Auf dem Weg in die eigenen vier Wände
Die Menschen in Deutschland mit angemessenem und bezahlbarem Wohnraum zu versorgen, ist eine grundgesetzlich verankerte Gemeinschaftsaufgabe gemäß Artikel 13 des Grundgesetzes. Bereits nach dem Zweiten Weltkrieg war es ein dringliches Anliegen, Wohnraum für "breite Bevölkerungsschichten in Not" zu schaffen. Große finanzielle Anstrengungen wurden seitdem bis in die 1980er-Jahre bei der Eigentumsförderung und im öffentlich geförderten Mietwohnungsbau unternommen. Danach war mit diesen Bemühungen Schluss. Zudem liefen Belegungsbindungen von öffentlich gefördertem Wohnraum aus, kommunale Wohnungsbestände wurden massenhaft verkauft.
Im Rahmen der Föderalismusreform 2006 wechselte die Zuständigkeit für den Wohnungsbau und die Wohnraumförderung auf Länderebene. An der Situation geändert hat das nichts. Im Gegenteil: Seit dieser Zeit steigt die Zahl der Wohnungslosen kontinuierlich. Die Einrichtungen für Wohnungslose platzen aus allen Nähten und akute Obdachlosigkeit nimmt weiter zu. Verschärft wurde diese Situation zusätzlich durch die Zuwanderung von Geflüchteten seit Ende 2014.
Geeigneten Wohnraum schaffen
Abhilfe tut not! Das dachte sich auch die Kirche im Erzbistum Köln. Deshalb hat Erzbischof Rainer Maria Kardinal Woelki im Oktober 2014 die Aufgabe der Wohnungsbeschaffung zur Chefsache gemacht. Er rief die "Aktion Neue Nachbarn" ins Leben, die - neben vielen anderen Unterstützungsleistungen - einen Schwerpunkt in der kirchlichen sowie privaten Wohn- und Objektakquise hat. Mit Erfolg: Bis heute konnten Geflüchtete in weit über 100 Wohnungen vermittelt werden. Daneben wurde auch eine Vielzahl von qualitativ gut ausgestatteten Gemeinschaftsunterkünften geschaffen. Dies war aber nur möglich durch einen Renditeverzicht beim zu erzielenden Mietzins.
Hilfe durch das Meister-Gerhard-Werk
Durch dieses Engagement entstanden jedoch keine neuen Wohnungen für diejenigen, die sich nicht aus eigener Kraft mit angemessenem und bezahlbarem Wohnraum versorgen konnten. Und so wurde aufbauend auf die "Aktion Neue Nachbarn" das bereits bestehende Meister-Gerhard-Werk, das bis Ende 2013 als Familien-Bauförderung des Kölner Erzbistums zinsfreie Kredite vergab, in veränderter Form neu aufgelegt. Die aktuelle Wohnungsbauförderung über das Meister-Gerhard-Werk schreibt die Zweckbindung von Wohnraum für ehemals Wohnungslose vor. Das heißt: Sogenanntes "angstfreies Wohnen" ist möglich. Die Betroffenen brauchen keine Sorgen vor Wohnungsverlust, Mieterhöhungen etc. zu haben.
Ziel des Meister-Gerhard-Werks ist es außerdem, unterschiedliche Wohnmöglichkeiten in bestehende Bebauungen einzustreuen und langfristig zu sichern. Dies bedeutet Planungs- und Rechtssicherheit - sowohl für die dort wohnenden Menschen als auch für die Hilfeanbieter. Dafür müssen jedoch zwei Grundvoraussetzungen erfüllt sein: die Bereitstellung von sogenannten Eigenkapitalersatzmitteln, also Zuschüssen, und das Zugeständnis, über viele Jahre auf Renditen zu verzichten. Das Gleiche gilt für das von den Kommunen zur Verfügung gestellte Bauland sowie für Nachlässe beim Erbbaupachtzins kirchlicher Grundstücke.
Zuwendungen und Förderrichtlinien
Der Meister-Gerhard-Fonds sorgt für die Bereitstellung von Zuschüssen zur Ergänzung notwendiger Eigenmittel. Die Zuschüsse sind dafür da, Wohnraum durch Neu-, Aus- und Umbau zu schaffen und Grundstücke oder Einrichtungen der Gefährdetenhilfe (Wohnungslosen- und Straffälligenhilfe, Suchtkrankenhilfe und Frauenhäuser) zu erwerben. Diese Zuschüsse dienen zusätzlich der Unterstützung der Eigenkapitalersatzmittel, um bei caritativen Verbänden im Erzbistum Köln die Bereitschaft zu erhöhen, als Investor aufzutreten und weitere Mittel der Wohnungsbauförderung, Zuschüsse aus Stiftungen oder zinsgünstige Darlehen über kirchennahe Banken zu akquirieren. Zuwendungsempfänger aus dem Meister-Gerhard-Fonds sind ausschließlich Caritas- und Fachverbände sowie Ordensgemeinschaften des Erzbistums Köln. Zum Teil verfügen sie über Liegenschaften, die noch bedarfsgerecht hergerichtet werden müssen. Andere planen, günstige, noch umzubauende Objekte zu erwerben oder wollen ein Wohnprojekt neu errichten. Gewährleistet ist immer, dass bei Bewilligung des Zuschusses sehr zeitnah die Wohnversorgung von Obdachlosen erfolgen kann.
Die Finanzierungskonzepte für die Investitionsmaßnahmen sehen vor, dass alle Träger bis zum 30. September eines jeden Jahres mit einem Finanzierungsplan nachweisen, dass sie auf einen Zuschuss aus dem Meister-Gerhard-Fonds angewiesen sind. Dieser Zuschuss ermöglicht die Restfinanzierung über Wohnungsbauförderungsmittel oder Kapitalmarktmittel, Eigenmittel oder auch Stiftungen. Die laufenden Betriebskosten, Instandhaltungen und Mieten sowie sozialarbeiterische Hilfen sind durch örtliche oder überörtliche Sozialleistungsträger gedeckt.
So sieht’s in der Praxis aus
Auf diese Weise konnten bislang unterschiedliche Wohnprojekte angegangen werden: Der Sozialdienst katholischer Männer (SKM) Köln realisiert auf eigenem Terrain einen umfangreichen Um- und Neubau eines Appartementhauses für Menschen mit besonderen sozialen Schwierigkeiten. In entstehenden Gruppenwohnungen und Appartements wird Wohnraum für bis zu 50 ehemals wohnungslose - meist ältere Männer mit psychischen Problemen oder Suchtproblemen - geschaffen. Die Betroffenen werden durch den SKM betreut.
Der Sozialdienst katholischer Frauen (SkF) Köln hat für wohnungslose psychisch kranke ältere Frauen sechs Appartements und eine Krankenwohnung errichtet. Diese sind jeweils mit einer Nasszelle sowie einer Küche ausgestattet und seniorengerecht. Daneben verfügt das "Quartier 67" über einen Gruppenraum, in dem sich die Bewohnerinnen treffen können. Es entstehen gerade weitere sechs Appartements - drei davon für junge Frauen mit dem Ziel der Verselbstständigung und drei für junge Geflüchtete.
Der SkF Remscheid baut auf einem erworbenen Grundstück ein neues Frauenhaus. Für acht Frauen und bis zu acht Kinder entstehen acht Wohnräume, die ein normales Alltags- und Arbeitsleben ermöglichen. Es handelt sich beim Neubau um ein Wohnhaus, das als Schutzraum eines Frauenhauses dienen soll. Daneben sind weitere Wohnräume sowie Büro- und Beratungszimmer vorgesehen. Eine Begleitung der Frauen und Kinder, aber auch der Schutz vor ungebetenen Besuchern, ist somit sichergestellt.
Der SKM Rhein-Sieg-Kreis hat damit begonnen, in Troisdorf ein Wohnhaus zu errichten. Dort sollen zwölf unterschiedlich große Wohnungen für Alleinstehende und Familien entstehen, die sich in besonderen sozialen Schwierigkeiten befinden und sonst keine Chance auf dem Wohnungsmarkt hätten. Zur Begleitung werden aus dem Projekt "Keine Kinder im Obdach" zwei Sozialarbeiterinnen dorthin umziehen.
Beim Umbau des Prälat-Schleich-Hauses des Caritasverbandes Bonn geht es um eine qualitative Verbesserung einer Wohnhilfeeinrichtung für Wohnungslose. Indem die Platzzahl reduziert wird, stehen den Bewohner(inne)n künftig abgeschlossene Appartements zur Verfügung. Die Wohnfläche vergrößert sich um rund 200 Quadratmeter.
Als zusätzliches Angebot zu einer stationären Wohneinrichtung für junge Wohnungslose sollen in Bonn Ein- bis Zweizimmerappartements gekauft werden, die als erste Wohnmöglichkeit, als "Starter-Wohnungen", dienen. Hierfür ist man im Stadtgebiet Bonn auf der Suche nach fünf entsprechenden Appartements.
Quartiere nach Bedarf
Für die Zukunft sollen weitere Wohnungen über Kirchengemeinden und private Vermieter akquiriert werden, die dem Beispiel eines Renditeverzichts folgen. Für alle Anfragen oder Probleme bei der Hausverwaltung und Wohnungsbewirtschaftung steht ein Ansprechpartner der Caritas unterstützend zur Verfügung. Nur so werden Kirche und Caritas auf Dauer den sehr unterschiedlichen und individuellen Begleitungsbedarfen gerecht.
Die Weiterentwicklung der Wohnraumbeschaffung für ehemals Wohnungslose, wie sie im Erzbistum Köln betrieben wird, passt sehr gut zu der Kampagne "Jeder Mensch braucht ein Zuhause". Damit haben endlich auch diejenigen, die es am Wohnungsmarkt am schwersten haben, Aussicht auf eine angemessene und bezahlbare Wohnung.
Zuerst kommt das Zuhause
Digitalisierung: „Groß denken und klein anfangen“
„Lessons learned“ in der Region Emscher-Lippe
Wo bleibt die Solidarität?
Hinterlassen Sie einen Kommentar zum Thema
Danke für Ihren Kommentar!
Ups...
Ein Fehler ist aufgetreten. Bitte laden Sie die Seite erneut und wiederholen Sie den Vorgang.
{{Reply.Name}} antwortet
{{Reply.Text}}