Nachwuchskräfte der Generation Z: So stellen sie sich ihr Berufsleben vor
Die Kräfteverhältnisse auf dem Arbeitsmarkt für Fachkräfte im Sozial- und Gesundheitsbereich haben sich verschoben: Es herrscht Fachkräftemangel. Eine Studie der Stiftung Wissenschaft und Politik1 belegt dies mit Nachdruck. So konnten in den Jahren 2021 und 2022 rund 20.600 Stellen aus dem Berufsfeld Sozialarbeit/Sozialpädagogik, 20.500 Stellen für Erzieher:innen sowie 18.300 Stellen in der Altenpflege und 16.800 in der Krankenpflege nicht besetzt werden. Anders als in anderen Branchen bringen es die Eigenarten von Sozial- und Gesundheitsberufen mit sich, dass dieses Defizit - zumindest mittelfristig - auch nicht durch technologische Entwicklung nennenswert ausgeglichen werden kann. Das Problem der Personalknappheit wird also auf absehbare Zeit bestehen bleiben und sich eher noch verschärfen.
Arbeitsmarktpolitische Strategien setzen auf die Anwerbung aus dem Ausland oder die Aktivierung von bislang ungenutzten Potenzialen (Geringqualifizierte, Erhöhung der Frauenerwerbsquote und so weiter). Auf der betrieblichen Ebene wird versucht, durch das Etablieren von Arbeitgebermarken ("Employer Branding") bei der Bewerbersuche hervorzustechen.
Nicht zuletzt spielen vermehrt auch Abwerbemaßnahmen im Sinne eines (zum Teil verdeckt betriebenen) "Headhunting" eine Rolle. Die Personalsuche wird in diesen Fällen zu einem Nullsummenspiel, bei dem ein Verband nur dann Personal gewinnen kann, wenn ein anderer verliert.
Klassische Formen der Personalakquise, wie etwa die Neueinstellung von Hochschulabsolvent:innen, sollten nicht aus dem Blick geraten. Eine erfolgreiche Ansprache von Nachwuchskräften setzt hierbei voraus, dass belastbares Wissen - und nicht nur Vermutungen - über deren Wünsche und Präferenzen vorliegt. Der folgende Text soll dazu ein Stück weit beitragen.
Ausgewählte Studienergebnisse zu Arbeitgebermarke und Vergütung
Die nachfolgend in Auszügen vorgestellten Studienergebnisse beruhen auf einer Umfrage unter 215 Student:innen aus drei verschiedenen Hochschulen für angewandte Wissenschaft, in unterschiedlichen Studiengängen aus dem Sozialbereich sowohl auf Bachelor- als auch auf Masterniveau.
Befragt danach, wo sie arbeiten würden, wenn sie sich den Arbeitgeber aussuchen könnten, entfielen auf die Organisationen der Spitzenverbände der Wohlfahrtspflege (Caritas, AWO, Diakonie etc.) durchgängig Werte von über 90 Prozent, während es 75 Prozent der Befragten in den öffentlichen Sektor (Jugend- oder Sozialamt) zieht. So positiv diese Ergebnisse auf den ersten Blick erscheinen mögen, sagen sie aber zugleich aus, dass die künftigen Bewerber:innen zwischen den einzelnen Organisationen kaum unterscheiden: Offensichtlich ist es keinem der etablierten Wohlfahrtsverbände gelungen, eine wirksame Arbeitgebermarke (Employer Branding) zu etablieren. Rund 50 Prozent sind der Auffassung, dass es in der Praxis kaum nennenswerte Unterschiede zwischen den einzelnen Wohlfahrtsverbänden gibt.
Gleichwohl legen die Ergebnisse aber nahe, dass die Befragten für Branding-Strategien durchaus empfänglich sind. So stimmen etwa zwei Drittel der Aussage zu, dass sie ihren Arbeitgeber vor allem auch danach aussuchen würden, für welche Werte dieser steht. Bereits bestehende Employer-Branding-Aktivitäten von Caritasverbänden sollten kritisch bezüglich ihrer tatsächlichen Wirkung hinterfragt werden. Eine (Arbeitgeber-)Marke, die nicht als solche erkannt wird, ist keine Marke.
Die Befragten sind sich ihrer starken Marktposition durchaus bewusst. Fast 70 Prozent würden das Angebot einer befristeten Stelle ablehnen, und über 40 Prozent wären nicht bereit, für einen sicheren Arbeitsplatz nennenswerte Gehaltseinbußen hinzunehmen. Ohnehin gehen rund 96 Prozent davon aus, nach dem Studienabschluss unter mehreren Stellenangeboten auswählen zu können.
Die Frage nach der Bedeutung von Geld und Einkommen wird von den Befragten ambivalent beantwortet. So gehen 50 Prozent stark davon aus, dass sie nach dem Studienabschluss ein höheres Gehalt erzielen werden, als dies ohne diesen Abschluss der Fall wäre. Bei weiteren 30 Prozent ist diese Erwartung immerhin leicht ausgeprägt. Personalverantwortliche der Caritas sollten berücksichtigen, dass ein Großteil (75 Prozent) der befragten Student:innen berufsbegleitend studiert, während sie - zum Beispiel aufbauend auf einer Erzieherausbildung - weiterhin in den Einrichtungen arbeiten. Unerfüllte (Vergütungs-)Erwartungen könnten nach dem Studium zu Abwanderung führen - die Ergebnisse unterstreichen ein solches nachgelagertes Fluktuationspotenzial. Ein Personalwesen, das sich als Personal-Management versteht (Management heißt: Gestalten und Steuern), ist daher gut beraten, die diversen Möglichkeiten einer aktiven Personalbindung frühzeitig auf den Weg zu bringen.
Tiefergehende statistische Betrachtungen der Studie zeigen ausgeprägte Korrelationen zwischen der beruflichen Tätigkeit vor oder während des Studiums und den Erwartungen zum Gehalt nach Studienabschluss. Für mindestens 25 Prozent mehr Gehalt würden circa 85 Prozent der Befragten auch zu einem ansonsten weniger attraktiven Arbeitgeber wechseln. Diese ausgeprägte Wechselbereitschaft passt zu der obigen Feststellung, dass die Wohlfahrtsverbände insgesamt als ähnlich und damit als austauschbar wahrgenommen werden, so dass Entgeltdifferenzen als eines von wenigen greifbaren Unterscheidungskriterien verbleiben. Allgemein nach der Bedeutung von Gehaltsfragen in Sozialberufen gefragt, sind gerade einmal rund zehn Prozent der Meinung, dass diese nur eine nachgeordnete Rolle spielen sollten. Für 75 Prozent ist es eine Selbstverständlichkeit, jede einzelne Überstunde abzurechnen.
Themen wie Karriere und hierarchischer Aufstieg sind im Kontext von sozialen Organisationen oft negativ konnotiert, zum Teil gar Tabuthemen. Bei den künftigen Absolvent:innen trifft diese Haltung allenfalls bedingt zu. Der Aussage, dass Karriere wichtig sei, widersprechen nur 14 Prozent, wohingegen circa 30 Prozent leicht zustimmen und rund 45 Prozent stark beziehungsweise sehr stark zustimmen. Konkreter nachgefragt, unter welchen monetären Bedingungen sie gewillt wären, Leitungs- beziehungsweise Führungsaufgaben zu übernehmen, wären bei einem Brutto-Gehaltszuwachs von 300 bis 400 Euro rund drei Viertel der Befragten dazu bereit. Dass gleichwohl die Vergütung die Präferenzen der Nachwuchskräfte nicht vollständig abbildet, betonen verschiedene Fragen nach der Relevanz von anderen Merkmalen. So spielt bei über 70 Prozent das Weiterbildungsangebot eine wichtige Rolle, und gefragt nach der einen entscheidenden Größe bei der Arbeitsplatzwahl will sich jede:r Dritte nach Studienabschluss überwiegend an inhaltlichen/fachlichen Gegebenheiten orientieren. Faktoren wie Vereinbarkeit von Familie und Beruf sind für knapp 17 Prozent und Werte und Normen der Organisation für 13,5 Prozent das ausschlaggebende Kriterium.
Weitere Praxisempfehlungen
Aus diesen Ergebnissen lassen sich weitere Empfehlungen insbesondere für das Employer Branding eines Caritasverbandes ableiten:
Zielgruppenorientierung
Die Mehrheit der künftigen Absolvent:innen in sozialen Berufen wird auch weiterhin weiblich sein. Ein Caritasverband sollte sein Employer Branding auf Frauen ausrichten, indem gezielt auf Karrieremöglichkeiten für Frauen oder Work-Life-Balance-Angebote eingegangen wird. Unabhängig vom Geschlecht zeigen Korrelationsauswertungen, dass bestimmten Personengruppen jeweils andere Arbeitsplatzmerkmale wichtig sind. Eine datenbasierte zielgruppenspezifische Bewerberansprache wird daher stets wirkungsgenauer und damit ressourcensparender ausfallen.
Abschied vom "genügsamen Sozialarbeiter"
Ein Caritasverband sollte nicht allein - aber auch - auf wettbewerbsfähige Gehälter setzen, um attraktiv zu bleiben. Soziale Arbeit wird von der Generation Z zunehmend mehr als Beruf denn als Berufung verstanden. Dies gilt es zu akzeptieren.
Employer Branding-Strategie überdenken
Wohlfahrtsverbände werden als ähnlich und damit als austauschbar angesehen. Solange das so ist, erfolgt die Wahl des Arbeitgebers stark nach messbaren Größen wie zum Beispiel der Vergütung. Es gilt folglich für Caritasverbände überhaupt erst einmal aus Sicht der künftigen Fachkräfte (und nur diese ist von Bedeutung) als Arbeitgeber unterscheidbar zu sein.
Erwartungen an Stellenangebote
Eine große Mehrheit geht davon aus, mehrere Stellenangebote zu erhalten. Ein attraktives Angebot muss daher auch die Zeit nach erfolgter Einstellung ansprechen und zum Beispiel konkrete Karriere- und Entwicklungsmöglichkeiten explizit betonen.
Wettbewerb um Fach- und Führungskräfte
Der Wettbewerb um Fach- und Führungskräfte wird an Intensität und Schärfe zunehmen. Um Bewerber:innen anzuziehen und Talente zu halten, müssen die Methoden der aktiven Personalbindung zur Anwendung kommen.
Anmerkung
1. Angenendt, S.; Knapp, N.; Kipp, D.: Deutschland sucht Arbeitskräfte. Wie die Arbeitskräfteanwerbung entwicklungsorientiert, nachhaltig und fair gestaltet werden kann. Berlin: Stiftung Wissenschaft und Politik. Deutsches Institut für internationale Politik und Sicherheit, SWP-Studie 1/2023.
Es handelt sich um Teilergebnisse einer größeren Studie. Bei Interesse an weiteren und tiefergehenden Ergebnissen steht der Autor gerne zur Verfügung.
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