Sozialrecht für Ausländer verstehen nur Spezialisten
Eine wichtige Grundlage des Grundgesetzes der Bundesrepublik ist das Sozialstaatsprinzip. Es wurde mit der Aufnahme in das Grundgesetz als Staatsziel verfassungsrechtlich verankert. Das Sozialstaatsprinzip garantiert den Bürger(inne)n soziale Sicherheit und strebt soziale Gerechtigkeit an. Durch die Gewährung von Sozialleistungen wird versucht, diese Ziele zu verwirklichen.
Viele Grundrechte wie beispielsweise das staatsbürgerliche Wahlrecht sind deutschen Staatsbürger(inne)n vorbehalten. Das Sozialstaatsprinzip schließt aber auch Menschen ein, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland haben und nicht die deutsche Staatsbürgerschaft besitzen. Folglich können auch die in Deutschland lebenden knapp 6,7 Millionen Ausländer(innen) im Falle der Bedürftigkeit Sozialleistungen beziehen. Zu beachten ist jedoch, dass sich in nahezu allen Gesetzen der sozialen Fürsorge recht umfangreiche und detaillierte Sonderregelungen mit vielerlei Einschränkungen für Ausländer(innen) in Bezug auf Leistungsansprüche finden lassen.
Die beigefügte Tabelle (S. Abbildung 1 und 2) erlaubt einen ersten systematischen Überblick über die unterschiedlichen Leistungsansprüche von Ausländer(inne)n. Aufgrund der Komplexität des Sozialrechts können hier nur Regelfälle dargestellt werden. Im Einzelfall muss deshalb geprüft werden, inwiefern einen Anspruch ausschließende Umstände vorliegen. Welche sozialen Leistungen Ausländer(innen) in Anspruch nehmen können, hängt in der Regel vom jeweiligen Aufenthaltstitel ab, der sich an Aufenthaltszwecken orientiert.
Voraussetzung dafür, dass ein Aufenthaltstitel erteilt oder verlängert wird, ist, dass der Antragsteller seinen Lebensunterhalt selbst (ohne Sozialleistungen) sichern kann. Von diesem Grundsatz gibt es Ausnahmen, beispielsweise anerkannte Flüchtlinge. Weitere Ausnahmen sind Unionsbürger (Staatsangehörige eines Mitgliedstaates der EU) und Menschen mit einer (unbefristeten) Niederlassungserlaubnis. Sie sind deutschen Staatsbürger(inne)n sozialrechtlich weitgehend gleichgestellt. Anders verhält es sich bei Menschen mit einer (befristeten) Aufenthaltserlaubnis.
Personen mit einer Aufenthaltserlaubnis zum Zweck der Ausbildung sind in der Regel von Leistungen zum Lebensunterhalt nach dem SGB II (bei Erwerbsfähigkeit) beziehungsweise SGB XII (bei Nicht-Erwerbsfähigkeit) ausgeschlossen. In Härtefällen kann jedoch auf dem Ermessenswege Leistung gewährt werden, wobei mit dem Leistungsbezug die Grundlage für die Aufenthaltserlaubnis wegzufallen droht und der/die Leistungsbezieher(in) aus der Bundesrepublik auszu- reisen hat.
Einen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II und III können nur Ausländer(innen) geltend machen, die auch Zugang zum Arbeitsmarkt haben. Menschen mit einer Aufenthaltserlaubnis zum Zweck der Beschäftigung (§ 18 Aufenthaltsgesetz (AufenthG)) können - trotz Arbeitsmarktzugang - dann keine Leistungen nach dem SGB II beziehen, wenn ihre Aufenthaltserlaubnis mit dem Zusatz versehen wurde: "Erlischt bei Beendigung der Beschäftigung". In diesem Fall muss die Person bei Erwerbslosigkeit die Bundesrepublik verlassen, da ihre Aufenthaltsgrundlage entfallen ist.
Wurde die Aufenthaltserlaubnis ohne Zusatz erteilt, können Leistungen grundsätzlich in Anspruch genommen werden, wobei der Bezug negative Auswirkungen auf die Aufenthaltserlaubnis haben kann. Grundsätzlich haben Personen mit einer Aufenthaltserlaubnis zum Zweck der Erwerbstätigkeit Anspruch auf Familienleistungen. Ausgenommen sind hier Ausländer(innen), denen eine Aufenthaltserlaubnis zum Zweck der Beschäftigung für einen begrenzten, nicht verlängerbaren Zeitraum erteilt wurde.
Im Bereich der humanitären Aufenthaltstitel existiert eine Vielzahl höchst unterschiedlicher Aufenthaltszwecke mit einer Reihe von Sonderregelungen. So haben beispielsweise Personen, bei denen der humanitäre Abschiebungsschutz (§ 25 III AufenthG) greift, lediglich einen beschränkten Arbeitsmarktzugang, wohingegen Asylberechtigte und Konventionsflüchtlinge deutschen Staatsangehörigen in Bezug auf den Zugang zum Arbeitsmarkt gleichgestellt sind. Diese Unterschiede sind insofern relevant, da sozialrechtliche Ansprüche, beispielsweise Familienleistungen, von der Integration in den Arbeitsmarkt abhängen können, die bei einem nachrangigen Arbeitsmarktzugang erschwert ist.
Asylbewerber fallen nicht unters SGB
Ausländer(innen) ohne gesichertes Bleiberecht, also Menschen mit einer Duldung und jene, die sich im Asylanerkennungsverfahren befinden, können ihre materielle Lebensgrundlage nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) sicherstellen. Menschen, die unter das AsylbLG fallen, können nach 48 Monaten Leistungsbezug unter bestimmten Voraussetzungen Leistungen "analog" dem SGB XII beziehen. Das bedeutet nicht, dass sie dann unter das SGB XII fallen, sondern nur, dass ihnen Leistungen in entsprechender Höhe der Sozialhilfe gewährt werden. Wichtig ist, dass auch "Illegale", das heißt Menschen ohne rechtmäßigen Aufenthalt, Anspruch auf Sozialleistungen im Rahmen des AsylbLG haben. Dies kann insbesondere in Ausnahmesituationen, beispielsweise bei schweren Erkrankungen oder Unfällen, von Relevanz sein. Dabei kann allerdings die Inanspruchnahme staatlicher Hilfe zur Folge haben, dass der illegale Aufenthalt entdeckt und der/die Migrant(in) aus der Bundesrepublik abgeschoben wird.
Eine Aufenthaltserlaubnis für Familienangehörige von Ausländer(inne)n kann verwehrt werden, wenn das in Deutschland lebende Familienmitglied nicht über ausreichend Einkommen verfügt und daher auf Leistungen nach dem SGB II beziehungsweise SGB XII angewiesen ist. Bei geplanter Familienzusammenführung ist daher im Vorfeld zu prüfen, ob sozialrechtliche Ansprüche geltend gemacht werden sollten. Auf die Sicherung des Lebensunterhalts beim Nachzug von ausländischen Familienangehörigen zu Deutschen kommt es in der Regel nicht an. Das nachziehende Familienmitglied ist hier aber für die ersten drei Monate von Leistungen nach dem SGB II beziehungsweise SGB XII ausgeschlossen.
Sozialrecht für Ausländer ist äußerst komplex
Das Sozialrecht für Ausländer(innen) ist also ausgesprochen kompliziert und kann nur noch von Spezialist(inn)en überblickt werden. Im Einzelfall sollte daher stets eine juristische Meinung eingeholt werden. Von besonderer Bedeutung ist der Zugang zur Erwerbstätigkeit. Unterliegen Ausländer(innen) einem Arbeitsverbot oder besitzen sie nur einen nachrangigen Arbeitsmarktzugang, kann das Auswirkungen auf den Anspruch auf Sozialleistungen haben, wie etwa bei den Familienleistungen oder auch bei Leistungen nach dem SGB II. Dem Grundsatz nach erhält aber jede sich in Deutschland aufhaltende Person bei Bedürftigkeit und in Notsituationen zumindest die unabdingbar gebotenen Leistungen. Unter Umständen kann die Verwirklichung eines Leistungsanspruchs jedoch negative Auswirkungen auf die Aufenthaltserlaubnis beziehungsweise bei Menschen ohne legalen Aufenthaltsstatus auf deren tatsächliche Aufenthaltssituation haben.