Ohne Ehrenamt ist kein Staat zu machen
Ehrenamt ist "in". Es genießt sowohl in der Politik als auch in der öffentlichen Wahrnehmung einen hohen Stellenwert. Kaum eine Projektförderung mehr ohne ehrenamtliches Engagement – egal ob bei Stiftungen, im Staat oder in der Kirche. Warum gibt es diese starke Betonung des Ehrenamtes? Ist sie Folge der breiten Skepsis, mit der inzwischen alle großen Organisationen und Institutionen belegt sind? Dass sie als große Tanker erscheinen, auf die man gefühlt als Bürger(in) und als Politiker(in) keinen Einfluss mehr hat - und die durch die Ehrenamtlichen irgendwie nahbarer werden? Oder ist vielen die Professionalisierung im sozialen Sektor zu weit fortgeschritten? Der Blick über die Grenzen zeigt doch anscheinend, dass es in anderen Ländern Europas auch mit weniger Profis geht. Oder geht es ganz einfach um Kostenersparnis?
Keine Frage: Bürgerschaftliches Engagement ist eine wesentliche Säule der Zivilgesellschaft. Wir müssen uns auch keine grundsätzlichen Sorgen machen. Die Engagement-Zahlen nehmen zu, auch im sozialen Sektor. Dies hat der große Einsatz in der Geflüchtetenhilfe gezeigt. Also könnten wir durchaus zufrieden sein. Es ist gut und richtig, dass das große Engagement so vieler öffentlich wertgeschätzt wird. Vorsicht ist aber geboten, wenn dies in eine Vereinnahmung durch politische Interessen umschlägt oder der Kostensenkung dient.
Ehrenamt ist eigensinnig: Ehrenamtliche lassen sich nicht unbedingt in Vorgaben und Richtlinien zwängen, und sie sollen es auch nicht. Zur politischen Kraft des Ehrenamtes gehört, dass es frei ist – frei in der Wahl der Aufgaben, frei im zeitlichen Einsatz. Das bedeutet nicht, dass es keine Regelungen und Absprachen geben soll. Aber die grundsätzliche Entscheidung, was ich ehrenamtlich wann tue, bleibt mir überlassen.
Dies fordert auch die Verbände heraus. Die Erfahrungen der letzten Jahre zeigen, dass viele Engagierte eher kurzzeitige Engagements bevorzugen. Es wird schwieriger, Ehrenamtliche für feste verbandliche Aufgaben und gar für Leitungsaufgaben zu finden.
Ehrenamt braucht Unabhängigkeit: Zur Freiheit des Ehrenamtes gehört auch, dass es nicht bezahlt wird. Daher gilt all den Programmen ein kritischer Blick, die Ehrenamtlichen einen Obolus zahlen. Dieser mag für manche ein wichtiges Zubrot sein. Schwierig ist nur, es mit Ehrenamt zu bezeichnen.
Ehrenamt ersetzt nicht den Sozialstaat: Soziale Arbeit braucht Fachlichkeit und Kontinuität. Es geht darum, zu unterscheiden, welche Aufgaben von Ehrenamtlichen übernommen werden können und an welcher Stelle es die Fachlichkeit der Profis braucht. Ehrenamt in unseren Diensten und Einrichtungen ist eine weitere Qualität – kein Ersatz für fehlendes Personal. Dasselbe gilt für die gesellschaftliche Ebene. Nur wenn Sozialstaat und Ehrenamt zusammenkommen, entsteht eine starke Zivilgesellschaft. Dann bündeln wir die gesellschaftlichen Kräfte und stärken unsere Demokratie. Eine der Kernthesen des Zweiten Engagement-Berichts der Bundesregierung. Nicht da, wo sich der Staat zurückzieht, wächst Engagement. Im Gegenteil: Ein aktiver, auf das Gemeinwohl ausgerichteter Staat bewirkt Engagement. Dies sind zwei Seiten der gleichen Medaille. Ohne Ehrenamt ist kein Staat zu machen, aber: nur mit Ehrenamt auch nicht.
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