Tatkraft aus Liebe zum Menschen
Mittendrin: Georg Hüssler, damals Generalsekretär des DCV, als einer der Motoren. Als Motor einer Hilfe, die von der nigerianischen Regierung als unerlaubtes Überqueren ihres Luftraumes eingestuft wurde und somit illegal war.
Bewusst hatte die nigerianische Zentralregierung alle Versorgungswege in die abtrünnige Region Biafra blockiert. Der Hunger der Menschen wurde 1968 erstmals gezielt als Kriegswaffe eingesetzt. Nun aber machten sich 33 Hilfsorganisationen aus 21 Ländern auf, diese Blockade zu brechen. Mit Erfolg: Vier Millionen Menschen konnten 22 Monate lang mit Medikamenten, Lebensmitteln und vielem mehr versorgt werden. Auf 5310 Flügen wurden 60.000 Tonnen Hilfsgüter nach Biafra gebracht. Der "Spiegel" schrieb damals: "Zum ersten Mal in der Geschichte haben Menschen aus allen Teilen der Welt durch freiwillige Spenden ein ganzes Volk vor dem Hungertod bewahrt."
Georg Hüssler war nicht der Erste, der Hilfe für die Opfer des Bürgerkrieges auf den Weg brachte. Diverse Hilfsgütertransporte für die Hungernden waren der Luftbrücke vorausgegangen. Aber Hüssler organisierte diese Hilfe mit einer Tatkraft, wie es vor ihm und nach ihm nur wenige vermochten. So war er es, der auf einer Pressekonferenz in Frankfurt mit dazu beitrug, dass eine breite Öffentlichkeit von dem Leid erfuhr. Er war es auch, der danach für die bis dahin größte Spendenwerbung seiner Zeit und schließlich für den Kauf der Flugzeuge maßgeblich verantwortlich zeichnete. Kein Mitarbeitender der deutschen Caritas hat das davor oder danach jemals wieder getan: Flugzeuge kaufen, um Hungernde zu retten. Was für eine wahnwitzige Aktion! Eine bis heute beispiellose Hilfe.
Der Biafra-Krieg hat die humanitäre Hilfe grundlegend verändert. Diskussionen kreisten vor allem um die Dilemmata, denen sich die Hilfe in Kriegen und Gewaltkonflikten ausgesetzt sieht. Eine der bitteren Lehren: Die humanitären Prinzipien von Neutralität, Unparteilichkeit und Unabhängigkeit lassen sich angesichts der brutalen Realität von Kriegen nicht immer einhalten. Wer Hilfe leistet, dem wird Parteilichkeit vorgeworfen, wie etwa der Caritas für die Christen in Biafra. Wer nicht hilft, der wird seinem humanitären Auftrag nicht gerecht. Über die Frage, wem Hilfe gewährt wird (und wem nicht), zu wem Helfer vom herrschenden Regime vorgelassen werden (und zu wem nicht) wird deshalb bis heute etwa in Syrien erbittert gestritten.
Was war damals der Antrieb für Georg Hüssler? In einem Radio-Interview sagte er über die Biafra-Hilfe: "Wir haben einfach das gemacht, was notwendig war. Keine Zeit zum Nachdenken. Es war wie beim Barmherzigen Samariter. Hätte er nachgedacht, er hätte es nicht gemacht. Dann hätte er auch Gründe gefunden, es nicht zu tun (…) Aber er hat nicht nachgedacht und deshalb hat er geholfen." Wegbegleiter wie der damalige Pressesprecher Joseph Scheu berichteten: "Für Hüssler war einfach der Anruf da, der Anruf von Menschen in Not, und er musste darauf antworten, irgendwie." Die Stadt Freiburg schrieb in einem Nachruf 2013: "Mitleid und Mitmenschlichkeit, aber vor allem die Liebe zum Menschen waren Zeit seines Lebens die Motive seines Wirkens."
Dieser Antrieb ließ ihn viele Widerstände überwinden. Dabei waren die Voraussetzungen für eine solch spektakuläre Hilfsaktion beim DCV damals denkbar schlecht: Weder strukturell noch finanziell war man angemessen aufgestellt, um die Biafra-Hilfe zu stemmen. Mit größeren Hilfsprogrammen gab es noch keine Erfahrung. Ein Referat für die "Not- und Katastrophenhilfe" wurde erst 1969 geschaffen, mitten in der Hochphase der Biafra-Krise. Erst mit Georg Hüssler etablierte sich die internationale Arbeit als zentraler Teil des DCV. "Not sehen und handeln" - der später geprägte Leitspruch der Caritas charakterisiert Georg Hüsslers Wirken treffend. Nicht nur in Biafra, auch in Vietnam, in Algerien, Libyen, Palästina. Nicht nur als Generalsekretär des DCV, auch als dessen Präsident. Und als Präsident von Caritas Internationalis in Rom. Als Botschafter der Nächstenliebe. Als Weltbürger.
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