„Wir müssen dringend Vermögen besteuern“
Till Kellerhoff ist Staatswissenschaftler, Programmdirektor des "Club of Rome" und Mitautor des Buches "Tax the Rich". Warum er sich für die Einführung einer Reichensteuer ausspricht, fragte ihn Andrea Hösch.
Herr Kellerhoff, werden Reiche reicher und Arme ärmer?
Seit einigen Jahrzehnten konzentrieren sich die Vermögen an der Spitze, während die Reallöhne sinken. Die Ungleichheit wächst, innerhalb und zwischen Ländern, auch in Deutschland. Hierzulande ist die Besteuerung von Einkommen sehr hoch, für Vermögen existiert sie fast gar nicht. Das gibt vielen Menschen das Gefühl, dass es nicht gerecht zugeht und dass sich etwas ändern muss.
Sie bringen eine Reichensteuer als Lösung nicht nur für die Ungleichheit, sondern auch für die Rettung des Planeten ins Spiel.
Beide Krisen hängen zusammen. Die reichsten zehn Prozent der Welt verursachen 50 Prozent der globalen Treibhausgas-Emissionen. Denn wer mehr Geld hat, konsumiert mehr. Zugleich sind die Reichen diejenigen, die am wenigsten von der Klimakrise betroffen sein werden. Auch hier gibt es also eine massive Ungleichheit. Um die hohen Kosten für Klimaschutz und die notwendige Transformation zu stemmen, braucht es viel Geld - bis 2030 benötigt allein Deutschland zusätzliche Investitionen in Höhe von 860 Milliarden Euro, um bis 2045 CO2-neutral zu werden. Deshalb müssen wir dringend Vermögen besteuern.
Wie könnte das konkret aussehen?
Da gibt es verschiedene Maßnahmen, unter anderem die Besteuerung von Erbschaften oder auch von Vermögen. Gerade hat Brasilien, das derzeit den G-20-Vorsitz innehat, das Ziel einer globalen Mindestbesteuerung von Reichen ausgegeben. Viele Länder befürworten eine solche Reform, Deutschland gehört nicht dazu. Hierzulande tut man immer noch so, als könne man den nachhaltigen Umbau der Wirtschaft ohne neue Schulden durch Einsparungen beim Bürgergeld hinkriegen. Das wird nicht aufgehen.
Hat die neoliberale Politik ausgedient?
Die Politik muss wieder eine wegweisende Rolle spielen, um diese geopolitischen, ökologischen und sozialen Kipppunkte abzuwenden. Wir werden das nicht schaffen, wenn wir alles den Märkten überlassen. Sollten diese notwendigen Reformen scheitern, werden Menschen mit geringem Einkommen weiterhin übermäßig belastet und werden ihren Unmut zunehmend in der Wahl populistischer Parteien wie der AfD ausdrücken. Der Preis ist hoch: Neben zunehmenden Wetterextremen müssten wir sehr wahrscheinlich in diesem Fall auch soziale Unruhen in Kauf nehmen.
Zum Weiterlesen
Randers, J., Kellerhoff, T.: Tax the Rich. Warum die Reichen zahlen müssen, wenn wir die Welt retten wollen. München: Oekom Verlag, 2024, 112 S., 14 Euro, ISBN 978-3-98726-067-4