Ökonomie 4.0 mitbedenken
Wer ein Arbeitsleben lang in die gesetzliche Rente einzahlt, soll im Alter nicht auf Grundsicherung verwiesen sein – diesem sozial- und ordnungspolitisch wichtigen Ziel hat sich Minister Heil verpflichtet. Er setzt dazu auf die Kombination dreier Maßnahmen:
- Erstens: Die Grundsicherung im Alter bekommt einen Freibetrag für Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung ähnlich dem, den es für Betriebsrenten gibt.
- Zweitens: Das Wohngeld erfährt Verbesserungen für Rentnerhaushalte, die sich an denen orientieren, die schwerbehinderten Menschen gewährt werden.
- Und drittens gibt es eine Grundrente, die anrechenbare „Grundrentenzeiten“ bei der Rentenberechnung aufwertet.
Mit diesem Dreiklang macht Heil deutlich: Die gesetzliche Rente ist nicht das Instrument, mit dem allein alle Altersarmutsrisiken abgewendet werden können. Sie bedarf, um Anerkennung von Lebensleistung zu bleiben, bei der Armutsabwehr der Flankierung durch das Grundsicherungs- und Wohngeldrecht. Und: Für perforierte Lebenserwerbsverläufe mit Phasen prekärer Beschäftigung bietet das heute geltende Rentenrecht keine ausreichende Alterssicherungsperspektive. Aufwertungen der aus Niedriglöhnen erworbenen Rentenansprüche sind notwendig, will man die Logik der beitragsbasierten Vorsorge für das eigene Alter nicht unterminieren. Dabei hat Heil aus den Erfahrungen mit der Rente nach Mindesteinkommen / Mindestentgeltpunkten gelernt und die Zielgenauigkeit durch eine komplexere Formel erhöht.
„Kleine Fluchten" aus der Sozialversicherungspflicht würden belohnt
Dennoch wird im Gesetzgebungsverfahren diese Aufwertung im Detail gründlich zu prüfen sein. Aufgewertet werden Zeiten niedriger Beiträge unabhängig davon, welcher konkreten Erwerbs- und Familiensituation die niedrigen Lohneinkommen geschuldet sind. In der Ökonomie 4.0 verbinden immer mehr Menschen eine sozialversicherungspflichtige abhängige Beschäftigung mit einem sozialversicherungsfreien Minijob oder einer sozialversicherungsfreien Tätigkeit als Freelancer. Heils Grundrente belohnt diese „kleinen Fluchten“ aus der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung und schafft so gefährliche Fehlanreize: Wer nur Teile seines Einkommens sozialversichert, spart zulasten der Versichertengemeinschaft Beiträge. Er oder sie kann mit Heils Grundrente zusätzlich darauf hoffen, für die versicherten Einkommensteile einen Grundrentenaufschlag zu erhalten. Hier muss nachjustiert werden. Das Konzept der Grundrente ist nur tragfähig, wenn die Sozialversicherungspflicht für Minijobs und Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit durchgesetzt wird.