Stiftungen im Wandel der Zeit
Gemeinnützige Stiftungen haben als Hebel gesellschaftlicher Mitgestaltung eine weit in die Geschichte zurückreichende Tradition. Mit der Gründung seiner nach ihm benannten Akademie legte Platon bereits 347 v.Chr. einen Grundstein für das bis heute funktionierende Stiftungswesen wie auch für 900 Jahre Wirkungsgeschichte seiner Philosophenschule. Aus ihr gingen viele bedeutende Denker hervor und sie beeinflusste und beeinflusst auch heute noch maßgeblich das westliche Denken.
Dabei erfüllte sein Vorgehen bereits ein Charakteristikum, welches Stiften auch heute noch auszeichnet: nämlich die dauerhafte nicht rückholbare Schenkung von Vermögen für einen gemeinnützigen Zweck. Von den Römern wurden solche Schenkungen dann bereits als Rechtsform fixiert.
Im Mittelalter erfolgten Stiftungsgründungen meist aus religiösen Motiven und dienten in der Regel kirchlichen Zwecken. Die Stifter und Stifterinnen verfolgten dabei neben der wohltätigen Tat insbesondere auch die Strategie, ihren Weg ins Jenseits zu ebnen. So entstanden in Deutschland viele Klöster, Hospitäler, oft gar ganze Siedlungen, die noch bis heute bestehen.
Es zeigt sich in der Rückschau, dass Stiftungen ihr besonderes Potenzial häufig in Umbruchsphasen gesellschaftlicher Transformation entfalteten: sei es nach dem Dreißigjährigen Krieg oder während der Industrialisierung und Gründerzeit im 19. Jahrhundert. In solchen Zeiten kam es nicht nur zu richtigen Gründungswellen, Stiftungen wandten sich dabei auch konkreten gesellschaftlichen Herausforderungen zu und griffen gestaltend in gesellschaftliche Entwicklungen ein. Häufig waren sie Wegweiser und Innovationsmotor für beispielgebende Projekte, die auf lange Sicht den Zusammenhalt der Gesellschaft stärkten.
Berühmt: die Fuggerei in Augsburg
In der Geschichte finden sich zahlreiche bekannte und berühmte Beispiele wie die 1521 gestiftete älteste Sozialsiedlung Europas, die Fuggerei in Augsburg oder die 1228 gegründete Stiftung Hospital zum Heiligen Geist in Schwäbisch Hall, die bis heute unter anderem Wohnraum für einkommensschwache Familien zur Verfügung stellt. In beiden Fällen verlangten die sich massiv verändern[1]den gesellschaftlichen Rahmenbedingungen nach neuen Konzepten - auch Konzepten der Beteiligung an sozialfürsorglichen Aufgaben. Das Stiftungswesen eröffnete auch hier wieder eine tragfähige Möglichkeit, zivilgesellschaftlichen Visionen und sozialem Handeln einen institutionellen und beständigen Rahmen zu geben, der in einigen Fällen bis heute wirkt.
Zwei Beispiele für Stiftungen, denen es gelang, sich in einer wechselvollen Geschichte zu behaupten, die bis heute existieren und so auch darauf verweisen, wie nachhaltig und wirkungsvoll das Instrument "Stiftung" sein kann.
Eine Vision lebendig in die Zukunft tragen
Dabei zeigt sich: Erfolg und Langlebigkeit einer Stiftung sind einerseits maßgeblich davon abhängig, ob die Stiftungsidee, die Vision des Stifters oder der Stifterin auf wichtige gesellschaftliche Fragestellungen und Herausforderungen Antworten zu geben vermag. Andererseits aber auch davon, wie anschlussfähig die Vision und das jeweilige Vorhaben sind. Das heißt konkret, wie diese Idee von weiteren Menschen aktiv - finanziell und tatkräftig - mitgetragen wird, indem sie ihre eigenen Ideen einbringen, die Vision erweitern und lebendig in die Zukunft tragen.
Auch die vergangenen Jahrzehnte waren in Deutschland geprägt von vielen neuen Stiftungsgründungen. Laut Bundesverband Deutscher Stiftungen liegt die Zahl der rechtsfähigen Stiftungen des bürgerlichen Rechts bei aktuell knapp 24.000. Dabei ist auch eine Vervielfältigung der Formen zu beobachten. So gewinnt neben der klassischen Ewigkeitsstiftung die Verbrauchsstiftung an Bedeutung, bei welcher der Stiftungszweck nicht nur aus den erwirtschafteten Erträgen, sondern auch aus dem eingebrachten Stiftungskapital verfolgt werden kann. Insbesondere in der anhaltenden Niedrigzinsphase eine charmante Möglichkeit, größere Summen für den gemeinnützigen Zweck verfügbar zu machen.
Neben die dominierende Form des Einzelstifters sind Stiftungsmodelle getreten, die von vielen Stifterinnen und Stiftern, ganzen Stiftergemeinschaften getragen werden - wie die zwischenzeitlich sehr gängigen Bürgerstiftungen, aber auch die auf Diözesan-, Bundes- oder Stadtebene ins Leben gerufenen Caritas-Stiftungen (eine Landkarte aller Caritas-Stiftungen ist unter www.caritas.de/spendeundengagement/stiften/caritas-stiftungen zu finden). Sie eröffnen die Möglichkeit, sich gemeinschaftlich einzubringen und aktiv und konstruktiv Gesellschaft mitzugestalten.
Ein breites Netzwerk gegen Kinderarmut
Ein wunderbares Beispiel, wie dies auf lokaler Ebene gelingend und wirkungsvoll umgesetzt werden kann, ist die Kinderstiftung Ravensburg, welche als Teil der Stifterfamilie der CaritasStiftung in der Diözese Rottenburg-Stuttgart 2008 gegründet wurde. Lokale Unternehmen, kommunale Akteure, kirchliche Vertreter(innen), Institutionen der freien Wohlfahrt, Spender(innen) und über 200 ehrenamtlich Engagierte haben sich als breites lokales Unterstützungsnetzwerk zur Bekämpfung von Kinderarmut zusammengefunden. Die Stiftung wirkt so als Plattform für zivilgesellschaftliches Engagement und trägt dazu bei, nachhaltig und gemeinsam mehr Chancengerechtigkeit für Kinder aus einkommensschwachen Familien zu erzielen.
Das Gemeinwohl lebt auch davon, dass Menschen ihre privaten finanziellen Ressourcen in die Bearbeitung gesellschaftlicher Herausforderungen einbringen. Über die Gründung einer Stiftung können sie weitergehendes Engagement beflügeln und so einen bedeuten[1]den Beitrag zum gesellschaftlichen Zusammenhalt leisten - sei es, indem sie fördernd tätig sind oder operativ ihre eigenen Projekte umsetzen.
Stiftungen sind Instrumente, die eine Plattform für gemeinnütziges Handeln bieten. Zur Entfaltung ihres Potenzials benötigen sie wie andere Organisationsformen auch handelnde Personen. Ihr Vorteil liegt darin, dass sie sich durch eine besondere und stabile Form des bürgerschaftlichen Engagements auszeichnen, in welcher die inhaltliche Zweckverfolgung durch die Vermögensausstattung der Stiftung nicht nur sehr langfristig, sondern in der Regel auch aus finanzieller Eigenständigkeit erfolgen kann. Hierdurch ist es ihnen möglich, in hohem Maße autonom und unabhängig zu agieren. Dies eröffnet Freiheitsgrade sowohl in der Themensetzung wie auch in dem Versuch, unkonventionelle und innovative Wege zu gehen.
Auch wenn stifterisches Handeln den Staat nicht aus seiner Verantwortung für die Grundversorgung entlassen kann und will, liegt darin neben allen Fallstricken und Stolpersteinen, die bei Stiftungen vorliegen können (zum Beispiel die unter anderem von Lobby Control kritisierte Intransparenz in einigen Bereichen des Stiftungssektors), auch eine entscheidende und wichtige Chance. Denn Stiftungen verfügen auf diese Weise über eine Stärke, die sie in Phasen gesellschaftlicher Transformation einbringen können, so wie dies aktuell, aber nicht erst seit Corona, erlebt wird.
Reformwerkstatt Pflege
Flüchtlingsdienste in Zahlen
Stiftungsrechtsreform in greifbarer Nähe
Stifter(innen) finden und binden
Dringend: Computer für Schüler
Qualität mit Brief und Siegel
Qualität entwickeln, Qualität anerkennen
Die Geduld ist zu Ende
Kostendeckend arbeiten in der ambulanten Pflege
Hinterlassen Sie einen Kommentar zum Thema
Danke für Ihren Kommentar!
Ups...
Ein Fehler ist aufgetreten. Bitte laden Sie die Seite erneut und wiederholen Sie den Vorgang.
{{Reply.Name}} antwortet
{{Reply.Text}}