Auswirkungen der Pflegereformen auf das Unternehmerrisiko im Pflegesektor
Aus betriebswirtschaftlicher Perspektive ist die Zeit nach den aktuellen Pflegestärkungsgesetzen (PSG II und III) eine große Herausforderung für die Heimbetreiber. Zu der Änderung der Refinanzierungssystematik durch den neuen pflegegradunabhängigen Eigenanteil sind weitere Umsetzungsprobleme hinzugekommen, mit denen man nicht gerechnet hatte. So können etwa die neuen Abrechnungsmodalitäten nicht immer wie vereinbart umgesetzt werden. Außerdem ist bei vielen Einrichtungen eine finanzielle Deckungslücke entstanden, da zum Teil fehlerhafte Einstufungsmitteilungen der Pflegekassen in die Berechnungen der Eigenanteile der Bewohner(innen) eingeflossen sind.
Die Pflegereformen enthalten aber auch Regelungen, die Erleichterungen bei der Unternehmenssteuerung bringen sollen. Zum einen wird mit dem PSG III das Schiedsstellenverfahren beschleunigt, indem die Frist für die Entscheidungen auf drei Monate festgelegt wird (§ 85 Abs. 5 Satz 1 SGB XI). Zum anderen wird der Anspruch auf einen Risikozuschlag bei der Pflegevergütung im SGB XI verankert (§ 84 Abs. 2 Satz 4 SGB XI).
Diese positive und längst fällige Regelung wurde vor dem Hintergrund anderer bedeutsamer Änderungen eingeführt. Seit 1. Januar 2017 können Gehälter bis zum Tarifniveau auch bei nicht tarifgebundenen Pflegeeinrichtungen nicht als unwirtschaftlich abgelehnt werden (§ 84 Abs. 2 Satz 5 SGB XI). Mit dieser Änderung wollte der Gesetzgeber insbesondere nicht tarifgebundene Einrichtungen motivieren, Einzelverhandlungen zu führen, um ein höheres Gehaltsniveau bei Pflegekräften zu erreichen. Diese Regelung ist allerdings mit einer Verschärfung der Nachweispflichten bei Personalkosten verbunden (§ 85 Abs. 3 Satz 5 SGB XI). Für tarifgebundene Einrichtungen könnten die Änderungen in § 84 Abs. 2 Satz 5 und 6 SGB XI Wettbewerbsnachteile gegenüber nicht tarifgebundenen Anbietern implizieren. In seinem Erschließungsantrag zum PSG III (Drucksache 720/16) äußert der Bundesrat Bedenken, dass die Regelung zu einer Wettbewerbsverzerrung zulasten tarifgebundener Einrichtungen führen könnte. Die Möglichkeit der Anerkennung übertariflicher Bezahlung seitens der nicht tarifgebundenen Anbieter könnte zwecks "Abwerbung" von Pflegefachkräften selektiv genutzt werden, ohne das durchschnittliche Gehaltsniveau in der Pflege zu verbessern. Negative Effekte im Wettbewerb um Fachkräfte könnten sich ergeben, da nicht tarifgebundene Anbieter eine höhere Flexibilität bei der Steuerung der Personalkosten als tarifgebundene Einrichtungen haben. Sie können Gehaltserhöhungen für Fach- und Führungskräfte durch eine Absenkung im unteren Vergütungsbereich kompensieren, während tarifgebundene Träger auch die Hilfskräfte nach Tarif beziehungsweise nach kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen bezahlen müssen. Die tatsächlichen Nachwirkungen dieser Gesetzesänderung werden jedoch erst längerfristig sichtbar und müssen bis Ende 2019 evaluiert werden.
Der Akt des Gesetzgebers, im Gegenzug zu den beschriebenen Änderungen den Anspruch auf einen Risikozuschlag einzuführen, könnte einen symbolischen Charakter haben: Es wird deutlich, dass das Risiko im Pflegesektor oft durch politische Reformen und Eingriffe in die unternehmerische Autonomie erhöht wird. Dabei ist die Pflegebranche ohnehin mit einem hohen Unternehmerrisiko konfrontiert. Neben dem Produkt-, Auslastungs- und Zahlungsrisiko stellt in den Zeiten des Fachkräftemangels das Personalproblem ein besonders hohes Risiko dar.
Leider haben weder der Gesetzgeber noch die Rechtsprechung genauere Angaben zur Bemessung des Risikozuschlags gemacht. Zwar stellt die neue Formulierung im Gesetz eine Verbesserung dar, es bleibt jedoch fraglich, ob der Risikozuschlag in der Verhandlungspraxis in auskömmlicher Höhe tatsächlich gewährt wird. Nun müssen die Vertragspartner in den Ländern in den Verhandlungen der Rahmenverträge nach § 75 SGB XI Regelungen zur Ausgestaltung des Risikozuschlags und Darlegung der Personalkosten finden.
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