Aufenthaltsrecht: Reform mit Haken
Mit der im Juni von Innenministerin Nancy Faeser angekündigten Gesetzesänderung wird vielleicht bald die Hoffnung abgelehnter Asylbewerber:innen wahr, doch noch eine Perspektive zu bekommen. Der Entwurf sieht für gut integrierte Geduldete eine Verkürzung der Voraufenthaltszeit von acht auf sechs Jahre vor (von sechs auf vier, wenn Minderjährige im Haushalt leben, und für unter 27-Jährige von vier auf drei Jahre). Sie müssen Anforderungen erfüllen wie insbesondere Lebensunterhaltssicherung und Sprache. Ergänzt werden die Verbesserungen durch eine neue "Aufenthaltserlaubnis auf Probe" für vor dem 1. Januar 2017 Eingereiste. Dieses sogenannte Chancen-Aufenthaltsrecht - mit herabgesetzten Integrationsanforderungen - sollen Menschen bekommen, die ihren Lebensunterhalt noch nicht selbst bestreiten und noch nicht gut Deutsch sprechen können. Dies ist eine echte Chance für all diejenigen, denen bisher die reguläre Unterstützung bei Spracherwerb und Arbeitsintegration versagt blieb. Mit der Aufenthaltserlaubnis bekommen sie ihre Lebensunterhaltssicherung vom Jobcenter und Zugang zu den Eingliederungsleistungen des SGB II.
Allerdings wird die Erlaubnis auf Probe nur für ein Jahr erteilt, in dem die Geflüchteten viel schaffen müssen: überwiegender Lebensunterhalt durch Erwerbstätigkeit, Grundkenntnisse in Deutsch und in Rechts- und Gesellschaftsordnung, in der Regel Erfüllen der Passpflicht. Andernfalls fallen sie in eine Duldung zurück. Aber: Wissen wir, ob uns nicht wieder ein Lockdown bevorsteht, der die erfolgreiche Kursteilnahme infrage stellt? Der Deutsche Caritasverband fordert, diese Probezeit, wenn nötig, zu verlängern.
Wirklich positiv ist, dass der Gesetzgeber die schwierige aufenthalts- und sozialrechtliche Situation Geflüchteter mit Aufenthaltsgestattung (während des Asylverfahrens) und Duldung (bei Ablehnung) ebenso sieht wie die großen Schwierigkeiten vieler, einen Pass zu bekommen. Die Flüchtlingsberatenden wissen, dass Letzteres meist nicht an der Mitwirkung der Geflüchteten, sondern am Unwillen der Behörden vieler Herkunftsländer liegt. Die Geflüchteten erhalten jetzt nochmals ein Jahr, um Identitätspapiere zu besorgen. Danach können sie das Bleiberecht auch erhalten, wenn sie erfolglos alle "zumutbaren Maßnahmen zur Identitätsklärung ergriffen haben". Allerdings steht dies im Ermessen der Ausländerbehörden, und dieses üben sie nach den Erfahrungen der Beratungspraxis sehr restriktiv aus.