Buntwerk macht Kunst
Einen Beitrag, Menschen mit psychischer Erkrankung weiter zu stabilisieren, können Werkstätten anbieten - Arbeitsbereiche, die Rücksicht nehmen auf die (seelische Labilität) psychische Instabilität ihrer Mitarbeiter und ihnen ein Umfeld schaffen, in dem sie ihre Fähigkeiten ausprobieren und entwickeln können, ohne gleich dem vollen Arbeitsstress ausgesetzt zu sein.
Mit der "Carisma"
in Fulda-Maberzell unterhält die Behindertenhilfe der Caritas im Bistum Fulda eine solche Einrichtung für psychisch kranke Menschen. Arbeitsfelder für die betroffenen Menschen, die über ihren Arzt oder eine Klinik, oft aber auch auf Anfrage der Agentur für Arbeit hin nach Maberzell kommen, sind zum Beispiel Technik, Schreinerei, Hauswirtschaft, Montage, Kurierdienste, Druck und Medien, ein Verkaufsgeschäft für Imkereibedarf sowie Kunst und Kreativität. "Buntwerk" nennt sich diese Kunst-Arbeitsgruppe, die von der Fachkraft für Arbeits- und Berufsförderung Renate Jehn geleitet wird, und die bei Carisma eine ganz besondere Rolle spielt: "Jeder, der bei Carisma anfängt, durchläuft zunächst ein Eingangsverfahren. In diesen rund drei Monaten wird festgestellt, ob die Einrichtung geeignet ist, den Rehabilitationsbedarf zu erfüllen. Dabei lernt er die Carisma mit zahlreichen Tätigkeitsfeldern kennen. In dieser Phase ist der neue Mitarbeiter fest in der Buntwerk-Gruppe beheimatet. Hier kann er über das Kunsthandwerk alle Arbeitsmaterialien ausprobieren, sich selbst erproben und zu einer Entscheidung finden, wo er letztendlich mitarbeiten möchte."
Einrichtung profitiert von Kunst aus dem Buntwerk
Die Gruppe Buntwerk hat auch acht feste Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter: "Diese Mitarbeiter haben für jeden Neuling bei Carisma eine wichtige Funktion. Zum einen sind sie Partner für die Neuen, zeigen ihnen die Einrichtung, helfen ihnen hier Fuß zu fassen und vielleicht eine erste Krise zu überwinden, wenn alles noch neu und unbekannt ist. Ich lege daher großen Wert auf eine hohe Sozialkompetenz dieser Leute", betont Renate Jehn. "Zum anderen übernehmen die Buntwerker ein gutes Stück Verantwortung für die Einrichtung. Neben dem Verkauf ihrer Werke gestalten sie zum Beispiel die Kunstprodukte, mit denen wir die Werkstattgebäude verschönern und zu einer Heimstätte für alle machen. Sie sind aber auch verantwortlich für einen Teil des Außenbereiches, den sie mit gestaltet haben und nun ‚im Schuss’ halten. So entstand dort beispielsweise ein ‚Tastpfad’ mit Stationen, an dem man mit Händen und Füßen verschiedene Materialien erfühlen kann. Denn viele psychisch kranke Menschen haben, auch bedingt durch Medikamente, starke Sinneseinbußen, insofern hat ein solcher Sinnesgarten hier bei uns durchaus ein Stück therapeutische Funktion inne."
Kunst führt zu Selbstvertrauen
Kunst und Kreativität sind für Gruppenleiterin Jehn ein Schlüssel für alle Carisma-Mitarbeiter, an die eigenen Gefühle heran zu kommen. Immer wieder bindet sie daher verschiedenste Carisma-Mitarbeiter in Kunstprojekte ein. So unterhält sie inzwischen auch eine Rhythmus-Trommelgruppe, die bei verschiedensten Events musikalische Auftritte hat. Mit bearbeiteten Specksteinen präsentierte sich Buntwerk zudem auch schon bei einer Kunstausstellung in der Fuldaer Innenstadt. "Öffentlicher Auftritt, sei es in Form von gemeinsamen Trommeln oder durch Präsentation eigener Kunstprodukte, bedeutet eine echte Mutprobe für unsere psychisch kranken Mitarbeiter. Die Arbeit in der Carisma gibt ihnen Struktur, ein Gerüst zum Festhalten. Das Selbstvertrauen kann jedoch nur langsam wachsen, auch wenn Buntwerk immer wieder Gelegenheit bietet, Mut zu fassen und Erfolge zu erleben." Eine wahre Aufbauarbeit also - unterstützt wird Renate Jehn dabei von der als Begleithund ausgebildeten Werkstatt-Hündin Amy, die eigentlich immer dabei ist und für alle Buntwerker ein weiteren "Fixpunkt" im Alltag darstellt. "Wenn Amy mal nicht da ist, herrscht gleich eine viel unruhigere Stimmung bei uns im Buntwerk", lacht Renate Jehn.
Christian Scharf