Justiz fördert positive Beziehungen
Das Programm "Patenschaften für Desistance" ist ein innovatives Projekt der französischen Service Pénitentiaire d’Insertion et de Probation - SPIP (Soziale Dienste der Justiz). Es startete im Dezember 2016 in Valence. Nach zwei Jahren hatten bereits 28 Straftäter teilgenommen und es wurden 20 Patenschaften umgesetzt. Inzwischen ist es in mehreren Regionen etabliert, eine nationale Ausweitung ist in Vorbereitung.
Das Projekt fördert den Aufbau authentischer und unterstützender sozialer Beziehungen zwischen engagierten Mitgliedern der Gesellschaft und Mitbürgern, die straffällig wurden. Es orientiert sich an den Grundsätzen und Werten der "Restorative Justice" und baut gleichzeitig Theorien von Desistance auf. "Restorative Justice" bringt die direkt Beteiligten, Geschädigte und Beschuldigte, mit dem Ziel zusammen, Lösungen zu finden.
Das Programm ist darauf ausgerichtet, die Betroffenen aus der Kriminalität herauszuführen. Sie werden in ihren Bemühungen um ein gelingendes Leben unterstützt und dabei in erster Linie als Mitglieder der Gemeinschaft angesehen. Der Einfluss des sozialen Umfelds wird ebenso anerkannt wie die zentrale Bedeutung der Eigeninitiative und des Engagements.
Alle beteiligten Personen, Freiwillige und Straffällige, nehmen an monatlichen Gesprächskreisen teil, die von Bewährungshelfern geleitet und moderiert werden. Diese Treffen bieten allen Teilnehmenden einen offenen und urteilsfreien Raum, der Selbstvertrauen fördert. Der Austausch und die Erfahrungsberichte anhand konkreter Situationen ermöglichen es, Alternativen zu den üblichen Verhaltensweisen auszutesten.
Die Treffen sind vertraulich
Bei den monatlichen Treffen können sich Freiwillige und Betroffene für eine Patenschaft entscheiden. Sie basiert auf Freiwilligkeit und der Verantwortung jedes Einzelnen. Patenschaften werden im Eins-zu-eins-Verhältnis für vier, sechs oder acht Monate abgeschlossen und können verlängert werden. Im Rahmen einer Patenschaftsvereinbarung verpflichten sich beide Seiten, einmal pro Woche miteinander zu telefonieren und sich an einem öffentlichen Ort zu treffen. Diese Beziehungen wie auch die monatlichen Treffen sind vertraulich. Die Aktivitäten sind auf den persönlichen Austausch ausgerichtet und unterstützen die berufliche Integration, eine sinnvolle Freizeitgestaltung, aber auch praktische Fragen wie die Verwaltung der Finanzen werden besprochen.
Bevor Patenschaften vermittelt werden, erhalten die Freiwilligen eine intensive Schulung. Straffällige und Freiwillige können laufend zum Projekt dazustoßen, nachdem sie sich dazu verpflichtet haben, die Projektrichtlinien einzuhalten. Diese Patenschaften unterstützen die Motivation und den Willen zur Veränderung. Sie bieten eine völlig andere Art, soziale Beziehungen zu erfahren, und beruhen auf der Überzeugung, dass jeder Mensch das Recht hat, einen Platz in der Gesellschaft zu finden, der ihn und andere zufriedenstellt. Das entspricht auch dem Grundprinzip des "Good Lives Model": der Förderung hin zu einem erfüllten Leben, in dem Straftaten keinen Platz mehr haben. Desistance zeigt auf: Je mehr positive Beziehungen eine Person innerhalb der Gesellschaft hat, desto geringer ist das Risiko, dass sie eine Straftat begeht. Dafür stehen diese Patenschaften.
Dieser Text wurde aus dem Französischen übersetzt von Wolfgang Krell, Diözesanreferent beim SKM in der Diözese Augsburg. Über ihn kann auch der Kontakt zum Programm hergestellt werden. E-Mail: krell@skm-bistum-augsburg.de