Wo Kirche draufsteht, ist auch Kirche drin
Das Arbeitsrecht der Kirche und ihrer Caritas basiert auf der Grundordnung des kirchlichen Dienstes im Rahmen kirchlicher Arbeitsverhältnisse (GrO). Artikel 1 GrO legt fest, dass das Leitbild der christlichen Dienstgemeinschaft die Grundlage aller Dienstverhältnisse in kirchlichen Einrichtungen ist. Artikel 3 GrO betont die Verantwortung der Träger und Leitungen für den kirchlichen Charakter ihrer Einrichtungen. Dazu darf man sicherlich auch die Mitglieder des Aufsichtsrates caritativer Träger zählen.
Die Grundordnung sichert den Mitarbeiter(inne)n zu, Koalitionen bilden und sich darin betätigen zu können (Artikel 6 GrO). Sie regelt, dass die Arbeitsbedingungen in paritätisch besetzten Kommissionen festgelegt werden (Artikel 7 GrO - umgesetzt im Caritasbereich in der Arbeitsrechtlichen Kommission) und dass die Mitarbeitervertretungsordnung als kirchliche Betriebsverfassung (Artikel 8 GrO) angewandt wird. Darüber hinaus bestimmt sie den Anspruch auf gerichtlichen Rechtsschutz bei der Anwendung kirchlicher Gesetze (Artikel 10 GrO) sowie den Anspruch auf Fort- und Weiterbildung (Artikel 9 GrO).
Die Grundordnung ist ein von allen Diözesanbischöfen erlassenes Kirchengesetz. Sie gilt unmittelbar nur für kircheneigene Rechtsträger, die der bischöflichen Gesetzgebungsgewalt unterliegen (Art. 2 Abs. 1 GrO). Bei Rechtsträgern, die nach staatlichem Recht und ohne eigene Rechtspersönlichkeit nach dem Kirchenrecht errichtet wurden, kann die Grundordnung keine unmittelbare Wirksamkeit entfalten. Dies betrifft in der Regel Träger caritativer Einrichtungen, beispielsweise in den Rechtsformen des eingetragenen Vereins oder der Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Diese sind nach Art. 2 Abs. 2 GrO verpflichtet, bis spätestens zum 31. Dezember 2013 die Grundordnung durch Übernahme in ihr Statut verbindlich zu übernehmen.
Da die Grundordnung ein bischöfliches Gesetz ist, haben die (Erz-)Bistümer in der Vergangenheit bereits alle kirchlichen Träger ihres Bistums angeschrieben und auf die Anwendung der Grundordnung hingewiesen. Durch die Formulierung "sind verpflichtet" in Art. 2 Abs. 2 GrO wird klargestellt, dass alle der katholischen Kirche zugeordneten Rechtsträger die Grundordnung übernehmen sollen. Dies dient der Glaubwürdigkeit der Kirche und ihres kircheneigenen Arbeitsrechts in der Gesellschaft. Zudem wird durch die Übernahme der Grundordnung im Statut Rechtssicherheit und Transparenz für die Anwendung des Kirchenarbeitsrechts hergestellt. Die Grundordnung stellt auf den Rechtsträger ab, ihre Anwendung kann nur für alle Einrichtungen eines Rechtsträgers erklärt werden. Wenn die Rechtsträger
dieser Verpflichtung nicht nachkommen, nehmen sie im Hinblick auf die arbeitsrechtlichen Beziehungen nicht am Selbstbestimmungsrecht der Kirche teil. Sie werden dann im staatlichen Recht nicht mehr als kirchliche Einrichtung angesehen. Damit müssen sie sich arbeitsrechtlich wie weltliche Betriebe und Unternehmen mit Streikrecht der Gewerkschaften oder mit Anwendung des Betriebsverfassungsrechts behandeln lassen. Die Einhaltung der Grundordnung ist kirchenarbeitsrechtlich überprüfbar. Jede Mitarbeitervertretung kann beispielsweise die Einhaltung des Dritten Weges im Rahmen einer Einstellung kirchengerichtlich überprüfen lassen. Auch die Frage, ob die Mitarbeitervertretungsordnung Anwendung findet, kann Gegenstand des kirchenarbeitsrechtlichen Verfahrens sein.
Von der Pflicht zur Übernahme der Grundordnung kann die Kirchenaufsicht nur dann ausnahmsweise befreien, wenn das Aufgabenfeld nicht zum "klassischen" Tätigkeitsfeld der Kirche gehört, also nicht der Verkündigung, der Erziehung, der Bildung oder der Caritas und allen damit verbundenen begleitenden Tätigkeiten dient. Im Regelfall handelt es sich hier um kirchliche Wirtschaftsbetriebe.
Der Aufsichtsrat eines kirchlichen Rechtsträgers hat, wie im weltlichen Bereich, die Aufgabe, die Geschäftsführung zu überwachen und zu beraten. Bei der Begleitung der Geschäftsführung im Hinblick auf die Rechtmäßigkeit, die Ordnungsmäßigkeit, die Wirtschaftlichkeit sowie die Zweckmäßigkeit ihres Handelns ist der Aufsichtsrat verpflichtet, Gesetze einzuhalten. Dazu gehört auch die Anwendung der Grundordnung des kirchlichen Dienstes im Rahmen kirchlicher Arbeitsverhältnisse.