Wohlbefinden ist Chefsache und Aufgabe der Mitarbeiter zugleich
Der Caritasverband (CV) Bruchsal beschäftigt circa 640 hauptamtliche und circa 360 ehrenamtliche Mitarbeiter(innen) in unterschiedlichen Bereichen wie Gemeindepsychiatrie, Wohnungslosenhilfe, Familie, Jugendhilfe, Arbeitsförderung, Tafelläden und Verwaltung. Der größte Bereich ist die Altenhilfe mit verschiedenen Diensten und Einrichtungen. Von ihrer Profession her sind die Mitarbeiter(innen) Sozialarbeiter, Sozialpädagogen, Arbeitserzieher, Erzieher, Pflegekräfte, Mitarbeiter in der Hauswirtschaft und Technik, Mitarbeiter in der Verwaltung und vieles mehr. Alle haben somit individuelle Anforderungen an ihren jeweiligen Arbeitsplatz.
Die Beschäftigung mit betrieblichem Gesundheitsmanagement (BGM) begann im CV Bruchsal 2013 damit, dass für den Bereich Alter und Gesundheit nach neuen Ansätzen gesucht wurde, um insbesondere die Pflegekräfte länger gesund zu erhalten. Zugleich war es ein Ziel, motivierte neue Mitarbeiter(innen) zu gewinnen.
Eine wichtige erste Erkenntnis aus verschiedenen Studien zum Thema betriebliche Gesundheitsförderung/BGM war: "Gesundheit ist kein zu erreichender Zustand, sondern eine Perspektive." Das heißt: Ein Dienstgeber kann nicht die Gesundheit des/der Einzelnen "gewährleisten". Denn gesund ist nicht gleich gesund, sondern eine Sache der Wahrnehmung: Der Dienstgeber kann und sollte dazu beitragen, dass der/die Mitarbeitende sich gesund fühlt.
Es braucht externe Beratung
Ein weiteres wichtiges Puzzleteil für die Einführung eines BGM brachte der Kurs "Gesunde Führung" der Fortbildungs-Akademie des Deutschen Caritasverbandes in Freiburg (s. S. 13), der bewusstmachte: Wenn wir das BGM richtig einführen möchten, müssen wir das auf neue Säulen stellen und benötigen externe Hilfe. Denn ein BGM ist mehr als nur Unterstützung für die Mitarbeiter(innen) oder - wie viele sehr verkürzend denken - ein Instrument zum Reduzieren der Fehlzeiten. Im Kern bedeutet die BGM-Einführung eine Haltung, die ein Umdenken der Organisation mit sich bringt, so dass eine neue Betriebskultur entsteht.
Die externe Hilfe erhielt unser Verband durch Günter Tomberg, ehemaliger Caritasvorstand des Orts-Caritasverbandes Konstanz und Honorarprofessor für Non-Profit-Management. Durch seine Unterstützung bekam das BGM beim CV Bruchsal Struktur. Ein Steuerungskreis wurde eingerichtet, dem der Vorstand, je ein Mitglied der zweiten Leitungsebene und der Mitarbeitervertretung sowie der Koordinator des Steuerungskreises - ein ausgebildeter Gesundheitscoach - angehören. Weitere Funktionsträger(innen) kommen bei Bedarf hinzu: zum Beispiel der Schwerbehindertenvertreter, die Beauftragte für Betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM), die Fachkraft für Arbeitssicherheit und der Betriebsarzt.
Wichtige Leitsätze waren dabei zwei Definitionen: "Gesundheitsförderung zielt auf einen Prozess, allen Menschen ein höheres Maß an Selbstbestimmung über ihre Gesundheit zu ermöglichen und sie damit zur Stärkung ihrer Gesundheit zu befähigen."1
"Unter betrieblichem Gesundheitsmanagement verstehen wir die Entwicklungen betrieblicher Rahmenbedingungen, betriebliche Strukturen und Prozesse, die die gesundheitsförderliche Gestaltung von Arbeit und Organisation und die Befähigung zum gesundheitsförderlichen Verhalten von Mitarbeiter(inne)n zum Ziel haben."2
Aus diesen Leitsätzen und weiterer Literatur entstanden im Verband die sogenannten Grundbausteine des BGM, sie lauten:
- "Gesunde Führung/Gesunder Arbeitsplatz/Gesundes Eigenverhalten.
- Unsere Gesundheitsleitsätze heißen deshalb: Wir begegnen uns in der Dienstgemeinschaft mit gegenseitiger Akzeptanz und Offenheit für ein gesundes Miteinander. Wir fördern Angebote und Maßnahmen für ein gesundes Arbeitsumfeld. Wir stellen individuell nach Bedarf der einzelnen Berufsgruppen Gesundheitsprogramme zusammen."
Nach und nach verzahnen sich acht Handlungsfelder
Bei einer BGM-Einführung ist es zunächst notwendig, dass sich alle Führungskräfte mit dem Thema auseinandersetzen. Dazu ist es sinnvoll, erst einmal zu analysieren: Was gibt es denn bereits für BGM-Elemente im Sozialunternehmen? Es sind mehrere Handlungsfelder, die schrittweise zu einem BGM zusammenwachsen sollen:
- Betriebliche Gesundheitsförderung,
- Organisation von Sicherheit und Gesundheitsschutz,
- Suchtprävention,
- Personalentwicklung und -organisation,
- Mitarbeiterbeteiligung,
- Fehlzeiten-Management,
- Betriebliches Eingliederungsmanagement,
- Notfall-/Krisen-Management.
Beispielhaft möchte ich einige der Handlungsfelder näher erläutern: - Mitarbeiterbeteiligung: Eine Mitarbeiterumfrage 2013 zum Thema Gesundheit und Mitarbeiterzufriedenheit erwies sich als nicht ausreichend, um die Mitarbeiter(innen) tatsächlich "dort abzuholen, wo sie stehen". Im damaligen BGM-Team überlegten wir uns daher verschiedene Maßnahmen, die sinnvoll sein könnten, um das BGM auf andere Säulen zu stellen. Neben der Maßnahme, dass ich selbst an der Fortbildung "Gesunde Führung" teilnahm, erörterten wir das BGM als Hauptthema in den Betriebsversammlungen gemeinsam mit den Mitarbeiter(inne)n.
- Betriebliche Gesundheitsförderung: Seit Beginn der ersten Schritte im BGM waren wir uns einig, dass wir verschiedene Kurse für die Mitarbeiter(innen) anbieten möchten: zu Bewegung, Ernährung, Entspannung etc. Bei genauerem Betrachten stellten wir fest, dass wir mit dem ersten zusammengestellten Angebot noch nicht die Breite der Mitarbeiterschaft erreichten.
- Betriebliches Eingliederungsmanagement: Dies war bereits vor dem BGM ein wichtiges Thema im CV Bruchsal und wurde in einem ständigen Verbesserungsprozess optimiert.
Die Handlungsfelder Fehlzeiten-Management und Suchtprävention hingegen waren nicht oder nur schwach ausgeprägt beziehungsweise besetzt.
Ähnlich wie dem CV Bruchsal geht es vielen Verbänden: Einige Felder sind gut besetzt und andere nicht. Es müssen auch nicht unbedingt alle acht angegangen werden. Welche Felder für ihn wichtig sind, muss jeder Verband für sich entscheiden. Unabdingbar ist aber, dass die vorhandenen Felder miteinander vernetzt sind und nicht nebeneinander arbeiten.
BGM geht von der Spitze aus
Die Leitungskräfte haben eine wichtige Schlüsselfunktion als Vorbilder und Motivator(inn)en für ein gesundheitsbewusstes Verhalten sowie in ihrer Verantwortung für die Schaffung gesunder Arbeitsstrukturen. In diesem Prozess benötigen Leitungskräfte Unterstützung in Form interner Fortbildungen, Coachings etc. Zur stetigen Unterstützung gab der CV Bruchsal zwei Mitarbeitern die Chance der Weiterbildung zum Gesundheitscoach. Diese schlossen sie erfolgreich ab. Als "verlängerter Arm der Leitungskräfte" ist ein Gesundheitscoach eng bei den Mitarbeitenden und nimmt ihre unterschiedlichen Belastungen auf. Wir sehen im Gesundheitscoach mehr als den in der Literatur oft erwähnten "Kümmerer", da er die Arbeit des BGM aktiv unterstützt.
Klare Beteiligung - messbarer Erfolg
Messbare Ziele sind Voraussetzung für eine realistische Erfolgskontrolle. Strategische, also langfristige Ziele sind zum Beispiel:
- Gesundheit aller Beschäftigten auf Dauer,
- Arbeitszufriedenheit und Wohlbefinden am Arbeitsplatz.
Mit der Weiterentwicklung seines BGM optimiert der CV Bruchsal mittels Feinzielen zum Beispiel folgende Punkte:
- Mitarbeitermotivation stärken,
- Arbeitsorganisation/Abläufe verbessern,
- die Bindung ans Unternehmen erhöhen.
Alle bereits genannten Punkte wurden im CV Bruchsal in ein Konzept zusammengeführt. Nun sind wir bei der Umsetzung der Maßnahmen. Hier soll beispielhaft auf das Thema Mitarbeiterbeteiligung eingegangen werden: Die Maßnahme hierzu haben wir aus einer weiteren Mitarbeiterbefragung und aus einer Veranstaltung bei den Gesundheitstagen zusammengetragen. Die Mitarbeitenden möchten beteiligt sein und gehört werden, um dadurch auch Wertschätzung zu erfahren. In gleicher Weise wie die Leitungskräfte haben die Mitarbeitenden im BGM eine Schlüsselfunktion, denn sie sind ihre eigenen Expert(inn)en und wissen, was sie für gesunde Arbeitsstrukturen benötigen.
Im Rahmen des BGM haben wir Gesundheitszirkel in den Diensten und Einrichtungen eingeführt. Diese werden vom Gesundheitscoach organisiert, moderiert und evaluiert, mit folgenden Zielen:
- Verbesserung des Gesundheitszustandes,
- Verbesserung des Zugehörigkeitsgefühls,
- Teamgedanke,
- Senkung der Betriebskosten,
- Reduzierung von Arbeitsbelastungen,
- Erhöhung der Ressourcen der Beschäftigten,
- Erhöhung der Motivation im Team.
Wichtig in der Arbeit des Gesundheitszirkels ist, dass die Mitarbeitenden selbstbestimmt nach Lösungsansätzen suchen und der Prozess nur moderiert wird. Sollten Fragen zu Arbeitsplatzgestaltung oder Arbeitsstruktur nicht durch die Mitarbeitenden lösbar sein, ist der Gesundheitscoach dafür zuständig, dass sich die Leitungskräfte hierzu Gedanken machen. Gegebenenfalls soll er/sie auch weitere interne oder externe Hilfen anfordern. Die Gesundheitszirkel haben Auswirkung auf ein besseres Arbeitsklima, das wiederum zu der sehr geringen Fluktuation in den Diensten und Einrichtungen des CV Bruchsal führt. Dies wollen wir weiter stärken, denn langjährig Mitarbeitende werden angesichts der demografischen Entwicklung immer wichtiger.
Bei Neueinstellungen werden wir häufig gefragt, welchen Mehrwert neue Kolleg(in-n)en bekommen, wenn sie beim CV arbeiten. Das BGM-Konzept hilft uns dabei sehr gut, denn durch die zusätzlichen Angebote haben die Mitarbeitenden auch die Möglichkeit, etwas für ihre Work-Life-Balance zu tun, die gerade jungen Menschen heute sehr wichtig ist. Und wir brauchen dringend junge motivierte Mitarbeitende, damit die Caritasverbände weiterhin für Menschen in Not da sein können.
Aus der Erfahrung zum Thema BGM kann jedem Verband nur Mut gemacht werden, sich damit zu beschäftigen. Es lohnt sich, denn der Mehrwert daraus kann groß sein.
Anmerkungen
1. Weltgesundheitsorganisation: Ottawa Charta, 1986.
2. Badura, B.; Walter, U.; Hehlmann, T.: Betriebliche Gesundheitspolitik. Der Weg zur gesunden Organisation. Berlin/Heidelberg: Springer, 2003.
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