Das wahre Problem liegt woanders
Sowohl die Genfer Flüchtlingskonvention als auch das individuelle Asylrecht im Grundgesetz waren Resultat einer welthistorischen Lektion: Nach dem faschistischen Ausrottungs- und Vernichtungskrieg sollten existenziell bedrohte und politisch verfolgte Menschen nie mehr an staatlichen Grenzpfählen scheitern, sondern fortan umfassenden Schutz genießen.
Längst bestimmt allerdings nicht mehr die jeweilige Lebenssituation von Zuwandernden, sondern fast ausschließlich ihr wirtschaftlicher Nutzen für das Aufnahmeland die Entscheidungen seiner Behörden. Zuletzt haben die das "C" im Namen führenden Unionsparteien mit der Forderung nach dem Zurückweisen Geflüchteter und nach Verlagerung der Asylentscheidungen in außereuropäische Länder alle sozialethischen Grundprinzipien preisgegeben, die während der Nachkriegsjahrzehnte galten. Mit dem christlichen Gebot der Nächstenliebe hat das nichts mehr zu tun.
Humanismus, sei er nun religiös oder philosophisch begründet, hat mittlerweile einen schweren Stand. Rücksichtslosigkeit im Umgang mit "Fremden" hingegen normalisiert sich zunehmend.
Die "irreguläre Migration", von der neuerdings alle etablierten Parteien behaupten, dass sie eingedämmt werden muss, ist nur zum geringsten Teil eine illegitime Migration. Denn jeder Mensch hat das Recht, einer ausweglosen Situation im eigenen Land zu entfliehen.
Während führende AfD-Politiker:innen die Unterstützung für Asylsuchende auf "Brot, Bett und Seife" beschränken wollen, verrenken sich die etablierten Parteien. Denn sie fühlen sich zwar noch immer an Recht und Gesetz gebunden, möchten dem mitverschuldeten Stimmungswandel in der Mehrheitsgesellschaft jedoch Rechnung tragen. Panikmache ist aber keine Basis für eine gute Migrationspolitik.
Wer der AfD das Wasser abgraben möchte, darf es nicht auf ihre Mühlen leiten, wie das momentan durch eine staatlicherseits betriebene Flüchtlingsabwehr und rechtspopulistische Sprüche von Spitzenpolitikern geschieht. Nicht die Migration, wie der frühere Bundesinnenminister Horst Seehofer einst behauptete, vielmehr die wachsende soziale Ungleichheit ist die Mutter aller Probleme: Aus der sich fast überall auf der Welt vertiefenden Kluft zwischen Arm und Reich resultieren ökonomische Krisen, ökologische Katastrophen sowie Kriege und Bürgerkriege, die ihrerseits größere Migrationsbewegungen auslösen, als den meisten politisch Verantwortlichen in den Aufnahme- und Transitländern lieb ist.