Sind soziale Unternehmen auf die Nachhaltigkeitsberichtspflicht vorbereitet?
Ob als Unternehmen oder Privatperson - kein Thema ist so allgegenwärtig und gesamtgesellschaftlich relevant wie die Nachhaltigkeit. Klimaschutz, die Vermeidung von Umweltverschmutzung und Energieeinsparungen, aber auch Chancengleichheit, gute, respektvolle Arbeitsbedingungen und nachhaltige Unternehmensführung sind Faktoren, die in unserer Gesellschaft seit einigen Jahren breit diskutiert werden und einen immer größeren Stellenwert einnehmen. Dies hat auch auf Unternehmen aus der Gesundheits- und Sozialwirtschaft eine unmittelbare Auswirkung.
Die Erwartungshaltung ist immens und stellt Unternehmen vor große Herausforderungen: Kund:innen, Klient:innen und Mitarbeiter:innen erwarten verstärkt nachhaltiges Verhalten, Investor:innen und Banken verlangen zunehmend Transparenz hinsichtlich der ESG-Faktoren (Environment/Umwelt, Social/Soziales, Governance/Unternehmensführung)1, aber auch seitens der EU werden den Unternehmen zunehmend Regularien auferlegt. So hat das Europäische Parlament am 10. November 2022 die "Richtlinie hinsichtlich der Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen" (Corporate Sustainability Reporting Directive, CSRD) beschlossen. Am 28. November 2022 hat der Rat die Richtlinie angenommen. Die Veröffentlichung im Amtsblatt der EU erfolgte am 16. Dezember 2022.
Inhaltlich muss über die ESG-Faktoren Auskunft gegeben werden. Dabei besteht der Anspruch, nach dem Prinzip der "doppelten Wesentlichkeit" zu berichten. Dies bedeutet, dass die Nachhaltigkeitsberichterstattung Angaben umfassen muss, die für das Verständnis der Auswirkungen der Tätigkeiten des Unternehmens auf Nachhaltigkeitsaspekte erforderlich sind. Gleichzeitig muss der Bericht das Verständnis der Auswirkungen von Nachhaltigkeitsaspekten auf Geschäftsverlauf, Geschäftsergebnis und Lage des Unternehmens beinhalten. Die Verpflichtung zur Nachhaltigkeitsberichterstattung für Geschäftsjahre, die am oder nach dem 1. Januar 2025 beginnen, kommt für große Unternehmen und Mutterunternehmen von großen Konzernen (Bilanzsumme > 20 Millionen Euro, Umsatzerlöse > 40 Millionen Euro und > 250 Mitarbeiter:innen). Auch Unternehmen, die laut Satzung oder Gesellschaftsvertrag Rechnung legen "wie eine große Kapitalgesellschaft", sind von der Anwendung der Regelung betroffen.
Für die betroffenen Unternehmen steigt der Druck, sich mit dem Thema Nachhaltigkeit auseinanderzusetzen: Dies umfasst die Festlegung konkreter Nachhaltigkeitsziele, die Formulierung und Verschriftlichung einer Strategie und die Messung beziehungsweise das Reporting der tatsächlich nachhaltigen Performance, welche es im Einklang mit der Nachhaltigkeitsstrategie stetig zu verbessern gilt. Zu beachten ist: Die hohen Erwartungen an Nachhaltigkeit können auch diejenigen Unternehmen betreffen, die nicht von der Nachhaltigkeitsberichtspflicht betroffen sind. Eine Positionierung im Sinne einer nachhaltigen Verantwortlichkeit macht auch hier Sinn.
Nachhaltigkeit - was passiert bereits in den Unternehmen?
Mit dem Curacon-Nachhaltigkeits-Check2 wird anhand der Angaben und Einschätzungen der Unternehmen und Organisationen in der Gesundheits- und Sozialwirtschaft geprüft, ob diese zur Erstellung eines Nachhaltigkeitsberichts verpflichtet sein werden (S. auch neue caritas Heft 21/2022, S. 30). Der Check ermöglicht zudem einen ersten Branchen-Überblick, wie es um die Nachhaltigkeitsbemühungen der Unternehmen und Organisationen bestellt ist.
Die Auswertung zeigt, dass die Unternehmen und Organisationen die klare Erwartungshaltung verschiedener Stakeholder spüren: 69 Prozent der Unternehmen attestieren, dass Mitarbeiter:innen ein hohes Interesse an nachhaltigem unternehmerischem Verhalten zeigen. Erwartungen seitens Kund:innen und Klient:innen wurden ebenfalls an 24 Prozent der befragten Unternehmen herangetragen. Forderungen von Banken oder Versicherungen bemerken die Organisationen bisher eher selten (19 Prozent). In Zukunft sind hier allerdings Veränderungen zu erwarten. 55 Prozent der Befragten sehen insgesamt, dass sich die Wettbewerbssituation aufgrund von nachhaltigem Management verändern wird. Somit erscheint es nachvollziehbar, dass 81 Prozent der Teilnehmer:innen Nachhaltigkeit als ein relevantes Thema wahrnehmen.
Aber was erhoffen sich die Unternehmen von einer Auseinandersetzung mit dem Thema Nachhaltigkeit? Gerade im Hinblick auf die aktuellen Gegebenheiten überrascht es nicht, dass das Thema Energieeffizienz das derzeit relevanteste für die befragten Unternehmen darstellt (84 Prozent). Kosteneinsparungen, die 70 Prozent der Unternehmen im Zusammenhang mit Nachhaltigkeit anvisieren, sind sicherlich auf die jetzige Inflation zurückzuführen. Aber auch verantwortungsbewusstere Investitionen (54 Prozent) und die Vermeidung von Reputationsrisiken bei Kund:innen und Öffentlichkeit (47 Prozent) sind Hintergründe, weshalb sich Unternehmen mit Nachhaltigkeit beschäftigen wollen. Auch Mitarbeiter:innen werden in den Fokus genommen: 50 Prozent erhoffen sich eine gesteigerte Arbeitgeberattraktivität und 30 Prozent eine höhere Motivation der Mitarbeitenden durch die Positionierung in nachhaltigen Themen.
Nur wenige haben eine Nachhaltigkeitsstrategie
Dieser erkannten Relevanz stehen jedoch wenige Ideen und Strategien zur Umsetzung gegenüber. 86 Prozent der befragten Organisationen setzen sich nicht aktiv mit ihrer Nachhaltigkeit auseinander. Lediglich sechs Prozent berichten, dass sie bereits eine Nachhaltigkeitsstrategie formuliert haben und nun umsetzen. Zwölf Prozent planen zumindest die Formulierung einer Strategie. Jedoch beantworten 71 Prozent die Frage nach einer Nachhaltigkeitsstrategie mit "Nein". Nur neun Prozent der Befragten haben vereinzelte Kennzahlen zur Messung und Steuerung von Nachhaltigkeitszielen eingeführt. Kennzahlen werden aber im Nachhaltigkeitsbericht Prüfungsgegenstand sein. Hier besteht Nachholbedarf.
Daher ist nicht verwunderlich, dass 77 Prozent der befragten Unternehmen die Erstellung des Nachhaltigkeitsberichts als eine große Herausforderung empfinden, bedarf es zur erfolgreichen Erstellung doch einer Strategie und Controllingstrukturen, auf deren Basis Nachhaltigkeitskennzahlen gemessen und berichtet werden können.
Wie kann die Transformation angegangen werden?
Die Auswahl von Handlungsfeldern, geeigneten Indikatoren und Kennzahlen zur Mess- und Steuerbarkeit der definierten Nachhaltigkeitsziele ist die größte Herausforderung. Um diesen Prozess zu vereinfachen und zu strukturieren, hat Curacon mit der Steinbeis-Hochschule Berlin speziell für die Gesundheits- und Sozialwirtschaft das sogenannte Curacon-ESG-Radar3 entwickelt. Die relevanten Handlungsfelder für das jeweilige Unternehmen können identifiziert und mit den passenden Kennzahlen gemessen werden. Es empfiehlt sich, frühzeitig sowie strukturiert zu beginnen und den Prozess ganzheitlich umzusetzen.
Anmerkungen
1. Environment (Umweltfaktoren): Klimaschutz, Anpassung an den Klimawandel, Wasser- und Meeresressourcen, Ressourcenverbrauch und Kreislaufwirtschaft, Verschmutzung, Biodiversität und Ökosystem … Social (Sozialfaktoren): Chancengleichheit, Arbeitsbedingungen, Menschenrechte, Freiheitsrechte, Demokratieprinzipien und -standards … Governance (Unternehmensführungsfaktoren): Rolle und Zusammensetzung der Unternehmensleitung und des Aufsichtsrates, Wirtschaftsethik und Unternehmenskultur, politische Beziehungen einschließlich Lobbying sowie internes Kontrollsystem und Risikomanagementsystem …
2. www.curacon.de/themen/nachhaltigkeits-check
3. www.curacon.de/neuigkeiten/neuigkeit/esg-radar
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