Die Stimmung ist im Keller
Die Covid-19-Bewältigung, die Digitalisierung und der Personalbedarf waren die prägenden Herausforderungen des Altenhilfesektors laut dem Altenhilfebarometer1 im Jahr 2021. Damals war nicht abzusehen, welchen weitreichenden und potenziell existenzbedrohenden Gegebenheiten die Branche im Jahr 2023 gegenüberstehen würde: Krieg, Energiekrise, Inflation und sogar Rezession. Hinzu kommen neue Rahmenbedingungen und gesetzliche Vorgaben wie die Tarifpflicht, das neue Personalbemessungsverfahren und die kürzlich verabschiedete Pflegereform, die die Altenhilfe weiter unter Druck setzen. Gepaart mit einer teils prekären wirtschaftlichen Situation drängt sich die Frage auf: Ist ein Systemkollaps überhaupt noch abzuwenden?
Die Studie zielt darauf ab, die wirtschaftliche Lage der Altenhilfe zu untersuchen und zu erkennen, was die Branche derzeit bewegt. Mehr als 480 Entscheidungsträger:innen aus Einrichtungen der Altenhilfe aus allen 16 Bundesländern haben an der Umfrage teilgenommen. Die Ergebnisse sind alarmierend, da die Zufriedenheit mit der aktuellen Lage im Vergleich zum Jahr 2021 deutlich gesunken ist. Die Befragten geben an, dass sich das Jahresergebnis und die Liquidität im vergangenen Jahr schlechter als geplant entwickelt haben. Für das laufende Jahr 2023 erwarten mehr als 65 Prozent eine weitere Verschlechterung bis hin zur Existenzbedrohung (siehe Abbildung).
Als größte Herausforderung sehen 97 Prozent der Befragten den Bereich Personal. Knapp 75 Prozent gehen nicht davon aus, dass die Scharfschaltung des neuen Personalbemessungsverfahrens (PeBeM) ab dem 1. Juli 2023 die qualitativen und quantitativen Anforderungen in der stationären Pflege verbessert. Zwei Drittel befürchten, dass damit weitere erhebliche Kostensteigerungen für Pflegebedürftige und Probleme bei der tatsächlichen Besetzung mit Blick auf ordnungsrechtliche Vorgaben, zum Beispiel Fachkraftquote und Vorbehaltsaufgaben, einhergehen. Im Hinblick auf die Neuerungen im Personalbereich haben aber bereits 44,2 Prozent Personal- und Organisationsentwicklungsmaßnahmen insbesondere in Bezug auf den Qualifikationsmix in ihrer Einrichtung eingeführt beziehungsweise eine Projektplanung erstellt. Dahingegen haben 39,3 Prozent noch keine Umstellungen in dem Bereich geplant.
Keine Refinanzierung für energetische Sanierungen
Die wirtschaftliche Situation der Einrichtungen hat auch Auswirkungen auf die Nachhaltigkeit, die immerhin noch 26 Prozent der Befragten als Herausforderung sehen. Viele halten die Umsetzung möglicher Maßnahmen zur energetischen Sanierung wegen fehlender Refinanzierung als eher nicht bis gar nicht realisierbar. Trotzdem haben sich knapp 70 Prozent bereits mit dem Thema auseinandergesetzt und auch erste Maßnahmen geplant beziehungsweise realisiert. Dazu gehören unter anderem das Errichten von Blockheizkraftwerken oder Photovoltaikanlagen im Bereich der Energieerzeugung oder das Umstellen des Fuhrparks auf elektrische Antriebe.
Was die Erwartungen an die Pflegereform betrifft2, so halten mehr als 85 Prozent zusätzliche gesetzliche Regelungen für erforderlich. Die Befragten erwarten vor allem eine weitergehende Dynamisierung der Sachleistungsbeträge, eine Reduktion der Eigenanteile sowie Veränderungen bezüglich der Investitionskosten. Sie sind aber auch vor dem Hintergrund sich häufender Insolvenzen der Meinung, dass die Pflegereform die auskömmliche (Re-)Finanzierung von Einrichtungen sicherstellen sollte. Trotz der aktuellen Pflegereform sind zahlreiche der beschriebenen Probleme ungelöst geblieben. Der Gesetzgeber ist gefordert, für unternehmerisches Handeln einen nachhaltig tragfähigen Rahmen zu schaffen!
Die Ergebnisse zeigen, dass die Stimmung in der Altenhilfe im Keller ist und die Sorgen groß sind. Von der Pflegereform erwarten die Einrichtungen gerade deshalb kurzfristig Maßnahmen, die die Existenzen sichern und auch, dass unter anderem Nachhaltigkeitsmaßnahmen refinanziert werden können.
Anmerkungen
1. Neben der wirtschaftlichen Situation, dem Thema Nachhaltigkeit und der Pflegereform betrachtet die Studie der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Curacon auch mögliche Lösungsansätze. Dabei wird auch die Generationengerechtigkeit berücksichtigt. Die Studie ist bereits veröffentlicht und kann unter www.curacon.de/studien bestellt werden.
2. Die Datenerhebung erfolgte im Frühjahr 2023 und lag daher zeitlich vor der Verabschiedung der Pflegereform.
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