Gebraucht werden und Spaß haben
Souverän rangiert Patrick Weber (19) den roten Bus vor dem
Eingang der Behindertenhilfe in der Ratgarstraße in Fulda. Ein kleiner Trupp wartet hier schon: behinderte Menschen mit ihren Betreuern, die den ankommenden Fahrer freudig erwarten. "Das ist schön, dass ich immer so herzlich begrüßt werde", stellt Patrick fest, "das macht einfach Spaß, wenn man merkt: die freuen sich wirklich, dass Du da bist!"
Patrick, der gelernte Kfz-Mechatroniker, leistet in der Caritas Behindertenhilfe seinen neunmonatigen Zivildienst. Seine Aufgabe ist es, den Fahrdienst zwischen Wohnheim, Tagesstätten und Werkstätten zu leisten und in der Zeit zwischen den Fahrten dem Hausmeister zur Hand zu gehen. Ernst-Paul Walter (59), Leiter der Caritas Behindertenhilfe: "Er fährt die Touren und hilft wirklich überall!"
Seit mehr als 33 Jahren ist Walter bei der Caritas und hat das Wachstum und die Veränderungen der Institution in allen Zeiten begleitet. So kann er den Beitrag junger Menschen durch Zivildienst oder freiwillige Dienste für die Behindertenhilfe entsprechend gut einschätzen. Etwa 600 behinderte Menschen sind es mittlerweile, die in dem Verbundsystem von Werkstätten und Wohnheimen von etwa 250 Mitarbeitern betreut werden. Da sind die jährlich etwa 35 Zivildienstleistenden sehr willkommen, die Walter jeweils in einem persönlichen Gespräch kennen lernt und über ihre Vorstellungen von der Arbeit befragt. "Viele, die als Schüler hierher kommen, müssen sich erst mal im Laufe der Zeit annähern, denn der Alltag hier unterscheidet sich doch frappierend vom gewohnten Schulalltag. Manche jungen Leute kommen später während des Studiums als Aushilfskräfte zu Urlaubsvertretungen gerne in die Einrichtung zurück oder korrigieren während ihres Zivildienstes sogar völlig ihre Berufsentscheidung. Für die meisten ist jedenfalls der persönliche Zugewinn an sozialer Kompetenz deutlich spürbar." Walter hat die Erfahrung gemacht, dass der Zivildienst für junge Menschen ein Stück Erwachsenwerdens bedeutet; sie übernehmen Verantwortung, lernen voraus schauend zu denken und danach handeln. "Es tut den jungen Leuten gut, Menschen zu erleben, die im Leben anders gestellt sind, weil sie Hilfe brauchen. Es ist ein Prozess, in dem gelernt wird, nicht nur die Behinderung zu sehen, sondern den individuellen Menschen mit seiner Lebensperspektive." Walters Resümee: "Die Zivis sind uns sehr wichtig, wir können sie gut gebrauchen! Solange es Zivildienst gibt, wollen wir Zivildienstleistende als Bestandteil unserer Institution haben."
Zugewinn an sozialer Kompetenz
Patrick hatte über Freunde und Bekannte erfahren, "dass der Zivildienst eine richtig gute Zeit" sein kann. Mit seiner Berufserfahrung fallen ihm der Arbeitsalltag und die an ihn gestellten Aufgaben nicht schwer. Ralf Wingenfeld (41), Hausmeister und zuständig für sämtliche Gebäude der Behindertenhilfe, lobt den Helfer an seiner Seite: "Es ist interessant, junge Menschen an der Seite zu haben, und es ist gut, wenn bereits Berufserfahrungen vorhanden sind, und man nicht jedes Werkzeug einzeln erklären muss."Heute wird der Zugang zu einem der Wohnheime gepflastert, und der Zivildienstleistende schwingt behende die Spitzhacke. Zu den Einsatzbereichen gehören sowohl die Wohnheime als auch die Außenanlagen. "Da fallen kleinere Reparaturarbeiten an, es müssen Glühbirnen eingedreht oder Rohre gesäubert werden - oder eben ein Wegstück neu gepflastert werden...", erläutert Wingenfeld.
Wie sieht nun der Arbeitsalltag für Patrick aus? "Um 6.00 Uhr aufstehen, um 7.00 Uhr mit dem Caritas-Bus von Fulda zu den Wohnheimen nach Michelsrombach fahren. Dort lade ich Leute ein, um sie zu den Werkstätten nach Haselstein zu bringen, wo wiederum andere Menschen warten, die von ihren Wohnheimen in Werkstätten nach Fulda gebracht werden." Gegen 10.00 Uhr ist die morgendliche Tour dann beendet, und Patrick meldet sich beim Hausmeister um das Tagsprogramm abzusprechen. Gegen 14.30 Uhr fährt der Bus dann wieder retour. Gegen 16.30 Uhr heißt es Feierabend für Patrick. Dann ist Zeit für seine Hobbies. Die meiste Zeit investiert er in sein Engagement bei der Katholischen Studierenden Jugend Fulda (KSJ). Etwa zwei- bis dreimal pro Woche trifft er mit KSJ-Leuten zusammen, und oftmals geht es um die Organisation von Aktionen, die mit den Jugendgruppen unternommen werden. Patrick hat bereits eine Leitungsfunktion bei der KSJ inne und schätzt den Verband, der nur aus Jugendlichen besteht und dem er seit der vierten Klasse angehört, außerordentlich. "KSJ ist für mich Freundschaft und Eigenverantwortung, aus Fehlern lernen, den Glauben zu stärken und zu festigen." Die vielfältigen Erfahrungen, die er im Laufe der Jahre dort sammeln konnte, kommen ihm nun auch bei seinem Zivildienst zu Gute. "Am Anfang habe ich mir schon Gedanken gemacht, ob das alles so klappt... Aber dann hab ich gemerkt, dass es nicht so schwierig ist und dass ich auf Vieles zurückgreifen kann, was ich bereits weiß!" Demnächst soll er auch für den Tagesdienst eingearbeitet werden, dann kann er auch für Einzelbetreuungen wie die Begleitung zum Arzt eingesetzt werden.
Zivis sind wichtig
Einfluss auf seine Berufsvorstellungen hat seine bisherige Zivildienstzeit auch bereits: "Wenn ich Ende des Jahres hier fertig bin, wollte ich eigentlich entweder eine Stelle in meinem Beruf finden oder die Meisterschule zu besuchen. Jetzt aber überlege ich, eventuell etwas ganz anderes zu machen, irgend etwas mit Betreuung oder so, denn das hier, das macht mir so viel Spaß!
Ulrike Fleischmann