Altes Haus – was tun?
Das Pflegeheim St. Gisela in Gräfelfing (Landkreis München) ist heute eines der Vorzeigehäuser des Diözesan-Caritasverbandes München und Freising.
Der Neubau mit 117 Pflegeplätzen verbindet die aktuellen Anforderungen an stationäre Pflege mit ansprechender Architektur. Er ist eingebettet in einen kleinen "Campus", bestehend aus zwei Wohngebäuden mit 35 betreuten Wohnungen sowie einem Kinderhaus mit 100 Betreuungsplätzen. Das Pflegeheim und die beiden Wohnhäuser wurden im November 2011, das Kinderhaus ein halbes Jahr später fertiggestellt. Eine aus heutiger Sicht gelungene Restrukturierung mit einer spannenden Entstehungsgeschichte.
Das alte St. Gisela bestand aus einem über 40 Jahre alten monolithischen Baukörper, der seit Jahrzehnten nicht modernisiert worden war. Die BG Immobiliengruppe, ein auf Seniorenimmobilien spezialisierter Projektentwickler, wurde als Berater für die Fragestellung "Sanierung oder Neubau" hinzugezogen. Schnell wurde deutlich, dass eine Sanierung weder unter wirtschaftlichen und energetischen noch unter pflegerischen Gesichtspunkten zu empfehlen war: Die Bausubstanz war marode und teilweise schadstoffbelastet, die Zimmer waren zu klein und teilweise ohne Bäder, die Flure zu eng und zu lang, und die Sichtbeziehung für das Personal war suboptimal.
Die Entscheidung fiel zunächst dahingehend aus, neben dem Altbau einen Neubau zu errichten und die Bewohner(innen) nach seiner Fertigstellung dorthin umziehen zu lassen.
Um die Bewohner jedoch so wenig wie möglich mit den Baumaßnahmen zu belasten und die Bauzeit so kurz wie möglich zu gestalten, entschied sich die Caritas auf Anraten des Projektentwicklers wenig später für einen noch konsequenteren Weg: Die noch verbliebenen Bewohner des Altbaus wurden mit ihrem Einverständnis auf in Nachbargemeinden gelegene Caritas-Heime verteilt, so dass der Altbau sofort abgerissen werden konnte und damit der Weg frei war für eine Überplanung und Neuentwicklung des gesamten Areals mit immerhin zwei Hektar.
So ließ sich - zunächst im Modell 1:500 - der Ersatzneubau Pflege derart auf dem Baufeld verorten, dass noch zwei Punkthäuser und schließlich ein weiterer Baukörper (Kita) Platz hätten, einschließlich der Erschließung und eines differenzierten großzügigen Außenanlagen-Konzepts. Im Zuge der Projektentwicklung wurde schnell klar, dass zusätzliches, über den Ersatzneubau hinausgehendes Baurecht für ein kleinräumiges Quartier bei der nun gewonnenen Flexibilität bauleitplanerisch darstellbar wäre. In einem Bebauungsplan-Verfahren mit der Gemeinde Gräfelfing wurde zusätzliches Baurecht geschaffen für sowohl zwei Punkthäuser für betreutes Wohnen als auch für das erwähnte Kinderhaus.
Heimkonzept nach heutigen Maßstäben
Ein Pflegeheim nach aktuellen Standards ist als Wohngruppenmodell konzipiert. Eine Wohngruppe besteht aus zehn bis 15 Bewohnern, die möglichst alle in Einzelzimmern leben. Jedes Zimmer hat sein eigenes Bad und kann individuell eingerichtet werden. Jede Wohngruppe verfügt über ein großes Wohnzimmer und über eine Wohnküche, in der gegessen wird und Speisen zubereitet werden. Sowohl die Zimmergrößen als auch die Gemeinschaftsflächen sind durch zahlreiche Normen und Landes-Heimbauordnungen vorgeschrieben. Durch eine gute Auswahl an Materialien wie Bodenbelägen, Vorhangstoffen und Mobiliar, die idealerweise Bezug nehmen auf die Region und die unmittelbare Umgebung, sowie durch eine kontrastreiche Farbgestaltung mit abgestimmtem Beleuchtungskonzept lässt sich ein Gefühl von "zu Hause" schaffen.
Ein Pflegeheim-Grundriss wird auf Basis optimaler Betriebsabläufe geplant. Der Schwesternstützpunkt ist beispielsweise derart positioniert, dass das Personal alle Flure und die Gemeinschaftsflächen im Blick hat und die Wege möglichst kurz sind. Ein gutes Haus zeichnet sich durch lichtdurchflutete Räume und Verkehrsflächen aus, die bei Bedarf mit Beschattungssystemen reguliert werden können. Ein rollstuhlgerechter Zugang zu einem größeren, schön gestalteten Garten, dessen Wege auch mit dem Rollator gut begehbar sind, sollte vorhanden sein. Im Erdgeschoss befindet sich ein Café/Restaurant mit Terrasse, das auch von externen Besuchern frequentiert wird. Die früheren Pflegebäder sollten heute wie Wellness-Oasen gestaltet sein, in denen die Bewohner nicht nur baden, sondern auch entspannen können.
Gute Gründe gegen eine Sanierung
Bei einem Haus, das älter als 30 Jahre ist, sollte ein Neubau statt einer Sanierung erwogen werden, weil
- eine Generalsanierung in der Regel eine klar kalkulierte Zeitschiene nicht zulässt. Oft gewinnt man erst während der Entkernung des Altbaus neue Erkenntnisse für die Planung der neuen Grundrisse.
- aufgrund von Unsicherheiten in der Planung und der Zeitschiene häufig auch die Kosten aus dem Ruder laufen. Eine Generalsanierung ist deshalb in der Regel nicht kostengünstiger als ein Neubau.
- man den Bestandsschutz auf das Haus verliert und sich an die aktuellen Vorgaben bezüglich des Wärme-, Schall- und Brandschutzes und der Haustechnik sowie an weitere DIN-Normen wie Flurbreiten, Zimmergrößen etc. halten muss. Das gibt der Altbau aufgrund der früher üblichen ("Schotten-")Bauweise meist nicht her.
- eine flexible Gebäudestruktur, die die Wandlungs- und damit Zukunftsfähigkeit einer Pflegeimmobilie erst ermöglicht, sich durch Sanierung in der Regel nicht wirtschaftlich "nachrüsten" lässt.
Triftige Gründe für die Sanierung
Die Entscheidung für eine Generalsanierung bei laufendem Betrieb wird so gut wie nie aus wirtschaftlichen Gründen getroffen, wohl aber aufgrund von Standortfaktoren. Es kommt zum einen bisweilen vor, dass man bei Abbruch eines Altbaus das Baurecht (Maß und/oder Art der baulichen Nutzung) für einen gleichwertigen Ersatzneubau verlieren würde und daher, um den Standort als solchen erhalten zu können, sanieren muss.
Oder man hat es mit einem denkmalgeschützten, also rechtlich nicht einfach zu ersetzenden Gebäude zu tun. Dann steht man vor der Frage: Schließung mit der Konsequenz, dass die Bewohner und das Personal vor die Tür gesetzt werden, oder Sanierung nach den strengen Denkmalschutzvorgaben. Den Kosten einer Generalsanierung, die in der Regel die Baukosten eines Neubaus deutlich übersteigen, stehen für Investoren die erhöhten Abschreibungsmöglichkeiten für Denkmäler gemäß dem Einkommensteuergesetz gegenüber.
Die Bewohner und das Personal sind als sogenannte Humanressourcen die wichtigsten Faktoren, die bei der Entscheidung zu prüfen sind: Wie halte ich mein Personal? Und wie erhalte ich mir meinen guten Ruf?
Praxisbeispiel St. Franziskus in München
Mit diesen Fragen hat sich die Leitungsabteilung des Münchener Caritas-Heimes St. Franziskus vor etwa zehn Jahren auseinandergesetzt. Das Haus war um die 40 Jahre alt, es gab noch Vierbettzimmer mit Etagenbädern. Dennoch hatte es einen ausgezeichneten Ruf, war vor allem auch für seine gute Küche bekannt. Auch hier gab die Bausubstanz eine Sanierung nicht her. Es musste neu gebaut werden - und das möglichst schnell. Auf dem engen Baufeld in München-Giesing war kein Platz für einen Ersatzneubau neben dem Altbau. Also galt es, an anderer Stelle ein Containerdorf aufzubauen, um den Betrieb in der Übergangsphase der Bauzeit aufrechterhalten und damit sowohl die Bewohner als auch das Personal halten zu können. Im September 2005 wurde das neue Haus eröffnet - mit dem altbewährten Koch und seiner ausgezeichneten Küche.
Praxisbeispiel Elisabethenhof in Marburg
Ein weiteres Beispiel für eine komplexe Restrukturierungsmaßnahme mit individuellen Lösungen ist ein Projekt in Marburg, das die BG Immobiliengruppe zurzeit für einen dortigen diakonischen Betreiber realisiert. Ausgangspunkt des Konzepts war der Elisabethenhof, ein denkmalgeschütztes Gebäude aus dem Jahr 1912, das seit rund 30 Jahren als Altenpflegeheim und Hospiz genutzt wurde. Eine direkt nebenan gelegene denkmalgeschützte Villa beherbergte das Stützpunkt-Büro des ambulantes Dienstes und des Hospizvereins.
Hier ging die Entscheidung dahin, die bisherige Nutzung Pflegeheim im Elisabethenhof in einen Neubau nebenan zu verlagern und dabei auch die Kapazität um 50?Prozent auf 78 Plätze zu erhöhen,
nachdem ein mehrjähriges Verfahren zur Schaffung des benötigten zusätzlichen Baurechts durch den Vorhabenträger erfolgreich abgeschlossen worden war.
Auch bei diesem Projekt wurde schnell klar, dass man aus einem über 100 Jahre alten Gebäude kein modernes Pflegeheim mehr machen kann. Der Elisabethenhof wird nun nach den Denkmalschutzrichtlinien generalsaniert, dabei werden auch frühere "Renovierungssünden" korrigiert. Nach dieser Maßnahme wird das als hessisches Kulturdenkmal gelistete Gebäude 32?betreute Residenz-Wohnungen (37 bis 90 Quadratmeter), die Tagespflege für zwölf Gäste sowie den Stützpunkt für den ambulanten Dienst des Trägers beherbergen.
Aufgrund der teilweise gegebenen funktionalen Zusammenhänge wurde eine überdachte Verbindungsbrücke zwischen Elisabethenhof und Neubau errichtet. Ferner wurde auf dem 3,1?Hektar großen Areal zusätzliches Baurecht für den Neubau von drei viergeschossigen Punkthäusern mit 37 barrierefreien Wohnungen und rollstuhltauglicher Tiefgarage geschaffen. Ziel war es, nicht nur einen breiten Fächer von Wohn- und Betreuungsformen für ältere und auch pflegebedürftige Menschen zu schaffen, sondern auch einen "Campus" für das Zusammenleben von jungen und alten Menschen zu kreieren. Daher wird auch die erwähnte zu sanierende Villa in eine Kita umgebaut.
Fazit
Unsere Erfahrung zeigt, dass Träger sich deutlich öfter für einen Ersatzneubau mit Zusatzkapazitäten für neue Wohnformen und ambulante Strukturen entscheiden als für eine Generalsanierung. Letztere birgt immer die Gefahr unerwarteter Kostensteigerungen während der Bauphase und der nicht vorhersehbaren Verlängerung der Bauzeit. Das Ergebnis ist dann im Vergleich zum Neubau oft nur eine "Krücke" im Hinblick auf die Optimierung der Betriebsabläufe.
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