Rechtssicherheit für die diakonische Arbeit
Die Urteile des Bundesarbeitsgerichts (BAG) im Fall Egenberger und dem sogenannten Chefarzt-Fall fordern die Kirchen und ihre Wohlfahrtsverbände heraus. Sie fragen uns in einem durchaus positiv aufzunehmenden Sinn: Wie wollen wir uns in einem kulturell, religiös und ethnisch immer vielfältiger werdenden Land selbst verstehen? Darum sind Diakonie und Caritas über die Grundfragen des kirchlichen Arbeitsrechts im intensiven ökumenischen Gespräch, beispielsweise Anfang 2019 bei unserer gemeinsamen Tagung in Tutzing.
Auf das BAG-Urteil in der Causa Egenberger musste die Diakonie Deutschland nicht zuletzt wegen seiner grundsätzlichen Tragweite umfassend reagieren. Wir haben unseren Mitgliedsverbänden und Trägern vorläufige Empfehlungen an die Hand gegeben, wie bis zu einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts bei Ausschreibungen zu verfahren ist. Denn die Kirchenmitgliedschaft hat künftig ein anderes Gewicht bei der Entscheidung der Frage, ob jemand für eine Stelle geeignet ist oder nicht. Zur Erinnerung: Im BAG-Urteil, das im Wesentlichen auf einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) aus dem Frühjahr 2018 fußt, ging es um den Fall einer Bewerberin, die aus fachlichen Gründen nicht zu einem Personalauswahlgespräch eingeladen wurde. Da für die Stelle eine Kirchenmitgliedschaft gefordert war, sah sich die konfessionslose Kandidatin diskriminiert, klagte auf Schadenersatz - und bekam vor dem BAG recht.
Diese Entscheidung kann aus Sicht der Diakonie Deutschland so nicht stehen bleiben. Wir haben Verfassungsbeschwerde erhoben - in enger Abstimmung mit der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und nach ausführlichen Konsultationen in unserem Verband und mit unseren ökumenischen Partnern.
Von dem durchaus mit Risiken behafteten Gang nach Karlsruhe erwarten wir Rechtssicherheit darüber, dass unser im Grundgesetz garantiertes Recht auf Selbstbestimmung auch durch europäisches Recht nicht ausgehöhlt wird. Im Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union wird mit Artikel 17 der Status der Religionsgemeinschaften in den Mitgliedstaaten geachtet und vor Beeinträchtigung geschützt. Dazu gehört in Deutschland das Verfassungsrecht, wonach Glaubensgemeinschaften und ihre Einrichtungen über ihre eigenen Angelegenheiten selbst bestimmen - also auch über das Arbeitsrecht. Der EuGH - und in der Folge das BAG - haben nach unserer Auffassung gegen diesen Grundsatz verstoßen.
Es geht uns nicht um die Verteidigung überholter Privilegien. Wir sind uns im Klaren, dass die öffentliche Akzeptanz für das deutsche Kirchenverfassungsrecht nicht gerade steigt. Und Schutz vor Diskriminierung ist auch uns ein hohes Gut.
Aber wir können unsere Arbeit nicht im Grundsatz infrage stellen lassen. Menschen, die die Hilfe der Diakonie in Anspruch nehmen, dürfen schließlich erwarten, dass sie in einem kirchlichen Umfeld umsorgt werden, dass sie bei Bedarf zum Gottesdienst geleitet werden, mit ihnen gebetet wird. Die Diakonie muss als der soziale Dienst der evangelischen Kirche erkennbar bleiben können. Und dazu gehört, dass an den Stellen evangelische Christ(inn)en arbeiten, an denen es nach unserem Selbstverständnis erforderlich ist.
Schon 2016 - vor den einschlägigen Urteilen - haben wir unsere sogenannte Loyalitätsrichtlinie nach eingehenden Beratungen neu formuliert. Auch vorher schon arbeiteten bei uns selbstverständlich Menschen anderen Glaubens - aus professionellen und aus pragmatischen Gründen. Sie tragen unser ethisches Selbstverständnis und unsere Unternehmenskultur mit. Wer in Seelsorge, Verkündigung und evangelischer Bildung mitarbeitet, muss allerdings evangelisch sein; Leitungskräfte sollen einer christlichen Kirche angehören. Noch einmal: Es ist von unserem Selbstverständnis her geboten, dass die Diakonie bestimmen kann, für welche Stellen das entscheidend ist und wer für diese Stellen infrage kommt. Denn für die theologische Kernfrage, ob eine Person den möglichen religiösen Anforderungen an eine Stelle entspricht, sind Juristen nicht unbedingt die geborenen Expert(inn)en.
Die Aufgaben, die uns von den Gerichten in Luxemburg und Erfurt gestellt worden sind, haben wir angenommen: Eine gemeinsam mit der EKD besetzte Arbeitsgruppe arbeitet nun die theologischen Kriterien bezüglich des Ethos unserer Organisation heraus. Wie eine konkrete Stelle an das Ethos der Organisation gebunden ist, werden wir künftig bei den Ausschreibungen, für die wir eine Kirchenmitgliedschaft erwarten, begründen. Zugleich setzen wir auf die Chance, auch in unserem Verband kirchliches Arbeitsrecht zukunftsfähig weiterzuentwickeln.
Die Kirchen müssen jetzt ihr Profil schärfen
Stigma tradiert Armut
Das Trauma überwinden
Arbeitsplätze für 12.000 Menschen mit Behinderung
Die Zukunft ist mit in unserer Hand
Institutionelle Loyalität gestalten
Geschlechtergerechtigkeit in der Caritas
Hinterlassen Sie einen Kommentar zum Thema
Danke für Ihren Kommentar!
Ups...
Ein Fehler ist aufgetreten. Bitte laden Sie die Seite erneut und wiederholen Sie den Vorgang.
{{Reply.Name}} antwortet
{{Reply.Text}}