Ökumenische Fusion: Beide Träger bleiben verantwortlich
Gegen Ende des Jahres 2014 fanden die ersten Gespräche über ein Zusammengehen der beiden christlichen Krankenhäuser in Karlsruhe statt. Von Beginn an bestand dabei zwischen den Gesprächspartnern Einvernehmen, dass eine punktuelle Kooperation in einzelnen Bereichen nicht zielführend sein würde, sondern dass echte Effekte nur durch ein gesellschaftsrechtliches Zusammengehen erzielt werden können. Ausschlaggebend für die Fusion waren medizinische, wirtschaftliche und ideelle Gründe.
Durch die Fusion können die beiden Kliniken die medizinisch notwendige Spezialisierung vorantreiben, gleichzeitig wird der damit immer wichtiger werdende interdisziplinäre Austausch zwischen den Kliniken erleichtert. Durch die Abschaffung vorhandener Doppelungen und damit einer effizienteren Leistungserbringung werden mittelfristig auch wirtschaftliche Effekte zu erzielen sein. Unter den gegebenen Bedingungen (50 Prozent der Krankenhäuser in Baden-Württemberg sind defizitär) ist dies auch dringend notwendig. Schließlich ist als dritter Grund die gemeinsame ideelle Basis zu benennen. Beide Kliniken wurden 1851 unabhängig voneinander gegründet und blicken somit auf eine lange Tradition auf einem christlichen Fundament zurück. Es ist die feste Überzeugung aller Beteiligten, dass dieses christliche Fundament durch eine Fusion beider Kliniken gestärkt und gesichert in die Zukunft getragen werden kann. Das Besondere an diesem Zusammenschluss ist, dass nicht der eine den anderen übernommen hat, sondern dass beide bisherigen Träger in ökumenischer Eintracht weiterhin als Träger des fusionierten Krankenhauses in der Verantwortung bleiben.
Neues gesellschaftsrechtliches Konstrukt
Die St. Vincentius-Kliniken waren im Jahr 2000 aus einer Körperschaft des öffentlichen Rechts in die St. Vincentius-Kliniken gAG überführt worden. Der St. Vincentius-Verein besteht ausschließlich aus natürlichen Personen und war Alleinaktionär der St. Vincentius-Kliniken gAG. Das evangelische Diakonissenkrankenhaus war rechtlich unselbstständiger Bestandteil der Evangelischen Diakonissenanstalt Karlsruhe-Rüppurr, KdöR. Die Transaktion wurde durch eine Kapitalerhöhung der St. Vincentius-Kliniken gAG durchgeführt. Diese wurde von der Diakonissenanstalt KdöR gezeichnet und durch eine Sachkapitaleinlage (Diakonissenkrankenhaus) erbracht. Die Diakonissenanstalt wurde so Aktionärin der im gleichen Zuge umbenannten "Vincentius-Diakonissen-Kliniken gemeinnützige Aktiengesellschaft". Aufgrund der Größenverhältnisse blieb der St. Vincentius-Verein der Mehrheitsaktionär dieser Gesellschaft.
Arbeitsrecht und Kirchlichkeit
Die Fusion wurde erleichtert durch die Tatsache, dass beide Kliniken den TVöD als Tarifvertrag angewandt haben und bei der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL) zusatzversichert waren. Die Vergütung nach dem TVöD, und nicht nach den AVR, wurde vom Erzbistum Freiburg im Jahr 2013 als Verstoß gegen die Grundordnung des kirchlichen Dienstes gewertet. Insoweit wurde schon 2013 in arbeitsrechtlicher Hinsicht den St. Vincentius-Kliniken die Anerkennung als kirchliches Krankenhaus entzogen. Im Übrigen wurden die St. Vincentius-Kliniken jedoch weiterhin als kirchliches Krankenhaus anerkannt. Dies kommt auch durch die Mitgliedschaft im Caritasverband der Erzdiözese Freiburg zum Ausdruck. Seit 2014 gibt es deshalb an den St. Vincentius-Kliniken einen Betriebsrat statt einer Mitarbeitervertretung. Im Zuge der Fusion wurde schnell Einigkeit erzielt, dass dieses Konstrukt auch für die fusionierten ViDia-Kliniken gelten würde, so dass das Betriebsverfassungsrecht in seiner Ausprägung für gemeinnützige Einrichtungen gilt.
Im Zuge der Fusion wurde erneut die Frage nach der Kirchlichkeit der fusionierten Kliniken gestellt. Dank der engagierten Unterstützung des Dekans von Karlsruhe konnte eine Lösung gefunden werden, so dass das Erzbistum Freiburg auch das fusionierte Unternehmen als kirchliche Einrichtung anerkennt. Sowohl der evangelische Landesbischof von Baden als auch der Erzbischof von Freiburg haben ihre ausdrückliche Unterstützung für die fusionierten Kliniken zum Ausdruck gebracht. Die ViDia-Kliniken sind aktuell sowohl Mitglied im Caritasverband als auch Kooperationspartner des Diakonischen Werkes.
Wesentlicher Kernpunkt bei einer Fusion zweier Krankenhäuser ist das gemeinsame Medizinkonzept. Dabei galt es insbesondere die Interessen des kleineren Fusionspartners zu berücksichtigen. Dies gelang inhaltlich wie formal erstaunlich schnell. Formal wurde festgelegt, dass Entscheidungen den Standort des Diakonissenkrankenhauses betreffend im Aufsichtsrat einer Dreiviertelmehrheit bedürfen. Inhaltlich war von Anfang an unstrittig, dass der Standort des Diakonissenkrankenhauses unbedingt erhalten werden muss.
Gemeinsames Medizinkonzept ist Voraussetzung
Anfang 2018 fand noch einmal eine Überarbeitung des Medizinkonzepts statt, die vom Aufsichtsrat einstimmig gebilligt wurde.
Danach wird es mittelfristig so gut wie kein Angebot mehr geben, das an beiden Standorten erbracht wird; aktuell gibt es noch relativ viele Doppelungen. Es wird also eine deutliche Konzentration von Leistungen an den jeweiligen Standorten geben. Dies ist machbar, weil die Kliniken nur circa fünf Kilometer voneinander entfernt liegen. Dieser Anpassungsprozess wird sich voraussichtlich über die nächsten sieben Jahre erstrecken. Möglich wird er überhaupt nur durch den bereits vorher auf den Weg gebrachten Neubau (siehe Abschnitt unten).
Keine Konkurrenz: Mitarbeiter müssen umdenken
Die formalen Auswirkungen auf die Mitarbeiterschaft sind begrenzt. Die Vergütung nach TVöD/TVÄrzt(inn)e(n) und die Mitgliedschaft bei der VBL bleiben unberührt. Für die Mitarbeiter(innen) im Diakonissenkrankenhaus ergab sich insoweit eine Verbesserung, als die in früheren Jahren aufgrund wirtschaftlicher Schwierigkeiten eingeführte 40-Stunden-Woche tarifkonform auf eine 39-Stunden-Woche zurückgeführt wurde.
Von diesen formalen Sachverhalten getrennt zu betrachten bleiben die Auswirkungen des Medizinkonzepts. Dadurch werden die Strukturen der Kliniken organisatorisch, aber auch räumlich erheblich verändert. Dabei ist zu berücksichtigen, dass beide Kliniken sich in der Vergangenheit teilweise als Konkurrenten gesehen haben. Die eigene Identität wurde auch in der Abgrenzung zum jeweils anderen gefunden. Vor diesem Hintergrund ist es nachvollziehbar, dass sich einige Mitarbeitende schwertun, plötzlich mit dem Konkurrenten zusammenzuarbeiten oder gar an den anderen Standort zu wechseln. Die Unterschrift unter einen Konsortialvertrag ändert jedenfalls erst einmal nichts an lange gewachsenen Loyalitäten.
Die Klinikleitung hat sich bemüht, diesen Unsicherheiten durch umfangreiche Beteiligung und Information zu begegnen. So wurde frühzeitig und immer wieder klargestellt, dass es im Zuge der Fusion zu keinerlei betriebsbedingten Kündigungen kommen wird. In zahlreichen Mitarbeiter-Versammlungen wurden und werden die Projekte erläutert. Es wurden darüber hinaus neue Informationswege eingeführt, um die Mitarbeiter(innen) möglichst aktuell zu informieren. Es bleibt festzuhalten, dass dieser Prozess bei weitem noch nicht abgeschlossen ist. Er wird wohl auch noch einige Jahre in Anspruch nehmen und erst dann endgültig abgeschlossen sein, wenn die letzten Schritte des Medizinkonzepts umgesetzt sein werden.
Ein Neubau machte Sinn
Schon im Jahr 2012 wurde in den St. Vincentius-Kliniken über einen Neubau nachgedacht. Die St. Vincentius-Kliniken bestehen aktuell aus vier Gebäuden, drei befinden sich in unmittelbarer Nachbarschaft an einem Standort. Der zweite große Standort liegt etwa einen Kilometer davon entfernt. Diese Trennung erweist sich sowohl medizinisch als auch wirtschaftlich als hinderlich. Dazu kommt, dass die Gebäude in die Jahre gekommen waren und einer grundlegenden Sanierung bedurft hätten. Vor diesem Hintergrund wurde beschlossen, einen kompletten Neubau in zwei Bauabschnitten zu realisieren, um dann alle Leistungen der St. Vincentius-Kliniken an einem Standort erbringen zu können. Die Baukosten für den ersten Bauabschnitt wurden auf 190 Millionen Euro beziffert. Die Bedeutung dieses Vorhabens wird daran ersichtlich, dass die St. Vincentius-Kliniken damals über eine Bilanzsumme von circa 160 Millionen Euro und einen etwa gleich großen Umsatz verfügten.
Dennoch hat der Aufsichtsrat 2013 die mutige Entscheidung für den Neubau getroffen, weil er mit dem Vorstand gemeinsam davon überzeugt war, dass dies ein notwendiger Schritt sei, um die St. Vincentius-Kliniken zukunftssicher aufstellen und im Wettbewerb bestehen zu können. Die Überlegungen zur Fusion fielen in eine Phase, in der die Planungen für den Neubau schon relativ weit fortgeschritten waren. Das neue Medizinkonzept musste jedoch Berücksichtigung in der Neubaukonzeption finden, so dass diese an einigen Stellen verändert wurde. Dennoch erweist es sich als Glücksfall, dass die Bauplanung schon vor der Fusion begonnen wurde. Durch den Neubau, der voraussichtlich Mitte 2020 bezogen werden kann, werden die zahlreichen Verschiebungen und Zusammenlegungen der Kliniken erst möglich.
Bereit für Veränderung durch Kommunikation
Fusion und Neubau stellen die gesamte Organisation vor erhebliche Herausforderungen. Das Um- und Mitdenken aller Mitarbeiter(innen) ist ebenso notwendig wie deren Bereitschaft, diese Veränderung mitzugehen. Gleichzeitig muss es aber gelingen, die christlich geprägte Unternehmenskultur zu be- wahren und weiterzuentwickeln. Dazu wurde ein gemeinsames Leitbild erarbeitet und eine AG Unternehmenskultur eingerichtet, der Mitarbeitende aller Berufsgruppen angehören. Eine ausführliche Kommunikation ist zwingende Voraussetzung für das Gelingen des gesamten Prozesses. Hier wird mitunter auch externe Unterstützung eingeholt und angeboten. Vorstand und Aufsichtsrat sind jedoch davon überzeugt, mit diesen für beide Kliniken gewaltigen Veränderungsprozessen den richtigen Weg in eine gute Zukunft für die ViDia Christliche Kliniken Karlsruhe zu beschreiten.
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