Nur Selters statt Bier
Keine Waschmaschine, keinen Kühlschrank, keine Brille, nichts für Haustiere - so das Ergebnis des neu errechneten Regelbedarfs für Langzeitarbeitslose und andere Grundsicherungsempfänger. Alle fünf Jahre wird mittels der Auswertung der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe geschaut, ob die Hartz-IV-Leistung noch mit dem Verbrauchsverhalten der unteren 20 Prozent der Haushalte übereinstimmt. Der unteren 20 Prozent? Das war früher. Schon bei der letzten Neuberechnung vor fünf Jahren hat man bei den Alleinstehenden nur die unteren 15 Prozent als
Referenzgruppe genommen und damit den Hartz-IV-Satz für sie gesenkt.
Zwischen den fünfjährlichen Neuberechnungen und Auswertungen wird der Hartz-IV-Satz nach einem Mischindex fortgeschrieben. Um zwischen zwei und zehn Euro pro Monat hat sich der Regelbedarf damit jährlich erhöht auf derzeit 404 Euro. Nach dem Entwurf des Regelbedarfs-Ermittlungsgesetzes (RBEG) soll der Regelbedarf von 2017 an um gerade mal fünf Euro im Monat für Erwachsene steigen. Die Berechnungen der Caritas kommen auf einen zusätzlichen Bedarf von 60 Euro im Monat.
Erhöhungsbedarf gibt es zum Beispiel bei den Stromkosten. Die Caritas hat mittels Daten aus dem Stromspar-Check die Echtverbräuche von Hartz-IV-Haushalten über mehrere Jahre ermittelt. Ergebnis: Der Regelbedarf ist um zehn Euro zu niedrig. Hartz-IV-Empfänger haben höhere Stromkosten, weil sie oft nicht die Kraft haben, zum jeweils billigsten Stromanbieter zu wechseln, weil sie mehr zu Hause sind und weil sie sich keine energieeffizienten Geräte leisten können.
Apropos "weiße Ware". Das Bundesverfassungsgericht hat die Bundesregierung im Juli 2014 vor der Gefahr einer Unterdeckung für die Anschaffung von Kühlschränken und Waschmaschinen gewarnt. Im neuen Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz findet sich nur der Hinweis, man könne bei kaputtem Kühlschrank ein Darlehen beim Jobcenter aufnehmen. Dieses muss 40-Euro-weise abgestottert werden. Diese 40 Euro fehlen dann aber beim sogenannten soziokulturellen Existenzminimum. Ebenfalls eine Unterdeckung mahnt das Gericht bei den Kosten für eine Brille an. Doch darum schert sich keiner im Entwurf des RBEG.
Allein der Anteil für Stromkosten müsste zehn Euro höher sein
Wie geradezu skrupulös die Berechnung der Höhe von Hartz IV durchgeführt wird, zeigt sich beim Alkohol. Man befürchtet wohl die Schlagzeile: "Staat zahlt Hartz-IV-Empfängern den Schampus." Um dies zu vermeiden, wird aus den Ausgaben der Referenzgruppe für alkoholische Getränke lediglich die entsprechende Flüssigkeitsmenge an Wasser errechnet. Es gibt anstatt 9,90 Euro für preiswertes Bier jetzt 3,63 Euro für Mineralwasser pro Monat.
Die zentralen Forderungen der Caritas (neue caritas Heft 20/2015, S. 30ff.) wurden in dem geplanten Gesetz nicht berücksichtigt. Das ist schon sehr enttäuschend. Will die Politik nicht? Gibt es keinen Konsens in der Koalition? Oder befürchtet man bei einer kräftigen Erhöhung des Regelbedarfs eine Zunahme der Hartz-IV-Bezieher? Die Caritas wird hartnäckig bleiben.