Väter und Geschlechtergerechtigkeit
Im Jahr 1979 wurde der "Mutterschaftsurlaub" eingeführt. In der damaligen Bundestagsdebatte wurde das auch heute noch aktuelle Dilemma, Vätern gleichermaßen und von Anfang an Bedeutung für die Entwicklung ihrer Kinder zuzuweisen, unter anderem von Ingrid Matthäus-Maier, FDP, angesprochen: Eine Wahlmöglichkeit der Eltern wäre "ein guter Beitrag zur Auflockerung der starren Rollenverteilung gewesen, … die wir ja heute immer noch haben. … bei einer alternativen Möglichkeit für Vater oder Mutter wüßte ja ein Arbeitgeber, der eine junge Frau einstellt, nicht, ob nicht möglicherweise, wenn die Frau schwanger wird, der Vater den Elternurlaub in Anspruch nimmt, so daß auf diese Weise die Gefahr der Benachteiligung verringert würde. … Aber eines ist klar: Bei der wachsenden Erkenntnis gerade auch junger Väter, daß es für sie nicht nur eine Pflicht ist, an der Kindererziehung teilzunehmen, sondern daß sie sich damit ein Recht nehmen, das ihnen jahrhundertelang verweigert worden ist: sich um ihre Kinder zu kümmern."1
Die von der Zeitschrift "Emma" unterstützte Klage eines Vaters beim Bundesverfassungsgericht, der sich statt seiner Partnerin vier Monate um sein Kind kümmern wollte, wurde abgelehnt. Die "Zeit" kritisiert das Gesetz ebenfalls aus diesem Grund.
Auch am "anderen Ende" einer Beziehung, der Trennung oder Scheidung, sind die tradierten Haltungen immer noch wirksam. Im letzten Koalitionsvertrag war zwar eine Überprüfung der geltenden Regelungen geplant und die ehemalige Familienministerin Franziska Giffey kündigte im März 2019 an, das Recht an die gesellschaftliche Realität anpassen: "Klar ist: Wir müssen auf die gesellschaftlichen Veränderungen reagieren. Früher war es so: Einer betreut, der andere bezahlt. Und in der Regel betreute die Mutter und der Vater hat gezahlt. Darauf sind das Unterhaltsrecht und viele andere Rechtsgebiete ausgerichtet."2 Geschehen ist jedoch nichts und die neue Regierung wird vor den gleichen Herausforderungen stehen.
Und was hat das alles mit Geschlechtergerechtigkeit zu tun? Die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft EY hat 2016 untersuchen lassen, welche Faktoren dazu beitragen, dass Frauen in Führungspositionen aufsteigen. Beteiligt haben sich mehr als 20.000 ihrer Kunden in fast 100 Ländern. Die überraschende Erkenntnis: die Verfügbarkeit von "paternity leave". Damit ist mitnichten die Elternzeit gemeint, wie wir sie aus den skandinavischen Ländern oder Deutschland kennen, in den meisten Ländern sind dies ein oder zwei Wochen, die von den Unternehmen den Beschäftigten unmittelbar nach der Geburt ihres Kindes gewährt werden - auf freiwilliger Basis und bei vollem Lohnausgleich. Dies wirkt sich nicht nur auf das Engagement von Vätern aus, sondern offensichtlich auch auf die Durchlässigkeit der "gläsernen Decke". Eine Erklärung ist, dass durch den "Vaterschaftsurlaub" nicht allein den Frauen die familiären Care-Aufgaben zugeschrieben würden.3
Dies sieht auch die Europäische Union ähnlich. In ihrer Vereinbarkeitsrichtlinie hat sie 2019 eine zehntägige Vaterschaftsfreistellung nach der Geburt verankert, die bis 2022 in allen Mitgliedsländern in geltendes Recht umgesetzt werden soll. Auch an dieser Stelle blockiert das hierzulande zuständige Familienministerium: mit den zwei Partner(innen)-Monaten habe man den Rechtsanspruch schon erfüllt. Ob das so ist, wird sicherlich zu prüfen sein, ein erstes, vom DGB vorgelegtes Rechtsgutachten widerspricht der Auffassung.
Damit Gleichstellungspolitik, nicht nur gemessen am Frauenanteil in Vorständen und Aufsichtsräten, in Deutschland vorankommt, braucht es auch eine kongruente (Familien-) Politik, die Vätern von Anfang an den Weg in die Familie ermöglicht und eine partnerschaftliche Aufteilung von bezahlter Erwerbs- und unbezahlter Familienarbeit, auch nach Trennung und Scheidung ermöglicht.
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