Umbau der Pflegeversicherung nötig
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Pflege ist ein drängendes Zukunftsthema. Als Agenda für die nun endlich gebildete Bundesregierung wird eine grundlegende Pflegereform häufig genannt. Das Pflegestärkungsgesetz II hat zwar - zu Recht - den Begriff der Pflegebedürftigkeit erweitert, so dass er etwa Demenz mit erfasst. Am System der Pflege hat das Gesetz jedoch nichts geändert.
Eine wirkliche Reform der Pflege sucht man aber vergeblich in dem Vertrag, den die neuen alten Koalitionspartner geschlossen haben. Er setzt auf eine "bessere Personalausstattung" und verspricht, "die Arbeitsbedingungen … so attraktiv zu machen, dass ausreichend Menschen den Pflegeberuf ergreifen". Ein Sofortprogramm soll "8000 neue Fachkraftstellen im Zusammenhang mit der medizinischen Behandlungspflege in Pflegeeinrichtungen schaffen". Bei fast 14.000 Pflegeheimen in Deutschland ist das der berühmte Tropfen auf den heißen Stein.
Woher die zusätzlichen Pflegekräfte kommen sollen, verrät der Vertrag nicht. Herrscht doch schon jetzt Fachkräftemangel. Die angekündigte Ausbildungsoffensive benötigen wir dringend. Bloße Imagekampagnen genügen da nicht; das haben Wohlfahrt, Kirchen und Freistaat bei uns in Bayern mehrfach versucht - mit bescheidenem Ergebnis. Die Abbruchquote in der Altenpflegeausbildung ist hoch. Und am heimischen Arbeitsmarkt werden wir den Bedarf nicht decken können. Nötig wären eine seelsorgliche Unterstützung der Auszubildenden, attraktivere Zugänge für Seiteneinsteiger(innen) und begleitende sprachliche Qualifizierung.
Von einer Teil- zur Vollkaskoversicherung ausbauen
Selbst wenn es gelänge, neue Pflegekräfte zu gewinnen, bliebe allerdings ein gravierender Webfehler bestehen: In der stationären Altenpflege werden derzeit jede Verbesserung der Personalausstattung und jede Gehaltssteigerung komplett von den Heimbewohner(inne)n bezahlt. Nach Einführung der Pflegeversicherung 1995 gab es in den Einrichtungen kaum noch Sozialhilfeempfänger(innen). Heute sind bis zu 40 Prozent der Bewohner(innen) auf staatliche Unterstützung angewiesen. Den Widerstand der Angehörigen bekommen wir bei jeder Anpassung der Heimentgelte massiv zu spüren. Die Pflegebedürftigen und ihre Familien sind jetzt schon finanziell überlastet.
Deutlich mehr Personal und signifikant höhere Gehälter sind daher nur möglich, wenn die Pflegeversicherung von einer Teil- zu einer Vollkaskoversicherung umgebaut wird. Dabei wird man entweder an einer Steuerfinanzierung der Pflege nicht vorbeikommen. Oder die Grundlage der Versicherungsbeiträge muss vom Gehalt auf andere Einkommensarten erweitert werden.