Flächentarif garantiert gleiche Löhne und gute Qualität
Für Tariftreue und Tarifstandards in der Sozialwirtschaft haben die Caritas in Baden-Württemberg (DiCV Freiburg und DiCV Rottenburg-Stuttgart) und die Diakonie Baden-Württemberg (DW Württemberg und DW Baden) gemeinsam mit dem Verdi-Landesbezirk ein Bündnis für die Sozialwirtschaft in Baden-Württemberg (BW) gegründet. Die Bündnispart-ner wollen erreichen, dass in der Sozialwirtschaft ausschließlich anerkannte Flächentarife zum Einsatz kommen und auf Individualarbeitsrecht oder Haustarifen beruhende Regelungen abgeschafft beziehungsweise zurückgedrängt werden.
Das Bündnis entstand durch eine gemeinsame Initiative der Mitarbeiter- und Dienstgeberseite der Regionalkommission BW. Beim intensiven Ringen insbesondere um die Vergütungsregelungen für die Altenhilfe in Baden-Württemberg wurde deutlich, dass beide Seiten mit dem Zusammenspiel der tarif- und finanzpolitischen Rahmenbedingungen gleichermaßen sehr unzufrieden sind und gemeinsamen politischen Handlungsbedarf sahen.
Bei Caritas und Diakonie sind neben den Verbandsleitungen die Mitarbeiter- und Dienstgeberseite der Kommissionen sowie die diözesanen Arbeitsgemeinschaften (DiAGen) in alle Schritte mit einbezogen. Von Beginn an wurde das Bündnis als offen für alle Organisationen konzipiert, die sich mit den Zielen identifizieren wollten. Das Bündnis war daher schon im Gründungsprozess insbesondere für alle Verbände der Liga der freien Wohlfahrtspflege in Baden-Württemberg aufgeschlossen und bleibt es natürlich auch jederzeit.
Die Entgelte zur Finanzierung der Sozialwirtschaft werden seit Anfang der 1990er Jahre zwischen Kostenträgern und Leistungserbringern verhandelt. Die Preise von Wettbewerbern und die Orientierung an der Grundlohnsummenentwicklung spielen dabei eine große Rolle.
Die wachsende Zahl von Anbietern, die sich nicht an die in Baden-Württemberg geltenden Flächentarife halten (aktuell circa 40 Prozent), beeinflussen darum die Entgeltverhandlungen. Träger und Verbände wie Caritas und Diakonie, die sich Flächentarifen wie den Arbeitsvertragsrichtlinien (AVR) der Caritas beziehungsweise der Diakonie verpflichten, sind im Nachteil.
Die Kassen akzeptieren keine Tarifsteigerungen
Im Bereich des SGB V (Gesetzliche Krankenversicherung) wird den Trägern und Verbänden, die sich an Flächentarife halten, von den Krankenkassen als Kostenträger vorgeworfen, ihre Tarife seien "kostentreibend". Die Krankenkassen verweigern seit Jahren die auskömmliche Refinanzierung. Sie berufen sich dabei unter anderem auf den Grundsatz der Beitragssatzstabilität (§ 71 SGB V). Nach dessen Bestimmungen dürfen Vergütungserhöhungen nicht zu einer Steigerung der Krankenkassenbeiträge führen. Ihr maximaler Verhandlungsspielraum ist der jährliche Zuwachs der Grundlohnsumme beziehungsweise die vom Bundesgesundheitsministerium festgestellte Steigerung der Einnahmen durch die beitragspflichtigen Versicherten. Die Krankenkassen verweigern daher systematisch die Anerkennung der ganz normalen Tarifsteigerungen und bringen dadurch Krankenhäuser und Sozialstationen Jahr für Jahr in größere Bedrängnis.
Im Bereich SGB XI (Soziale Pflegeversicherung) können Tarifsteigerungen aus der Anwendung von Flächentarifen zwar seit dem Urteil des Bundessozialgerichts vom Mai 2013 durchgesetzt werden. Auch dort lohnt es sich aber noch, Mitarbeiter(innen) durch das Anlehnen an Flächentarife oder durch völlig eigenständige Regelungen schlechter zu bezahlen. Entweder verschaffen sich Anbieter auf diese Weise - soweit das nicht näher geprüft wird - in den Verhandlungen mit den Kostenträgern finanzielle Spielräume oder einen Wettbewerbsvorteil durch einen besseren Preis am Markt. Besonders problematisch wird es, wenn die Träger der Sozialhilfe das dann wieder mehr oder weniger offen zur Belegungssteuerung nutzen.
Für die Entwicklung der Sozialwirtschaft befürchten Verdi, Diakonie und Caritas dadurch Personalnotstand, Verschlechterung der Arbeitsbedingungen und erhebliche Auswirkungen auf die Qualität der Hilfen, insbesondere für alte und kranke Menschen in Baden-Württemberg. Dabei begrüßen die Bündnispartner einen Wettbewerb unterschiedlicher Anbieter und Träger sozialer Dienste. Die freigemeinnützigen, die privaten und die öffentlichen Anbieter sollten sich jedoch vorwiegend über die Qualität und Leistungssicherung ihrer Angebote miteinander messen und nicht über zu niedrige Löhne.
Den Bündnispartnern ist bewusst, dass sich die Entgeltentwicklung im Sozialbereich an der gesamtgesellschaftlichen Entwicklung orientieren muss. Es wird weder die Rückkehr zum früher geltenden Selbstkostendeckungsprinzip angestrebt noch eine Art planwirtschaftliche Regulierung befürwortet. Jedoch ist bei der Festlegung von Entgelten zu berücksichtigen, dass der Wettbewerb auch heute schon aufgrund einer starken Stellung der Leistungs- und Kostenträger überdurchschnittlich reguliert ist.
Die Situation wird - neben der mangelhaften Refinanzierung - durch bürokratische Rahmenbedingungen verschärft, die in anderen Bundesländern nicht oder anders bestehen. Zum Beispiel haben sich die Krankenkassen Baden-Württembergs in insgesamt vier Gruppen organisiert. Besonders in der häuslichen Krankenpflege müssen Verhandlungen mit jeder Gruppe der Kostenträger aufwendig in mehreren Verhandlungsrunden geführt werden. Drei unterschiedliche Verträge, nach welchen Kriterien und mit welcher Vergütung Leistungen erbracht und abgerechnet werden dürfen, tragen zusätzlich zu mehr Aufwand und Verwaltungskosten bei.
Gemeinsam treten Diakonie, Caritas und Verdi in Baden-Württemberg daher mit ihrem Bündnis und einem Positionspapier für die Refinanzierung einer fairen tariflichen Bezahlung und guter Arbeitsbedingungen in der Sozialwirtschaft ein (veröffentlicht unter www.caritas-rottenburg-stuttgart.de/91193.html).
Die Ziele des Bündnisses
Die Bündnispartner verfolgen die gemeinsamen Ziele:
- Die Politik soll Rahmenbedingungen schaffen, die eine flächentarifliche Entlohnung sicherstellen, Anwender von Flächentarifen belohnt und alle Anbieter dazu verpflichtet, anerkannte Flächentarife zu verwenden. Diese werden als notwendige Entgelte für Einrichtungen und Dienste akzeptiert.
- Die Bündnispartner setzen sich selbst für eine landesweite Umsetzung anerkannter Flächentarife ein.
- Flächentarifliche Regelungen in der Sozialwirtschaft sollen von Politik, Kostenträgern und Öffentlichkeit als wichtige Voraussetzung für gute Arbeitsbedingungen und damit für gute Qualität wertgeschätzt werden.
- Das Bündnis hofft, weitere Partner zu gewinnen, die dieses Anliegen teilen und Flächentarife anstreben.
Besonders im schon erwähnten Beispiel der häuslichen Krankenpflege fordert das Bündnis die Kranken- und Pflegekassen auf, die Tarifbindung der Dienste der freien Wohlfahrtspflege anzuerkennen und die seit vielen Jahren bestehende Unterfinanzierung zu beenden.
Die Forderungen des Bündnisses zielen letztlich nicht nur auf die schwierige Situation der Anbieter von sozialen Leistungen, sondern streben auch eine Verbesserung für das Image und die Wertschätzung von sozialen Berufen und vor allem eine Verbesserung für die pflegebedürftigen Menschen an.
Im Dezember 2014 stellten alle Bündnispartner das gemeinsame Positionspapier in einer Pressekonferenz vor. Sie machten damit die Forderungen einer breiten Öffentlichkeit zugänglich und erhöhten den politischen Handlungsdruck. Die Bündnispartner werden weiter auf Organisationen zugehen und ihnen eine Bündnispartnerschaft anbieten.
Insbesondere für die Altenhilfe werden die strategischen Diskussionen aufgrund der Herausforderungen durch die demografische Entwicklung auf der landespolitischen Ebene und mit den Kostenträgern zunehmen. Die Bündnispartner werden diese gemeinsam nutzen, um die Ziele des Bündnisses einzubringen und gegebenenfalls mit öffentlichen Aktionen zu stützen.
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