Familien helfen, Natur schützen
Blauer Himmel, weites Land. Pferde grasen auf der Wiese. Im Stall suhlen sich die Schweine. Ziegen kauen frische Kräuter. Enten, Gänse und Hühner wuseln herum. Ein Brandenburger Bullerbü ist der Hof Grüneberg im Löwenberger Land, nördlich von Berlin.
Der Arzt Johann Brüning und die Reittherapeutin Wendy Bartsch-Brüning haben den 120 Jahre alten märkischen Bauernhof gekauft und bieten dort Reitferien für Familien an. Vor neun Jahren haben sie die Stiftung Hof Grüneberg gegründet und sich auf Menschen mit Behinderung und Familien mit kranken Kindern spezialisiert. Familien, die auch der Kinderhospiz- und Familienbesuchsdienst des Caritasverbandes im Erzbistum Berlin unterstützt. Dieser arbeitet seit fünf Jahren mit der Stiftung Hof Grüneberg zusammen.
Nun gibt es seit Ende letzten Jahres ein weiteres Gemeinschaftsprojekt: "Stark wie ein Baum". Auf einer Streuobstwiese, etwa 3,5 Kilometer vom Hof entfernt, haben die Hofbetreiber im Oktober letzten Jahres 531 Bäume gepflanzt. Ausschließlich alte Hochstamm-Sorten, die zum Teil fast keiner mehr kennt: vor allem Apfelbäume. Sie heißen zum Beispiel Schöner von Booskop, Prinzenapfel und Goldparmäne. Auch Birnen-, Quitten- und Pflaumenbäume. "Wir wollten Naturschutz mit einem guten Zweck verbinden", sagt Johann Brüning. Ein drahtiger Mann mit einem freundlichen Gesicht. Seine Frau und er kamen auf die Idee mit den Baumpaten. 12 Euro kostet eine Patenschaft im Monat. Die Hälfte davon geht an den Kinderhospiz- und Familienbesuchsdienst der Caritas. Vier Euro bekommt die Stiftung Hof Grüneberg und unterstützt damit den Aufenthalt von Familien mit schwer kranken Kindern auf dem Hof. Die verbleibenden zwei Euro werden für die Baumpflege verwendet. "Das reicht jedoch nicht aus", sagt Johann Brüning. "Wir rechnen derzeit mit mindestens fünf Euro pro Baum, denn besonders in den ersten zwei Jahren ist die Pflege aufwendig." Die Bäume brauchen viel Wasser und müssen zurückgeschnitten werden, damit sie kräftig wachsen, gesund bleiben und später reichlich Früchte tragen.
80 Baumpatinnen und Baumpaten haben sich bisher gefunden. Frank Thyrolf ist einer von ihnen. Er hat sich für einen Roten Boskoop entschieden. Noch zwei, drei Jahre wird es dauern, bis der Baum Früchte trägt. "Meine Familie und ich kennen den Hof schon seit 15 Jahren", berichtet er. " Wir unterstützen die Brünings gern, damit sie Familien mit kranken Kindern helfen können." Beate Danlowski, die Leiterin des Kinderhospiz- und Familienbesuchsdienstes, hat für ihre kleine Enkeltochter einen Baum gepflanzt: eine Rote Sternrenette. Diese wird rotbackige, süß-säuerliche Äpfel tragen, die oft als Weihnachtsäpfel verwendet werden. "Ein schönes Symbol für mein Enkelkind", sagt sie.
Beate Danlowski hat den Kinderhospizdienst der Caritas vor neun Jahren aufgebaut. "Für Familien mit schwer kranken Kindern gerät vom Tag der Diagnose an das ganze Leben aus dem Rhythmus", sagt sie. Die Eltern müssen ihren Alltag umorganisieren, einer von ihnen gibt in der Regel seinen Job auf, um sich ganz auf die Therapie für das kranke Kind konzentrieren zu können. Das Geld wird knapp und auch die Zeit, um mal gemeinsam auszuspannen oder etwas zu unternehmen. "Es tut den Familien so gut, wenn sie aus diesem Wahnsinn ein paar Tage ausbrechen können", meint Beate Danlowski. In Kontakt mit der Natur sein. Pferde striegeln, ausreiten, Kaninchen streicheln. Ruhe haben - nach all den Krankenhausbesuchen und Arztgesprächen.
Weit über 100 Familien haben Johann Brüning und seine Frau schon auf ihrem Hof aufgenommen. Damit das auch in Zukunft möglich ist, suchen sie weitere Baumpaten.
Die App "Stark wie ein Baum" soll dabei helfen. Sie wurde von den Informatik-Studierenden Katharina Sachs und Karl Brendel der Beuth Hochschule für Technik in Berlin entwickelt. Der Baumpate Frank Thyrolf hat sie getestet. Über seinen Baum, den Roten Booskop erfährt er, dass dieser erfrischend und süßsäuerlich schmeckt, ein sehr guter Tafelapfel ist und sich gut zum Backen und Einmachen eignet. Dass der Apfel aus einer Knospenmutation vor fast hundert Jahren entstand und dass die Früchte von Ende September bis Mitte Oktober reifen. So trägt die App dazu bei, altes Wissen zu bewahren und ein Hilfsprojekt zu finanzieren.
Johann Brüning und Beate Danlowski berichten, dass die meisten Gäste des Hofes Grüneberg in Berlin leben und kaum Zugang zur Natur haben. Der Besuch auf dem Hof sei für sie spannend und entspannend zugleich. Frank Thyrolf ergänzt: "Für einen Großstädter wie mich aus Berlin-Mitte ist es klasse, einen Apfelbaum zu besitzen und damit etwas Gutes zu tun."