Da sein - auch mal mitten in der Nacht
Lena freut sich. Besuch ist gekommen, die Kinderkrankenschwester vom Caritasverband Paderborn schaut vorbei. Lena kennt "ihre" Schwestern gut. Seit ihrer Geburt unterstützen die Mitarbeiterinnen der Caritas Lenas Familie bei der Pflege und Betreuung. Am Anfang war das Team der Kinderkrankenpflege täglich bis zu 24 Stunden in der Familie. Heute beschränkt sich der Kontakt auf einen Pflegeeinsatz in der Woche. Unverzichtbar sind die Kinderkrankenschwestern trotzdem, sagt die Mutter von Lena.
Lena hat bei ihrer Geburt eine Hirnschädigung erlitten. Sie kann kaum sehen und muss regelmäßig intensiv betreut werden. Ihre Familie trägt die Betreuung und Pflege gemeinsam, dennoch ist sie auf die Unterstützung von Fachleuten angewiesen. In den ersten Monaten wäre die Pflege zu Hause ohne die Caritas sogar undenkbar gewesen, weil Lena täglich Spritzen gegen ihre Krampfanfälle brauchte.
Lenas Fall ist typisch für die Arbeit der Kinderkrankenpflege im Paderborner Ortsverband der Caritas. Seit 25 Jahren besteht der Fachdienst, der 1983 als klassische Sozialstation für Säuglinge, Kleinkinder und Schulkinder mit drei Mitarbeiter(inne)n startete. Heute arbeiten in diesem Bereich 25 Kinderkrankenschwestern, zwei Kinderkrankenpfleger und fünf Krankenschwestern. Sie betreuen zurzeit zehn Kinder in klassischen ambulanten Einsätzen - kurze Einsätze zur Grund- oder Behandlungspflege -, ein Kind in Rückzugspflege (die tägliche Anwesenheit der Pflegekräfte wird allmählich verringert) und sieben Kinder in Intensivpflegen von vier bis 24 Stunden am Tag.
Geleitet wird der Fachdienst des Caritasverbandes Paderborn von der Kinderkrankenschwester Birgit Engemann, die eine Zusatzausbildung zur Fachschwester für pädiatrische (also die Kinderheilkunde betreffende) Intensivmedizin absolviert hat. Sie leitet den Fachdienst seit vier Jahren und hat den raschen Ausbau der Kinderkrankenpflege erlebt - eine Entwicklung, die sie für notwendig hält. "Häusliche Kinderkrankenpflege durch geschultes Fachpersonal ist dringend erforderlich", sagt sie. "Kinder sind keine kleinen Erwachsenen. Ihre Bedürfnisse und die Bedürfnisse der Eltern müssen berücksichtigt werden."
Vom zeitlichen Aufwand her ist die Intensivpflege heute der Schwerpunkt der Kinderkrankenpflege. Seit dem Jahr 2004 verzeichnet der Paderborner Fachdienst eine verstärkte Nachfrage nach häuslicher Intensivpflege. Dieser Trend wird stärker werden, glaubt Hans-Werner Hüwel, Fachbereichsleiter im Caritasverband: "Die Zukunft der Kinderkrankenpflegedienste liegt in der Versorgung von Intensivpflegepatienten, beatmeten und sauerstoffabhängigen Kindern, aber auch von Palliativpatienten."
Pflegedienst wird noch im Krankenhaus eingearbeitet
Die kleinen Patient(inn)en sind wegen einer angeborenen oder erworbenen Erkrankung und nach schweren Unfällen intensivpflegebedürftig. Ursache für die Intensivpflege kann auch eine fortschreitende Grunderkrankung sein. Wenn die Entlassung eines Intensivpflegepatienten aus dem Krankenhaus oder einer Rehabilitations-Einrichtung ansteht, wird der Pflegedienst frühzeitig eingeschaltet. Die Mitarbeiter(innen) werden so in manchen Fällen bereits in der Klinik eingearbeitet; ansonsten übernehmen erfahrene Pflegekräfte die Einweisung zu Hause. Das Team muss stehen, wenn das Kind aus der Klinik kommt - und das heißt bei einer 24-Stunden-Pflege die Planung von 5,3 Vollzeitstellen. Zudem muss die apparative Ausstattung für daheim gewährleistet sein.
Die Intensivpflege beginnt in der Regel mit einer 24-Stunden-Betreuung. Später, wenn die Eltern sicherer sind, kann die Zahl der Stunden reduziert werden. Die Grundpflege übernehmen die Eltern teilweise selbst. "Wir arbeiten bei einer 24-Stunden-Versorgung im Drei-Schicht-System", sagt Birgit Engemann. Der Fachdienst übernimmt neben der Grund- und Behandlungspflege eine spezielle Krankenbeobachtung. Darauf hat ein(e) Patient(in) bei den entsprechenden Voraussetzungen bis zu 24 Stunden am Tag Anspruch. Die Grundpflegeleistung der Pflegeversicherung wird in der Regel davon abgezogen.
Pflegekräfte gehen auf die Familie ein
Wie die Intensivpflege steht die gesamte Kinderkrankenpflege im Zeichen einer individuellen, ganzheitlichen Pflege. "Wir berücksichtigen dabei das gesamte familiäre und soziale Umfeld", sagt Birgit Engemann. Das heißt: da sein, wenn man gebraucht wird - auch mal schnell oder mitten in der Nacht. Dieses Eingehen auf die Patient(inn)en und ihre Familien macht die Dienstplangestaltung häufig schwierig, weil die Pflegekräfte an zeitliche Vorgaben wie beispielsweise Essenszeiten bei Säuglingen oder Fahrtbegleitungen zu festgesetzten Zeiten gebunden sind.
Für den Caritasverband als Dienstgeber bringt der arbeits- und personalaufwendige Einsatz Probleme mit sich, etwa wenn der/die Patient(in) ins Krankenhaus überwiesen werden muss. Dann entsteht sofort ein großer Überhang an Personalstunden, der so schnell nicht abgebaut werden kann.
Zu den Aufgaben der Kinderkrankenpflege gehört auch die Unterstützung und Beratung von Angehörigen. Der Fachdienst Häusliche Kinderkrankenpflege macht im Jahr fast 500 Pflegeberatungsbesuche und leistet auf Wunsch stundenweise Verhinderungspflege und Betreuung.
Die vielseitige Unterstützung macht auch in Lenas Familie ein geregeltes Zusammenleben wieder möglich. Eltern werden mit der Zeit sicherer in der Pflege, auch weil durch die enge Pflegesituation ein intensiver Kontakt zwischen Eltern, Kind und Pflegeperson entsteht und die Eltern ständig unterstützt und beraten werden. In der Intensivpflege arbeitet der Caritasverband Paderborn mit festen Mitarbeiterteams, um diese Beziehung zu Patient(inn)en und Eltern weiter zu festigen.
Dieser enge Kontakt kann zu großer Vertrautheit, aber auch zu einer hohen Belastung für beide Seiten führen. Das macht deutlich, wie wichtig die gute Ausbildung der Pflegekräfte ist, die sie nicht nur auf die Pflege, sondern auch auf die komplexe psychologische Situation in den Familien vorbereitet. Regelmäßige Dienstbesprechungen und Fortbildungen sind unverzichtbare Standards. Trotzdem ist es nicht leicht, neue Fachkräfte für die anspruchsvolle Arbeit mit Kindern und Familien zu finden - auch hier zeichnet sich bereits der beginnende Pflegenotstand ab.
Der große Aufwand wird nicht immer von den Krankenkassen angemessen honoriert. "Vor allem Einsätze nach SGB V (gesetzliche Krankenversicherung, Anm. d. Red.) sind nicht kostendeckend, weil es keine eigene Vergütung für Kinderkrankenpflege gibt", sagt Hans-Werner Hüwel. Dabei sind diese Einsätze in der täglichen Arbeit am häufigsten. Es werden nur wenige SGB-XI-Einsätze (Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen) erbracht, weil Eltern das Pflegegeld nicht gekürzt haben möchten.
Über individuelle Vergütungen reden
Der Caritasverband Paderborn löst das Finanzierungsproblem durch Einzelfallverhandlungen. "Wir reden mit den Kostenträgern über individuelle Stundensatzvergütungen", sagt Hans-Werner Hüwel. Bislang geschieht das recht erfolgreich. Dennoch gibt es offene Fragen. So sind lange Anfahrten zu den Patient(inn)en die Regel. Die erheblichen Fahrtzeiten oder Anfahrtskilometer werden aber von den Kostenträgern nicht zusätzlich vergütet.
Alles in allem zieht der Caritasverband Paderborn jedoch ein zufriedenstellendes Fazit für den Bereich Kinderkrankenpflege - vor allem wegen der guten Entwicklung, die mit der vermehrten Übernahme von Intensivpflegen einhergeht.
Allerdings nehmen immer noch zu wenige Familien die Angebote der häuslichen Kinderkrankenpflege in Anspruch. Dabei verbucht die Kinderkrankenpflege besondere Erfolge: "Wir haben zwei Kinder betreut, die ihre ersten beiden Lebensjahre komplett in Kliniken verbracht haben. Durch unseren Einsatz konnten sie zum ersten Mal das Krankenhaus verlassen", betont Caritas-Fachbereichsleiter Hans-Werner Hüwel. Zu Hause verbessert sich in den meisten Fällen das Befinden der Kinder - ihre Lebensqualität erhöht sich entscheidend. Sie können in Familie, Nachbarschaft, Kindergarten und Schule integriert werden. Wenn es medizinisch notwendig ist, begleitet der Caritas-Fachdienst sie dabei.
Auch Lena besucht eine Förderschule in Paderborn - und das sogar ohne die Begleitung der Schwestern und Pfleger vom Caritas-Verband Paderborn.