Beteiligung nicht nur beim Fernsehprogramm
Beteiligung ist ein wichtiger Schlüssel für das Gelingen erzieherischer Hilfen und damit für den Erfolg dieser Arbeit. Nur wer sich ernst genommen fühlt und aktiv in den Prozess der persönlichen Entwicklung und des Lernens einbezogen wird, ist auch zur Mitarbeit und Kooperation bereit. Das gilt für Kinder, Jugendliche, junge Erwachsene, Angehörige und für die Mitarbeiterschaft sowie Leitung und Geschäftsführung.
Abgesehen davon, dass Beteiligungsverfahren inzwischen Voraussetzung für die Erteilung der Betriebserlaubnis sind, war es an der Zeit zu klären, wie sich das Caritas-Kinder- und Jugendheim in Rheine in Sachen Partizipation erkennbarer aufstellen kann. Das Heim kennt die Kinder- und Jugendkonferenz schon aus den 70er und 80er Jahren. Mit der Verkürzung der durchschnittlichen Verweildauer der jungen Menschen im Heim auf etwa anderthalb Jahre und mit zunehmender Diversifizierung der Angebote lief diese Beteiligungsform aus. Die Partizipation der jungen Menschen und ihrer Eltern entwickelte sich vorrangig zu einem integralen sozial- und heilpädagogischen Baustein und einem Merkmal der alltäglichen Beziehungsgestaltung.
Die Einrichtung unterstützt heute alle Altersstufen von null bis 25 Jahren sowie die Eltern. Unterschiedlichste (teil-)stationäre und ambulante Formen, betreutes Wohnen, Sonderpflegefamilien, Therapien und Beratung, eine Kindertagesstätte als Familienzentrum und eine angegliederte Förderschule verlangen nach spezifischen, alters- und entwicklungsgerechten Formen der alltäglichen Beteiligung.
Wenn Partizipation junger Menschen und ihrer Angehörigen ehrlich praktiziert werden soll, muss das gesamte institutionelle System beteiligungsorientiert aufgebaut und auch so gelebt werden. Mitarbeiter(innen) ohne wirkliche Freiräume in der Gestaltung ihrer Arbeit und ohne entsprechende Verantwortung werden den partizipatorischen Anforderungen nicht gerecht werden können. Dazu gehören natürlich auch eine gewisse Fehlerfreundlichkeit und das ständige Bemühen um qualitative Verbesserung (siehe auch das Positionspapier des BVkE "Beteiligung in der Erziehungshilfe", abrufbar unter www.bvke.de/70765.html).
Vom Mitarbeiter bis zum Kind: Alle wurden befragt
So hat sich das Caritas-Kinderheim für den Weg entschieden, nicht neu mit einem aufsehenerregenden, öffentlichkeitswirksamen Projekt zu starten, sondern bestehende Formen von Beteiligung verstärkt in das Bewusstsein zu heben und weiterzuentwickeln. Ein Team von Mitarbeiter(inne)n aus unterschiedlichen Bereichen setzte sich zusammen und entwarf eine Strategie, die zu einer Befragung der Mitarbeiter(innen), der Kinder und Jugendlichen, der jungen Erwachsenen und der Eltern führte. Formen der Beteiligung - individuelle und institutionelle -, Bewertungen, Probleme und Verbesserungsvorschläge wurden in eigens entwickelten Fragebögen abgefragt.
Die Daten sollten möglichst schriftlich erhoben werden. Davon wurde auch überwiegend Gebrauch gemacht. Anonymität war zugesichert. Wer (noch) nicht schreiben konnte, gab die Antworten zu Protokoll. Einige Kindergruppen und auch junge Erwachsene nutzten die Bögen, um sich in der Gruppe in einem prozessorientierten Dialog oder in eifrigen Diskussionsrunden damit auseinanderzusetzen. Die Mitarbeiter(innen) hielten in diesen Fällen die Ergebnisse fest. Auch den Eltern wurde das Angebot unterbreitet, beim Ausfüllen der Rückmeldung behilflich zu sein. Überwiegend, und das in erfreulich großer Zahl, füllten sie die Bögen selbstständig aus. Das interdisziplinäre Mitarbeiterteam, das den Befragungsprozess steuerte und sich weiterhin im Arbeitskreis Beteiligung engagiert, freute sich über eine große Datenmenge und die Bereitschaft, sich an der Umfrage zu beteiligen. Parallel zum Erhebungsprozess wurde in diesem Team ein Grundsatzkonzept zum Thema Beteiligung formuliert.
Verschiedene Zielgruppen - unterschiedliche Wünsche
Die Mitarbeiter(innen) gewichten institutionelle Formen der Beteiligung am stärksten, vor allem gruppenübergreifende Projekte und Kommunikationsformen wie Arbeitskreise und Konferenzen. Vielen ist die erlebte kollegiale und fachliche Absicherung wichtig, ebenso Teamtage, Teamgespräche, Fallkonferenzen, Konzeptionsgestaltung, Fortbildung und Forschung sowie eigenverantwortliches Arbeiten. Deutlich wird die betriebliche Verbundenheit. Als kritisch werden endlose Diskussionen, hierarchische Entscheidungen, unterschiedliche Dienstzeiten und hohe Belastungen genannt. Mitsprache von Mitarbeitenden, so wird deutlich, erfordert Geduld, Zeit und Koordination.
Die Kinder nennen viele positive Beteiligungsbeispiele, welche zunächst selbstverständlich wirken, aber bei bisher vernachlässigten, unterversorgten und misshandelten Kindern von großer Bedeutung sind. So können sie sich die Kleidung, das Fernsehprogramm, PC-Programme oder Hörspiele mit aussuchen. Die Beteiligung am Essensplan, der Einteilung des Essens (alle werden immer satt), die Mitgestaltung der Freizeitaktivitäten und des Kinderteams, in dem Gruppenangelegenheiten miteinander besprochen werden, von Gruppenabenden, Urlaub oder von Räumen der Gruppe schätzen sie ebenfalls. Auch bei der Aufbewahrung des Taschengeldes und bei ihrem Aussehen reden und entscheiden sie mit. Hier ist natürlich pädagogisches Fingerspitzengefühl erforderlich.
Die Kinder problematisieren die Mitbestimmungsmöglichkeiten bei Besuchskontakten und Übernachtungen oder die Regeln zur Aufbewahrung der Spiele. Sie machen viele Vorschläge, um die Mitbestimmung zu verbessern und um Regeln im Gruppenalltag auszuhandeln. Übergeordnete Beteiligungsformen werden kaum benannt. Eine aktive Auseinandersetzung mit Rechten wird angemahnt. Wichtig ist ihnen, das wird insgesamt deutlich, eine gelungene Integration, Beziehung und Bindung.
Bei den Jugendlichen finden sich ähnlich gelungene Beispiele in großer Zahl. Vieles dreht sich vermehrt um die eigenständige Lebensführung, die handlungsorientierte Mitgestaltung des Gruppenlebens, Gruppengespräche, Hilfeplanung, Ernährung, Beziehungsgestaltung, Freizeit und Hobbys, Recht auf freie Meinungsäußerung und Berufswahl. Wichtig sind unter anderem der Austausch mit den Betreuer(inne)n in Einzelgesprächen, die Gestaltung von Besuchskontakten sowie Telefonkontakte. Mehrfach wird das zu geringe Zeitkontingent der Erwachsenen kritisch angemerkt. Außerdem wünschen sich die Jugendlichen mehr Internet und andere mediale Spielarten. Der Umgang mit unterschiedlichen Meinungen in Gruppengesprächen und die gelegentlich damit verbundene Lautstärke werden als störend empfunden. Das Bewusstsein für die eigenen Rechte besteht und kann im Sinne der Persönlichkeitsentwicklung weiter gefördert werden.
In der Kindertagesstätte besprachen die Erzieher(innen) gängige Beteiligungsformen mit den Kindern in den Gruppen. Hier wurden als Felder die Stuhl- und Morgenkreise, Kinderkonferenzen, das Sammeln von Ideen und Vorschlägen, Spielzeugauswahl, kleine Ämter und Projekte, Raumgestaltung sowie Ängste und Wünsche von den Kindern benannt. Die Kinder der Tagesgruppen wünschen sich verstärkt die Hospitation ihrer Eltern im Gruppenleben und eine intensivere Beteiligung an den Elternberatungsterminen.
Insgesamt sehen sich die jungen Menschen gut bis zufriedenstellend an Tagesabläufen, Gesprächen, Gruppenleben und Regelerstellung beteiligt. Das Bewusstsein für eigene Rechte und Gestaltungsmöglichkeiten besteht.
Die Beteiligung der Eltern ist wichtig
Einen sehr großen Umfang nahm die Befragung und Auswertung der Elternbögen ein, die hier nur stark gekürzt wiedergegeben werden kann. Den Eltern, auch jenen aus dem Bereich der stationären Familienarbeit, geht es besonders um Kooperation, Information und Unterstützung. Zu einem ähnlichen Ergebnis, aber speziell angepasst, kommen die Eltern aus der ambulanten Familienarbeit und aus dem Familienzentrum, also der Kindertagesstätte.
Deutlich überwiegen positive Rückmeldungen und konstruktive Verbesserungsvorschläge. Eltern sind maßgeblich an der Hilfeplanung, wenn möglich auch an der Erziehung des Kindes beteiligt. Sie erleben die Mitarbeiter(innen) offen, zugewandt und freundlich und werden von diesen informiert. Sie haben eine gute Beziehung zu den Erzieher(inne)n ihres Kindes und kooperieren mit ihnen.
Aber nicht alle Eltern konnten erreicht werden, und es gab selbstverständlich auch kritische Rückmeldungen. So wünschen sich Eltern, die weniger oder auch keinen Kontakt haben, ein deutlich höheres Maß an Informationsaustausch. Viele Eltern möchten mehr Begleitung und Unterstützung. Vorgeschlagen wurden die Einrichtung einer Elternwohnung und die Möglichkeit, gemeinsam mit der Gruppe Urlaub zu machen. Auch zur Planung und Gestaltung von Besuchskontakten wurden Wünsche geäußert. Partizipation beschreiben die Eltern fast ausschließlich in unmittelbarer Verknüpfung mit der jeweiligen Gruppe. Übergreifende Möglichkeiten werden kaum angesprochen.
Die Eltern der Kindergartenkinder fühlen sich gut beteiligt und informiert, auch mit Hilfe der Bildungsdokumentationen. Sie betonen Hospitationen, Elternversammlungen, den Elternrat und Sprechtage sowie die vielen über das Jahr verteilten Aktionen. Als verbesserungswürdig werden in einigen Fällen die Öffnungszeiten, die Informationsweitergabe der Bildungsdokumentation und die Mitwirkung bei der konkreten Planung von Angeboten benannt.
Beschwerdemanagement wird verbessert
Auf diese Ergebnisse hin wurden Beteiligungsverfahren optimiert, wie zum Beispiel die Konkretisierung und offensivere Gestaltung des Beschwerdemanagements. Neu eingeführt wurde, dass gewählte Gruppensprecher nun in der Kinder- und Jugendversammlung zusammenarbeiten, Vorschläge machen und Aktionen planen. Viele kleine und größere Programme, von der Gruppenfreizeitgestaltung bis zu aufwendigen Projekten wie beispielsweise dem Jakobsweg, werden verstärkt partizipatorisch gestaltet. Der Versuch, einen Elternbeirat für den Heimbereich einzurichten, erweist sich als mühevoll, während dieses in der Kindertagesstätte selbstverständlich ist.
Es darf nicht unterschätzt werden, dass die Organisation von partizipatorischen Prozessen und auch die Befähigung zur Beteiligung aufwendig und personalintensiv ist, aber auch befriedigend und erfolgreich. Die Beteiligung auf allen Ebenen, im Kleinen wie im Großen, hat an Selbstverständlichkeit gewonnen und belebt viele pädagogische und planerische Prozesse.
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