Junge Menschen müssen gehört werden
Unabhängig von Altersstufe und familiärem oder sozialem Hintergrund haben die meisten Jugendlichen bereits klare Zukunftsvorstellungen. Damit sie Wünsche umsetzen und die persönlichen Ziele erreichen können, möchten sie gehört und verbindlich in sie betreffende Entscheidungen einbezogen werden. Vor allem Jugendliche mit schwierigen Startbedingungen benötigen Hilfe, ihre Anliegen zu artikulieren, sowie Ansprache und Beteiligungsformen, die ihren Möglichkeiten entsprechen.
Dies sind einige zentrale Erkenntnisse des Projekts "M&M - Mitreden und Mitgestalten. Zukunft ist kein Zufall!" Es zeigte sich eindrücklich, welche vielfältigen Themen Jugendliche beschäftigen und was sie, besonders von der Politik, fordern, um ihr Lebensumfeld und die Aussichten für eine gute Zukunft zu verbessern. Das Projekt "M&M" veranschaulichte auch, welchen wesentlichen Beitrag Dienste und Einrichtungen der Jugendsozialarbeit und der erzieherischen Hilfen leisten, um junge Menschen in diesem Prozess zu unterstützen. Nicht zuletzt ist es auch ihre gesetzlich verbriefte Aufgabe, "vor allem sozial Benachteiligte und individuell Beeinträchtigte bis zum 27. Lebensjahr auf ihrem Weg zu einem unabhängigen und selbstverantwortlichen Erwachsenenleben und zu voller gesellschaftlicher Teilhabe" zu unterstützen.1
IN VIA Katholischer Verband für Mädchen- und Frauensozialarbeit - Deutschland initiierte zusammen mit dem Deutschen Caritasverband, dem Bundes- verband katholischer Einrichtungen und Dienste der Erziehungshilfen sowie der Bundesarbeitsgemeinschaft Katholische Jugendsozialarbeit das Projekt. Es ergänzt den Strategieprozess des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ), mit dem eine "Eigenständige Jugendpolitik"2 entstehen soll. Mit diesem Ansatz will das Ministerium die politische Verantwortung für die Jugendphase stärken sowie die Interessen und Belange junger Menschen zukünftig bei allen Entscheidungen berücksichtigen. Insbesondere die Beteiligung der Jugendlichen selbst sollte in der Projektphase des Prozesses zum Tragen kommen. Über ein Angebot zur Online-Partizipation wurden vor allem junge Menschen gewonnen, die jugendverbandlich organisiert waren. Dies zeigt besonders, dass Bildung und Elternhaus sich als stärkste Einflussfaktoren auf das politische Interesse junger Menschen und damit auch auf aktive jugendpolitische Partizipation erweisen.3
"M&M" schärfte in diesem Zusammenhang den Blick für Jugendliche und junge Erwachsene mit schwierigen Startbedingungen, die Zielgruppe von Jugendhilfe und Jugendsozialarbeit. Ziel und Ergebnis des Projektes war es, dass diese jungen Menschen ihre Anliegen darstellen und damit verbundene politische Forderungen auf örtlicher und regionaler Ebene sowie auf Bundesebene öffentlich einbringen. Dabei haben sich innovative, kreative Methoden und Beteiligungsformen als erfolgreich erwiesen.
Kreative Projekte, in denen sie ihre Anliegen artikulieren
Innerhalb von "Mitreden und Mitgestalten" haben insgesamt 204 Jugendliche aus bundesweit 18 Einrichtungen und Diensten ihre Lebensthemen und Forderungen zum Ausdruck gebracht. Von April 2013 bis September 2014 beteiligten sich Jugendliche aus offenen Angeboten, beispielsweise aus Jugend- oder Frauen- und Mädchentreffs oder einem Jugendmigrationsdienst. Auch aus der Jugendberufshilfe sowie aus Einrichtungen der Erziehungshilfe nahmen junge Menschen teil. Die Jugendlichen konnten selbst wählen, welches kreative, vor allem mediale Sprachrohr sie nutzen wollten, um ihre Lebenssituation und Forderungen darzustellen.
Eindrückliche Kurzfilme, berührende Musikstücke, Theaterszenen und detailreiche Dokumentationen sind entstanden. Darüber hinaus wurden Veranstaltungen organisiert, um Politik und Öffentlichkeit für die Anliegen der Jugendlichen zu gewinnen. Zielgerichtete politische Forderungen wurden zu vielen Lebensthemen artikuliert, vor allem zur Chancengleichheit für junge Migrant(inn)en, zu besseren Zugängen zu Ausbildung und Arbeit sowie zu mehr Freiheiten und Mitspracherechten zur Gestaltung eigener "Räume". In einer Einrichtung etablierte sich sogar ein Jugendparlament.
Die Herangehensweisen und Forderungen von Jugendlichen aus den einzelnen Einrichtungen sowie die Weiterführung der Aktivitäten sind in einer Abschlussdokumentation anschaulich dargestellt.4 Projektergebnisse, das heißt Kurzfilme, Lieder und Bildpräsentationen, sind über einen eigens eingerichteten Youtube-Kanal zugänglich: www.youtube.com/channel/ UC-O6FgYk2dPjygd63jOxnaw
Vertiefung ihrer Themen in regionalen Workshops
Parallel haben Jugendliche an regionalen Workshops teilgenommen. Jeweils zehn bis fünfzehn von ihnen hatten Gelegenheit, sich in einem von fünf Workshops kennenzulernen und auszutauschen. Sie erlebten, dass sich Jugendliche unterschiedlicher Altersstufen aus der ganzen Republik für vielfältige, teils auch gleiche Zielsetzungen engagieren.
Essenziell für die Workshops war eine offene, wertschätzende Atmosphäre und eine ebensolche Haltung der professionellen Anleiterinnen. Die in der politischen Bildung erfahrenen Pädagoginnen setzten spielerische und kreative Methoden ein, um die Themen der Jugendlichen zu vertiefen und in bundespolitische Forderungen zu übersetzen.
Das Zusammentreffen erhöhte die Motivation und Tatkraft der meisten jungen Teilnehmer(innen) und bereicherte die Umsetzung der örtlichen Projekte. Beflügelt waren sie auch von der Aussicht, mit Bundespolitiker(inne)n in den direkten Austausch zu treten. Dabei konnten Jugendliche umso leichter anknüpfen, wenn eine zielführende Anleitung und jugendgerechte Herangehensweise an politische Themen in den Einrichtungen gegeben waren. Deutlich ist auch der Bedarf der Fachkräfte an Qualifizierungsangeboten geworden, um Jugendpartizipation umzusetzen. Im Projekt wurde eine entsprechende Veranstaltung angeboten, die konzeptionell weiterentwickelt und zum Regelangebot werden soll.
Eindrucksvolle Begegnung mit Bundespolitikern
Am Ende des Projektes kam es zum Dialog zwischen 18 Jugendlichen und
zehn Bundestagsabgeordneten sowie Ministerienvertreter(inne)n. Mit der Methode eines "World Café" wurde an vier Tischen zu Chancengleichheit für junge Migrant(inn)en, zu Jugendpolitik und Partizipation und zu den Themen "Freizeiträume gestalten" sowie "Kinder und Jugendliche brauchen Unterstützung" diskutiert. Resultat war zum einen eine Zusage der Politiker(innen), Forderungen zu unterstützen, zum Beispiel nach mehr Förderung von Chancengleichheit für junge Migrant(inn)en, nach besserer Verteilung von Fördermitteln für Jugendpar-tizipation und nach mehr jugendgerechter Ansprache. Zum anderen gaben Politiker(innen) Tipps zur weiteren Einflussnahme.
Bei der Veranstaltung erfuhren die Jugendlichen auch die Unterstützung von Caren Marks, der parlamentarischen Staatssekretärin des BMFSFJ. Die Anliegen und Botschaften will sie mit in die weitere Entwicklung der Eigenständigen Jugendpolitik nehmen. Die Jugendlichen schätzten diese Begegnung auf höchster politischer Ebene und sind motiviert, sich weiter zu engagieren. Auch die politischen Gäste haben den Austausch als große Bereicherung wahrgenommen und lobten den Einsatz der Jugendlichen.
Bewährte Ansätze übertragen, Perspektiven schaffen
"M&M" verdeutlichte, dass es jungen Menschen wichtig ist, gehört zu werden - sei es in ihrem direkten Lebensumfeld, in den Einrichtungen vor Ort oder auch im Austausch mit Politiker(inne)n. Eine wertschätzende, offene Haltung ist Voraussetzung, wenn es darum geht, Lebensthemen von Jugendlichen zu erfassen und ihre individuellen Ansichten und Wünsche zu verstehen. Es wurde deutlich, dass Jugendliche sich von kreativen Beteiligungsformen angesprochen fühlen und über persönlichen Austausch mit der Politik einbezogen sein möchten.
Die im Projekt beteiligten Einrichtungen und Dienste werden Partizipationsstrukturen weiter ausbauen und verfestigen. Der Nachfrage von Jugendlichen nach kreativen Angeboten zur Meinungsäußerung soll weiterhin entsprochen werden. Die Bereitschaft zur Beteiligung an Folgeangeboten auf der Bundesebene ist ebenfalls groß. Ein Highlight war die Einladung von Jugendlichen aus dem Projekt in das Bundeskanzleramt im Dezember 2014. Dort machten sie nochmals deutlich, dass eine jugendgerechte Ansprache und verbindliche Beteiligung durch die Politik gewünscht wird. Ein langfristig und strukturell angelegter Rahmen für die Beteiligung aller jungen Menschen an jugendpolitischen Themen muss noch geschaffen werden.
Anmerkungen
1. In § 13 SGB VIII (KJHG) ist dies grundsätzlich geregelt. Im Bereich der erzieherischen Hilfen ist die Beteiligung junger Menschen an verschiedenen Stellen geregelt. Vgl. SGB VIII, §§ 5, 8, 9, 17, 36 und 80.
2. Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ): Entwicklung einer Eigenständigen Jugendpolitik (siehe www.bmfsfj.de/BMFSFJ/Kinder-und-Jugend/eigenstaendige-jugendpolitik.html).
3. Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ): 14. Kinder- und Jugendbericht, 2013.
4. IN VIA Deutschland e.V. (Hrsg.): Projekt "Mitreden und Mitgestalten - Zukunft ist kein Zufall!". Dokumentation, 2014.
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