Menschen gewinnen, um Teilhabe zu ermöglichen
Menschen mit Behinderungen und/oder psychischen Störungen haben das Recht auf Selbstbestimmung sowie volle, wirksame und gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gesellschaft. Um dieses Recht zu gewährleisten, werden qualifizierte Fachkräfte benötigt, die besondere Kenntnisse aus unterschiedlichen Kompetenzbereichen der Heil-Erziehungs-Pflege haben. Fehlen diese Fachkräfte, leiden Inklusion und Teilhabe, denn die Fachkräfte in der Eingliederungshilfe - insbesondere Heilerziehungspflegende - begleiten, beraten, leiten an, befähigen und unterstützen Menschen mit Behinderungen und/oder psychischen Störungen in der Wahrnehmung ihrer Rechte. Sie fördern sowohl Selbstbestimmung als auch die volle, wirksame und gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gesellschaft. Bereits jetzt können Leistungen für Menschen mit Behinderungen und/oder psychischen Störungen aufgrund fehlender Fachkräfte nicht oder nicht bedarfsentsprechend erbracht werden. Das bedeutet, dass in einigen Einrichtungen frei werdende Plätze nicht mehr belegt werden können und beispielsweise einer 86-jährigen Mutter, die sich ihr Leben lang um ihren mittlerweile 60-jährigen Sohn mit Behinderung gekümmert hat, kein Platz für den Sohn angeboten wird. Insbesondere Fachkräfte aus den Berufsgruppen der Heilerziehungspflege und der Heilpädagogik werden den Einrichtungen der Eingliederungshilfe fehlen und auch zukünftig verloren gehen, wenn sich die aktuellen Rahmenbedingungen in der Aus- und Weiterbildung beider Berufsbilder nicht ändern.
Verbesserung der Ausbildung steigert Attraktivität der Berufe
Die im Koalitionsvertrag angekündigten Maßnahmen im Rahmen von Ausbildungen, wie zum Beispiel die Vergütung schulischer Ausbildungen in Vollzeit, die Schulgeldfreiheit und die vollständige Förderung von vollqualifizierenden Aus- und beruflichen Weiterbildungen können ein Schritt in die richtige Richtung sein, sofern diese auch für die Berufsbilder der Eingliederungshilfe - Heilerziehungspflegende und Heilpädagogen - gelten. Denn die Verbesserungen der Rahmenbedingungen in der Ausbildung sowie die Verbesserungen der Arbeitsbedingungen für Pflegekräfte und Erzieher:innen haben in der Vergangenheit die Attraktivität und das Interesse an diesen Berufen nachweislich gesteigert. Demgegenüber sind die Berufsbilder der Eingliederungshilfe vernachlässigt worden. Dies hat zu einer Abwanderung von potenziellen Bewerber:innen für Ausbildungsberufe im Bereich der Behindertenhilfe und Sozialpsychiatrie hin zu Ausbildungsberufen in den Bereichen der Erziehungs-, Gesundheits- und Pflegeberufe geführt. Aus Sicht des Fachverbandes Caritas Behindertenhilfe und Psychiatrie (CBP) muss es daher zukünftig gesellschaftlich, verbandlich wie politisch gelten, den Fokus auch auf die Professionen der Eingliederungshilfe zu richten. Die wertvolle Arbeit von Fachkräften in der Eingliederungshilfe muss gesellschaftlich sichtbar und in den Richtlinien für Arbeitsverträge in den Einrichtungen des Deutschen Caritasverbandes (AVR) abgebildet werden. Darüber hinaus braucht es ebenso den unterstützenden Rahmen, den die Bundesregierung anderen Berufsbildern im Sozial- und Gesundheitswesen zugesteht. Nur so können Menschen mit Behinderungen die Unterstützung im Rahmen der Teilhabe erhalten, die ihnen zusteht.
Ein Lösungsmix ist nötig
Die klassischen Maßnahmen der Personalgewinnung reichen nicht aus, um den durch den demografischen Wandel bedingten und künftig weiter ansteigenden Fachkräftemangel in Gänze aufzufangen. Zukünftig wird es mehr denn je notwendig sein, passgenaue Ermittlungen kommender Personalbedarfe vorzunehmen unter Berücksichtigung sich verändernder Betreuungs- und Versorgungsstrukturen. Zudem gilt es,
bestehende Ausbildungskapazitäten zu sichern und zusätzliche zu schaffen, die Leistungsfähigkeit des Systems zur Gewinnung von Fachkräften zu prüfen und sie weiterzuentwickeln. Auch müssen Strategien herausgearbeitet werden, wie sich trotz des Mangels an Fachkräften die Qualität der Arbeit aufrechterhalten und stärken lässt.
Hierzu zählen zum Beispiel,
◆ eine branchenspezifische Zuwanderungs- und Bildungsinitiative im Ausland in den Blick zu nehmen;
◆ Investition in digitale Geschäftsmodelle im administrativen Bereich ebenso wie in der Betreuung mitzudenken;
◆ zukunftsfähige Strukturen im Sinne einer Caring Community (sorgenden Gemeinschaft) zu entwickeln, um das Verhältnis von professionell und nicht professionell Mitarbeitenden neu zu verorten;
◆ und last but not least: die Politik in die Pflicht zu nehmen.
Das Potenzial von Nichtfachkräften nutzen!
Das Recruiting bezieht sich in der Eingliederungshilfe längst nicht mehr allein auf Fachkräfte. Der Mangel in der Eingliederungshilfe hat bereits die gesamte Personalsituation erreicht. Neben Heilerziehungspflegenden und Heilpädagogen steigt der Bedarf an Erzieher:innen und Pflegekräften aufgrund des demografischen Wandels ebenso wie der Bedarf an sogenannten Nichtfachkräften. Bot der Bereich der Nichtfachkräfte bereits in der Vergangenheit die Chance, Mitarbeitende im Verlauf ihrer Tätigkeit in der Eingliederungshilfe zu Fachkräften zu qualifizieren, so gerät diese Zielgruppe in Organisationen mehr denn je in den Fokus. Zunehmend gilt es, Menschen für die Mitarbeit in der Eingliederungshilfe zu begeistern - junge Menschen, bildungsferne Menschen ebenso wie Quereinsteigende, um diesen dann ein entsprechendes Qualifizierungsangebot zu machen. Insbesondere jungen Menschen sollten innerhalb der Berufsfindungsphase Zugang zu sozialen Bereichen verschafft werden. Darüber hinaus dient das Freiwillige Soziale Jahr (FSJ) zur Verstetigung eines Berufswunsches im Sozialen. Kürzungen in diesem Bereich sind kontraproduktiv. Der CBP spricht sich für die Einführung eines verpflichtenden sozial-ökologischen Jahres aus, um mehr Menschen den Zugang zu sozialen Berufen zu ermöglichen.
Im Rahmen von Qualifizierungsmaßnahmen sollten niederschwellige Bildungszugänge, wie zum Beispiel die Berufsbilder Sozialassistenz und Heilerziehungsassistenz, bildungsfernen jungen Menschen und Menschen ohne Berufsabschluss einen Einstieg in die berufliche Qualifikation im Sozialen erlauben. Das zum Juli 2023 vonseiten der Bundesregierung angepasste Gesetz zur Stärkung der Aus- und Weiterbildungsförderung verspricht Förderung von sogenannte Fachkräfteengpassberufen - und unterstützt Einrichtungen ebenso wie zu qualifizierende Mitarbeitende bei der Aus- und Weiterbildung. Hier gilt es, Optionen bei den Engpassberufsbildern im Sozialen zu prüfen und Mitarbeitenden bei der Antragstellung zur Seite zu stehen.
Hürden für ausländische Fachkräfte müssen abgebaut werden
Neben der Anhebung des inländischen Potenzials gilt es auch in der Eingliederungshilfe, im Rahmen des Recruitings den Blick auf die Anwerbung von ausländischen Fachkräften zu richten. Fachkräfte aus dem Ausland müssen in Deutschland nach wie vor ein sehr komplexes Anerkennungsverfahren mit hohen bürokratischen Hürden durchlaufen. Darüber hinaus bildet das geforderte Sprachniveau von B2 eine Barriere im Rahmen der Anerkennung. Ausländische Fachkräfte im Verband beschreiben die Schwierigkeit, einen Sprachkurs neben einer beruflichen Tätigkeit zu absolvieren. Bei vollem Beschäftigungsumfang im Wechseldienst sei der Besuch eines Sprachkurses nahezu unmöglich. So vergeht in Deutschland zu viel Zeit, in der ausländische Fachkräfte als Nichtfachkräfte tätig sind - und auch nur entsprechend niedere Entlohnung erhalten.
Mehrfach hat der CBP-Verantwortliche in der Bundesregierung auf notwendige Eckpunkte für ausländische Fachkräfte hingewiesen und unter anderem klare Maßnahmen für die schnelle Zuwanderung von Schulabsolventen zum Zweck der beruflichen Ausbildung an Schulen der Heilerziehungspflege und Sozialen Arbeit hingewiesen. Stichwort: Zuwanderung von Nichtfachkräften zu Zwecken der Ausbildung in Deutschland. Der Mangel an Fachkräften gefährdet das Recht auf Teilhabe von Menschen mit Behinderungen.
Es wird nicht die eine Lösung zur Verminderung des Fachkräftemangels in der Eingliederungshilfe geben. Dessen sind sich alle bewusst. Auf Landesebene muss die aufwendige Rekrutierung von Fachkräften refinanziert werden. Vonseiten der Bundesregierung muss - wie in deren Fachkräftestrategie versprochen - mehr denn je bei der Entwicklung von Lösungswegen auch die Eingliederungshilfe in den Fokus gerückt werden!
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