SGB-II-Sanktionen – fürs Erste gut so!
Jetzt ist es amtlich: Eine vollständige Kürzung des verfassungsrechtlich zu garantierenden Existenzminimums durch das Jobcenter ist verfassungswidrig. Ganz unzulässig sind Minderungen aufgrund von Sanktionen aber auch nicht.
Es folge aus dem Sozialstaatsprinzip, so das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) in seinem Urteil am 5. November (1 BvL 7/16), dass die Gemeinschaft bestimmte Mitwirkungsanforderungen an die Menschen stellen dürfe, die von ihr unterstützt werden. Die Richter(innen) betonen den „Respekt vor der autonomen Selbstbestimmung der Einzelnen“ und den Nachrang staatlicher Fürsorge gegenüber eigenen Bemühungen des/der Erwerbsfähigen um Lohn und Brot. „Der Gesetzgeber kann für den Fall, dass Menschen eine ihnen klar bekannte und zumutbare Mitwirkungspflicht ohne wichtigen Grund nicht erfüllen, auch belastende Sanktionen vorsehen“, unterstreicht der Erste Senat des BVerfG. Zur Wahrung der Menschenwürde könne es dabei aber nicht um „Strafe“ oder „Bevormundung“ gehen, sondern ausschließlich ums Überwinden der Hilfebedürftigkeit durch Integration in Arbeit.
Doch wer buchstäblich um das tägliche Brot und das Dach über dem Kopf bangt, hat keinen Kopf für Bewerbungsschreiben. Deshalb zieht das Gericht eine Grenze bei 30 Prozent Kürzung und bestätigt damit die Forderung der Caritas. Auch unsere Kritik an der zwingenden Entscheidung und der starren Dauer von drei Monaten hat das BVerfG geteilt, es verlangt flexiblere Regelungen.
Jobcenter müssen Zeit für jeden Einzelnen haben
Die Unterstützung, die das Jobcenter auf dem Weg ins Erwerbsleben anbieten kann, ist vielfältig: Kinderbetreuung, Schuldnerberatung, Arbeitsmarkt-Dienstleistungen. Für jede(n) Einzelne(n) muss das Passende ausgewählt werden – es gibt keine Standardlösungen. Was der einen hilft, führt den anderen kein Stück weiter. Das mag banal klingen, kann aber mühsam sein und erfordert vor allem eines: motiviertes Personal in den Jobcentern, das Zeit hat, sich auf sein Gegenüber einzulassen. Die Caritas fordert deshalb neben den jetzt notwendigen Änderungen der Sanktionsvorschriften auch eine bessere finanzielle Ausstattung der Jobcenter: sowohl für das Personal als auch für gute Arbeitsmarktmaßnahmen.
Der Erste Senat des BVerfG hat den Rahmen für eine Reform der SGB-II-Sanktionen gesetzt – jetzt ist die Bundesregierung am Zug. Bundesminister Hubertus Heil hat verlautbart, die bislang harten Sanktionsregelungen entschärfen zu wollen. Das macht Hoffnung. Wir werden das Gesetzgebungs-Verfahren genauso intensiv und hoffentlich erfolgreich begleiten wie das Verfahren vor dem BVerfG.