zu reagieren und ihre Angebotsstrukturen sowie -konzepte weiterzuentwickeln.
Mittlerweile setzen Schulsozialarbeiter:innen selbstverständlich auch digitale Formate ein, um erreichbar zu sein, um Kontakt- und Beratungsarbeit zu pflegen sowie kreative Projekte für junge Menschen und mit jungen Menschen auf den Weg zu bringen. Darüber hinaus wird aktuell der Ruf nach hybriden Konzepten und Angeboten aus der Fachwelt lauter. Denn digitale Formate allein sind kein Ersatz für den persönlichen, analogen Kontakt in der Kinder- und Jugendhilfe. Deshalb probieren Schulsozialarbeiter:innen neue Möglichkeiten aus, um analoge und digitale Settings in sinnvoller Weise zu verbinden.3
Konzept für digitale intensive Einzelfallhilfe
Im Rahmen des 17. Deutschen Kinder- und Jugendhilfetages 2021 (DJHT) wurden im Workshop "Schulsozialarbeit- analog, digital, hybrid!" Praxiserfahrungen mit innovativen Angeboten vorgestellt.4
So entwickelte eine Schulsozialarbeiterin ein Konzept für digitale intensive Einzelfallhilfe, die über wöchentliche Videochats auf einer datenschutzkonformen Plattform der Schule realisiert wird. Auf diese Weise kann man dem Wunsch junger Menschen nach einer vertraulichen Kontaktaufnahme und vom physischen Ort Schule abgegrenzten Begegnung nachgekommen. Der Weg zur analogen Beratung ist dabei jederzeit möglich. Mit diesem Herangehen erweitert die Schulsozialarbeiterin ihren Wirkungskreis.
Im Workshop wurde auch deutlich, dass Schulsozialarbeiter:innen vermehrt soziale Medien nutzen, um ihre Ansprechbarkeit und ihre Angebote öffentlich zu machen. So wird gesichert, dass sie niedrigschwellig erreichbar sind. Dabei äußern die Fachkräfte nach wie vor Datenschutzbedenken und den Wunsch nach sicheren Kommunikationstools. Damit sie dennoch auf häufig genutzten Plattformen der Jugendlichen präsent sein können, sollten Einstellungen vorgenommen werden, die die Datensammlung verringern. Jede Fachkraft sollte sich zudem durch Einverständniserklärungen absichern.5
Im Rahmen des Workshops zeigte sich auch, dass in der Praxis mittlerweile mehr und mehr dienstliche Instagram-Kanäle erstellt werden. Schulsozialarbeiter:innen nutzen sie für die Öffentlichkeitsarbeit, den Informationsaustausch und die Bekanntmachung von schulischen oder kommunalen Aktivitäten. Als Beratungstool sollen diese Kanäle nicht genutzt werden. Vielmehr soll der Weg zum persönlichen Gespräch mit der Schulsozialarbeit erleichtert und geebnet werden.
An die Plattform Instagram können auch kreative Projekte wie Musik- oder Foto-Challenges geknüpft sein, wie ein medienaffiner Schulsozialarbeiter berichtete. Er entwickelte einen Musikwettbewerb in Lockdownzeiten. Auf diese Weise konnte die Schulsozialarbeit direkt an die Interessen vieler junger Menschen anknüpfen, Kontakte und Beziehungen zu ihnen aufbauen, eine Vertrauensbasis schaffen sowie Selbstwirksamkeitserfahrungen der Jugendlichen unterstützten. Für einige junge Menschen diente dies auch als Schritt, persönliche Anliegen gegenüber dem Schulsozialarbeiter leichter zu äußern.
Eine andere Schulsozialarbeiterin stellte ihren eigenen Podcast "Ausgesprochen" vor.6 Er bietet seit Beginn der Pandemie eine zeitgemäße, niedrigschwellige Möglichkeit, mit jungen Menschen an ihrer Schule zu kommunizieren. Trotz Distanz kann auf diese Weise Nähe entstehen und wiederum den Schritt zur persönlichen individuellen Beratung fördern.
Hybride Wege für schulabsente junge Menschen
Laut Deutschem Schulbarometer konnte jede vierte der befragen Lehrkräfte (insgesamt 26 Prozent) einen deutlichen Anstieg des Schulabsentismus während der Pandemie beobachten.7 So stellt sich die Frage, ob sich für die (schulbezogene) Jugendsozialarbeit neue Handlungsanforderungen ergeben und sich Aufgaben geändert haben. Darüber wurde bei der Online-Fachtagung "Junge Menschen erreichen und Beziehungen gestalten - Handlungsanforderungen an die Jugendsozialarbeit im Kontext von Schulabsentismus" der Bundesarbeitsgemeinschaften Evangelische und Katholische Jugendsozialarbeit sowie IN VIA Deutschland am 12. Mai 2022 diskutiert. Die weitere Entgrenzung der digitalen und physischen Lebenswelten erfordert sicherlich eine Reflexion der Konzepte zur Ansprache und Beratung junger Menschen, die der Schule fernbleiben. Bei der Tagung wurde jedoch auch deutlich, dass bewährte Unterstützungsformen, zum Beispiel Hausbesuche und persönliche Beratungssettings, in der Schule, unverzichtbar sind.
Dennoch sind digitale Angebote, die als anonyme Informations- und Vermittlungstools für junge Menschen dienen können, wichtiger geworden. So bietet zum Beispiel die von der Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst Hildesheim/Holzminden/Göttingen (HAWK) entwickelte Website und die App "Re:Go" ein derartiges Angebot.8 Ziel ist auch bei dieser Anwendung, den Zugang zu physischen Beratungsangeboten zu erleichtern.
Auf die individuellen Bedarfe junger Menschen kommt es an
Die dargestellten Praxisbeispiele verdeutlichen, dass in der Schulsozialarbeit für die Erreichbarkeit und die Beziehungsarbeit möglichst hybride beziehungsweise vielfältige Ansätze verfolgt werden sollten. Dem gestiegenen Bedarf vieler junger Menschen nach niedrigschwelligen digitalen Zugangswegen sollte Rechnung getragen werden. Deutlich wird auch, dass analoge und digitale Formate je nach Kontext, Problemstellung und individuellem Bedarf der Jugendlichen verknüpft werden müssen. In Beratungssettings kann auch mit den jungen Menschen selbst abgestimmt werden, wann und in welcher Form analoge oder digitale Formate genutzt werden sollen.
Anmerkungen
1. Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest c/o Landesanstalt für Kommunikation (LFK) (mpfs): JIM-Studie, 2021. www.mpfs.de/fileadmin/files/Studien/JIM/2021/JIM-Studie_2021_barrierefrei.pdf
2. Auch Jugendsozialarbeit an Schulen (JaS) gehört dazu.
3. Im größeren Stil wird dieses Vorgehen in Initiativen zur Weiterentwicklung von "Blended Counseling" umgesetzt.
4. Vgl. Dokumentation des 17. DJHT: https://doku-17.djht.jugendhilfetag.de/kongress
5. Insgesamt sind hier die Träger in der Verantwortung, Orientierung zu bieten. Dabei kommt es auf die Datenschutzvorgaben der Institution sowie auf die Auslegungen der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) seitens der jeweiligen Landesdatenschutzbeauftragten an.
6. Vgl. www.invia-freiburg.de/2021/02/schulsozialarbeit-aus-dem-lockdown/
7. Robert Bosch Stiftung: Das Deutsche Schulbarometer Spezial: Zweite Folgebefragung. Durchgeführt von forsa Politik- und Sozialforschung GmbH. Stuttgart: Robert Bosch Stiftung, 2021. https://deutsches-schulportal.de/deutsches-schulbarometer/#september-2021
8. Siehe: https://rego.wiki
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