Recht auf Rausch? Pro und Kontra zur Cannabis-Freigabe
Jeanette Piram, Diplom-Psychologin, Leiterin der Drogenhilfe Freiburg
In die Drogenhilfe-Freiburg kommen viele Cannabiskonsumenten mit erheblichen gesundheitlichen Problemen. Und doch stellt sich uns in der täglichen Arbeit immer wieder die Frage: Hilft das Verbot von Cannabis wirklich, diese Probleme zu lösen?
Häufig erleben wir viel Unmut auch vonseiten der Eltern über eine oft harte Jugendstrafe. Dazu kommen noch erhebliche Kosten und Schwierigkeiten, die Fahrerlaubnis zu erlangen, obwohl ihr Kind noch nie am Steuer saß. Sicherlich brauchen Jugendliche in dieser schwierigen Lebensphase Leitplanken - aber eben keine "Knüppel". Als langjährige Leiterin einer Jugend- und Drogenberatungsstelle plädiere ich deshalb für eine differenzierte Betrachtungsweise: eine regulierte Freigabe für Erwachsene, um nicht weiter einen riesigen Schwarzmarkt zu finanzieren, und auf der anderen Seite einen umsichtigen und ernsthaften Jugendschutz, wie wir das auch für die legalisierten Substanzen Alkohol und Nikotin dringend brauchen. Und zwar mehr als das, was in den letzten Jahren schon verbessert wurde. Wichtig ist es, junge Menschen nicht früh zu kriminalisieren, sondern mehr in Prävention zu investieren, um riskante Konsummuster zu verhindern oder zu durchbrechen. Die überwiegende Mehrzahl der Konsumenten kifft gelegentlich und es sind in der Regel unauffällige, aufgeschlossene Schüler und Schülerinnen, Auszubildende und Studierende, viele gut integrierte Erwachsene in allen Altersschichten. Deshalb unterstütze ich Bemühungen hinsichtlich einer dringend notwendigen Reform des Betäubungsmittelgesetzes, um damit gesellschaftlichen Entwicklungen gerecht zu werden: Cannabis ist in unserer Kultur angekommen und dies teilweise bereits in zweiter und dritter Generation. Wenn wir - wie bei einer gut sortierten Weinhandlung - das Produkt "unserer Wahl" erhalten können, gepaart mit guter Beratung zum richtigen Konsum, dann ist das Thema "Genuss" wieder im Vordergrund. Denn mit welchem Recht verbiete ich einem Erwachsenen bestimmte Genussmittel? Eine freie, demokratische Gesellschaft kann damit umgehen.
Professor Rainer Thomasius, Ärztlicher Leiter des Deutschen Zentrums für Suchtfragen des Kindes- und Jugendalters (DZSKJ) am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf
In Deutschland probiert jeder zehnte Jugendliche Cannabis das erste Mal im Alter zwischen 14 und 15 Jahren.
Vor allem pubertärer und adoleszenter Cannabisgebrauch kann, wie aktuelle Forschungsergebnisse zeigen, zu ernsthaften körperlichen und psychischen Erkrankungen, zur Störung der Entwicklungs- und Wachstumsprozesse, zu Schulversagen sowie zu sozialer Desintegration führen. Die Legalisierung von Cannabisprodukten wäre daher ein Schritt in die falsche Richtung. Sie würde nicht nur den erfolgreichen drogenpolitischen Kurs in der Angebots- und Nachfragereduzierung von Cannabisprodukten bei jungen Menschen gefährden, sondern zugleich auch den sichtbaren generalpräventiven Effekt des Betäubungsmittelgesetzes aufs Spiel setzen. In Deutschland liegen die Konsumquoten im europäischen Vergleich im Mittelfeld. In vielen Ländern mit liberaler Cannabispolitik sind die Raten deutlich höher und junge Menschen steigen hier früher in den Cannabisgebrauch ein. Dass der generalpräventive Effekt des Betäubungsmittelgesetzes weder durch das Ordnungsrecht noch das Jugendschutzgesetz ersetzt werden kann, zeigt die hohe Zahl der riskant Alkohol konsumierenden und regelmäßig rauchenden Jugendlichen. Die Quoten riskanten Alkoholgebrauchs liegen etwa um 1000 Prozent höher als beim regelmäßigen Cannabisgebrauch. Alkohol-Testkäufe belegen Verstöße gegen das Jugendschutzgesetz in der Hälfte bis drei Viertel aller Fälle. Der Konsum von Cannabis ist in Deutschland die Hauptursache, wegen der Patienten erstmals eine Drogenbehandlung aufgrund des Gebrauchs illegaler Substanzen antreten. Die Erfolgsquoten sind im Vergleich mit anderen Süchten niedrig. Regelmäßiger Cannabismissbrauch verursacht in Deutschland bereits heute Kosten in Höhe von 0,5 bis 0,9 Milliarden Euro durch Mehrausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung sowie durch Arbeitsunfähig- und Arbeitslosigkeit. Im Falle einer Legalisierung von Cannabisprodukten könnten diese Kosten auf 2,2 bis 9,1 Milliarden Euro ansteigen.
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