Lehrtätigkeit als abhängige Beschäftigung
Die sozialversicherungsrechtliche Einordnung von sogenannten "freien Mitarbeitern" ist ein Dauerbrenner, nicht nur in den Einrichtungen der Sozialwirtschaft. Nachdem das Bundessozialgericht (BSG) in mehreren Entscheidungen im Jahr 2019 die Sozialversicherungspflicht von Honorarärzten und -pflegekräften bejahte, war aktuell die Berufsgruppe der "Honorarlehrkräfte" Gegenstand einer Entscheidung des höchsten deutschen Sozialgerichts (BSG, Urteil vom 28. Juni 2022 - B 12 R 3/20 R):
Eine städtische Musikschule beschäftigte eine Klavierlehrerin auf freiberuflicher Basis. Die Begründung eines lohnsteuer- und sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverhältnisses war ausdrücklich nicht vorgesehen. Die Lehrerin erbrachte ihre Tätigkeit in den Räumen und mit den Instrumenten der Schule und unterrichtete inhaltlich nach den Rahmenlehrplänen eines Musikschulverbandes. Den Stundenplan erstellte die Schule. Die Vergütung erfolgte nach erbrachten Stunden. Die Lehrerin musste Schülervorspiele durchführen und an Lehrerkonferenzen teilnehmen, was gesondert vergütet wurde.
Das BSG schloss aus den genannten Kriterien, dass die Lehrerin weisungsgebunden in den Betrieb der Musikschule eingegliedert war und somit eine abhängige Beschäftigung mit entsprechender Sozialversicherungspflicht vorlag. Die Lehrerin unterhielt keine eigene Betriebsorganisation und trug aus Sicht des Gerichts kein unternehmerisches Risiko. Auf den Umstand, dass zwischen den Parteien nur ein "Honorarvertrag" geschlossen werden sollte, kam es nicht an.
Die Entscheidung ist nicht nur für Musikschulen, sondern für alle Einrichtungen von Bedeutung, die Lehrkräfte auf Honorarbasis beziehungsweise als "freie Mitarbeiter" einsetzen. Denn die Rahmenbedingungen des entschiedenen Sachverhaltes sind auf weite Teile des Bildungssektors übertragbar. So dürfte es die Regel sein, dass der Unterricht - gleich welcher Art - in den Räumlichkeiten der Einrichtungen stattfindet und dass durch diese der zeitliche Ablauf ("Stundenplan") festgelegt wird. Daneben werden sich die Lehrkräfte in strukturierten Lehrveranstaltungen, etwa bei der beruflichen Aus- und Fortbildung, an Lehrplänen orientieren müssen, die durch die Einrichtung selbst oder gesetzliche Maßgaben vorgegeben werden. Dieser Gesichtspunkt wurde auch in einer aktuellen Entscheidung des Landessozialgerichts Sachsen (LSG Sachsen, Urteil vom 8. September 2022 - L 9 KR 83/16) aufgegriffen. Gerade Lehrkräfte, die neben ihrem Hauptberuf noch "nebenbei" an einer Bildungseinrichtung tätig sind, etwa medizinisches Personal an Pflegeschulen, unterhalten für ihre Lehrtätigkeit keine Betriebsorganisation und ebenso wenig müssen sie eigene "Betriebsmittel" für ihre Tätigkeit einsetzen.
Für Einrichtungen des Bildungssektors, die auch Honorarkräfte einsetzen, folgt aus der Entscheidung des BSG ein beträchtliches Risiko, dass durch die Sozialversicherungsträger Beitragsforderungen in erheblicher Höhe auch für die Vergangenheit geltend gemacht werden, die in der Regel die Lehrkräfte den Einrichtungen nicht erstatten. Dabei ist auch davon auszugehen, dass durch dieses Urteil künftig bei Betriebsprüfungen der Deutschen Rentenversicherung ein besonderer Blick auf "Honorarlehrkräfte" geworfen wird. Bildungseinrichtungen gleich welcher Art sollten die Tätigkeit ihrer "freien Mitarbeiter" in jedem Einzelfall kritisch überprüfen und gegebenenfalls den sozialversicherungsrechtlichen Status hinterfragen. In vielen Fällen wird es der sicherere Weg sein, mit den Lehrkräften von Anfang an ein sozialversicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis zu begründen, auch wenn dies oft weder von den Bildungseinrichtungen noch von den Lehrkräften gewünscht sein dürfte.
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