Digitalisierung als Schlüssel zum „Smart Hospital“
Vernetzung, Entlastung und Kostensenkung - diese Vorteile verspricht die Digitalisierung. Verschiedene Branchen, allen voran die Industrie, machen sich den digitalen Wandel bereits erfolgreich zunutze. Auch in der Sozialwirtschaft steckt viel unausgeschöpftes digitales Potenzial: Mit dem demografischen Wandel steigt nicht nur die Zahl älterer Menschen, parallel dazu gibt es immer weniger Absolvent(inn)en einer Pflegeausbildung; ein Mangel an Pflegekräften ist die Folge. Der Personalnotstand ist ein Antriebsmotor des digitalen Fortschritts, denn intelligente Technologien ermöglichen die Verbesserung von internen Abläufen. Bereits heute profitieren die ambulante und stationäre Versorgung sowie Pflegekräfte von der Digitalisierung (siehe dazu auch neue caritas Heft 21/2017). Auch zukünftig geplante Technologien werden für Optimierungen sorgen. Ziel sollte es sein, mehr Zeit des Personals für den persönlichen Kontakt mit Patient(inn)en zu schaffen. Doch welche Technologien befinden sich bereits im Einsatz und tragen zur besseren Patientenversorgung bei und bei welchen handelt es sich noch um Zukunftsmusik?
Lücken in der Patientenversorgung schließen, Pflegekräfte entlasten und Kosten senken - das steckt im Digitalisierungspotenzial deutscher Krankenhäuser. Was faktisch belegt ist, lässt sich jedoch nicht so leicht umsetzen. Das zeigt auch eine Krankenhausstudie von Roland Berger aus dem Jahr 2017, in der 500 Krankenhäuser nach ihrem Digitalisierungsstand gefragt wurden.1 Die Antwort ist ernüchternd: 91 Prozent der Befragten geben an, lediglich zwei Prozent des Umsatzes für IT auszugeben, obwohl sie den Fortschritt positiv bewerten.
Um Digitalisierungsstrategien sinnvoll umzusetzen, sollten Entscheider zunächst die Frage nach dem eigenen Bedarf stellen. Häufig lohnt es sich, bei der internen Verwaltung anzufangen und Enterprise-Resource-Planning-Systeme (ERP)2 sowie Finanzsysteme, Bewohnerverwaltung und Einsatzplanung zu digitalisieren. Voraussetzung für die Etablierung intelligenter Systeme ist ein ausreichender Breitbandausbau, der den Grundstein für alle weiteren Digitalisierungsschritte legt. Mit dem passenden DSL-Anschluss lassen sich Druck-, Scan- und Faxlösungen, Netzwerktechnik, Telefonielösungen und mobile Endgeräte in bestehende Infrastrukturen integrieren. Erst diese Technologien legen das Fundament für die Einbindung von Mobile Device Management (MDM), smarten Haushaltsrobotern oder intelligenten Krankenhausbetten. Vor allem die elektronische Erfassung von Vitalwerten, Pflege- oder Wunddokumentation verkürzt Arbeitsschritte.
Dezentralisierung der Pflege
Schon die Politik fordert mit "ambulant vor stationär", dass Senior(inn)en so lange wie möglich selbstständig in den eigenen vier Wänden wohnen bleiben können. Um möglichst vielen Patient(inn)en den Wunsch nach Eigenständigkeit zu erfüllen, benötigen Pflegedienste effektivere Lösungen für die ambulante Versorgung. Dafür nutzen viele Pflegedienste bereits die mobile Dienst- und Tourenplanung wie auch die mobile Abrufbarkeit von Patientenakten sowie Zeiterfassung. Die zunehmende Vernetzung durch den Ausbau des mobilen Internets erlaubt die Nutzung von Smartphones, Phablets (ein sehr großes internetfähiges Mobiltelefon) oder Tablets im Berufsalltag. Jedoch muss die mobile Datenverarbeitung zentral verwaltet und gesteuert werden. Mit Hilfe eines Mobile Device Managements lässt sich der sichere und zuverlässige Zugriff auf digitale Daten organisieren. Mobile Endgeräte benötigen für die Umsetzung entsprechende Applikationen, eine sichere Konfiguration sowie stets aktuelle Software. IT-Abteilungen sind in der Regel für die Verwaltung zuständig, damit notwendige Systeme einwandfrei laufen und sich ständig auf dem aktuellsten Stand befinden.
Eine weitere Anforderung an mobile Endgeräte im MDM ist das Remote-Wipe, welches das Löschen von Daten per Fernzugriff ermöglicht. Bei Diebstahl oder Verlust lassen sich so interne Daten schützen. Mit Hilfe einer Transportverschlüsselung durch SSL oder TLS für das Versenden von internen Informationen bleibt der Datenschutz ebenfalls gewährleistet. Das Bundesministerium für Sicherheit in der Informationstechnik gibt darüber hinaus eine Empfehlung für Mindeststandards im MDM ab, so dass eine Etablierung in einer Institution möglichst risikoarm ist.3 Ziel ist die Prävention von Cyberangriffen und einer missbräuchlichen Nutzung der Daten durch Dritte.
Chancen und Hürden im Krankenhaus
Ein Glas mit Wasser füllen, tanzen oder Feuer löschen - die Fähigkeiten von Robotern sind heute schon erstaunlich, auch beim Einsatz in Krankenhäusern ergeben sich zahlreiche Möglichkeiten. Nur das medizinische Fachpersonal können und sollen sie nicht ersetzen. Mit Hilfe des Internet of Things, smarter Sensorik und digitaler Strukturen lassen sich intelligente Helfer in den Krankenhaus- und Pflegealltag einbinden. Routineaufgaben können und sollen sie dabei übernehmen. Das betrifft Tätigkeiten wie Wischen, Saugen oder Rasenmähen. In privaten Haushalten erfüllen die Maschinen diese Aufgaben bereits und sind zudem weltweit erhältlich, es braucht lediglich einen kleinen Schritt vom privaten Wohnzimmer zu Pflegeeinrichtungen. Einzige Hürde: Die Haushaltsroboter müssen die technischen und gesetzlichen Anforderungen erfüllen, die an Krankenhäuser gestellt werden. Was heute schon mit Haushaltsrobotern möglich ist, kann zu erheblichen Einsparungen und Entlastungen in der Pflege führen. Dennoch verhindern ethische Bedenken, wenig erprobte Systeme und gesetzliche Auflagen die Einbindung der smarten Helfer in den Pflege- und Krankenhausalltag. Wissenschaftler(innen) arbeiten an intelligenten Maschinen, die auf Aufgaben in der Gesundheitsbranche spezialisiert sind - erste Roboter befinden sich schon in Testphasen. Diese sollen Transporte etwa von Wäschesäcken oder Verpflegungswägen übernehmen, für die Desinfektion und Sterilisierung eines Raumes sorgen oder Angehörige bei der Pflege zu Hause unterstützen. Zukunftsvisionen über Robotertätigkeiten reichen von der Kommunikation mit Patient(inn)en über die Begleitung von Ärzt(inn)en bei Visiten bis hin zur Verwaltung der Medikamentenausgabe.
Im Bereich der Demenz- und Alzheimertherapie kommen Roboter als Kuscheltiere bereits zum Einsatz. In Form einer Robbe, ausgestattet mit einer Vielzahl an Sensoren, reagiert das "intelligente" Kuscheltier auf Patient(inn)en. Es tritt durch Laute und Regungen mit ihnen in Interaktion und fördert Gesprächsverhalten sowie Emotionen. Die Robbe ergänzt partiell eine Therapie, ersetzt aber keinesfalls die menschliche Zuwendung. Diese therapeutische Hilfe am Patienten bedeutet für das Pflegepersonal bereits Entlastung im Arbeitsalltag.
"Sprechendes" Krankenhausbett kann entlasten
Auf Intensivstationen kommen heute schon Betten zum Einsatz, die umfassende Daten eines Patienten verarbeiten und gebündelt an das Personal übermitteln. Dies geschieht mit Hilfe von kleinen Sensoren und Mikroprozessoren, die die Daten verarbeiten und auswerten. Das intelligente Bett überwacht den Zustand des Patienten und kann überlebenswichtige Informationen an das Pflegepersonal weitergeben. Diese Funktion schafft heute schon Entlastung auf Intensivstationen, auch im Krankenhaus- und Pflegealltag. Steht etwa ein(e) Patient(in) aus dem Bett auf, erkennt das eine Wiege-Sensorik - gekoppelt mit einem Lichtschalter wird der Boden ausgeleuchtet. Ein verknüpftes Frühwarnsystem informiert die Pfleger(innen) und dient der Unfallprävention.
Zudem erkennen Feuchtsensoren in einer Matte unter dem Bettlaken eventuelle Inkontinenz. Eine kompatible Ruffunktion sorgt dafür, dass sich Pfleger(innen) zeitnah um die Versorgung des Patienten kümmern können. Vor allem in Pflegeeinrichtungen erleichtert das Abrufen des Patientenzustandes aus der Ferne die Behandlung und sorgt für mehr Privatsphäre. Für Pflegekräfte kann es eine enorme Erleichterung sein, aus den Daten Informationen zu sammeln und schließlich Regeln über Verhaltensweisen abzuleiten. Die Informationen werden so Teil eines Wissensmanagements.
Häufigste Probleme sind jedoch die Verarbeitung dieser Daten sowie die Schnittstelle zur Auswertung: Verschiedene Dienstleister greifen auf unterschiedliche Software zurück. Gebraucht werden einheitliche Programme zur Etablierung neuer Technologien. Denn nicht nur die Anschaffung, sondern auch die Anbindung an bestehende Infrastrukturen generieren häufig Kosten und sind der Grund dafür, dass das "intelligente" Pflegebett noch nicht flächendeckend zum Einsatz kommt.
Sollen interne Abläufe verbessert werden, führt kein Weg an der Digitalisierung vorbei. Bereits kleine Veränderungen haben das Potenzial, Arbeitskräfte in ihrem Alltag zu entlasten und so für "mehr Hände ans Bett"4 zu sorgen. Viele Technologien wie digitale Patientenakten, mobile Tourenplanung oder das intelligente Bett existieren bereits und sind vielseitig einsetzbar, weitere befinden sich stetig in der Entwicklung. Die elektronische Gesundheitskarte sollte als gutes Beispiel vorangehen und Patientendaten zentral speichern, so dass Ärzt(inn)e(n) Zugriff auf die gesamte Patientengeschichte haben. Aber das Projekt scheiterte an der Umsetzung: Von den möglichen Funktionen wurde nur ein Bruchteil von der Bundesregierung freigegeben. Dennoch sollten weiterhin technische Entwicklungen vorangetrieben und Systeme vereinheitlicht werden, um Pflegeberufe attraktiver zu gestalten und die Patientenversorgung nachhaltig zu verbessern.
Anmerkungen
1. Berger, R.: Krankenhausstudie 2017. München, 2017.
2. Im Detail ist ein ERP-System eine Informations- und Kommunikationstechnik, um sämtliche Geschäftsprozesse zu verbinden, zu steuern und zu optimieren.
3. Mindeststandards des BSI für Mobile Device Management.
4. "Mehr Hände ans Bett" lautete das Projektziel der Digitalisierungsstrategien des Evangelischen Johanneswerks in Bielefeld im Jahr 2014.
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