Experiment gescheitert: Marburger Bund beendet die Mitarbeit im Dritten Weg
Die seit dem 1. Januar 2016 geltende AK-Ordnung mit der Entsendung von bis zu drei Gewerkschaftsmitgliedern in eine 62-köpfige Kommission hat sich als Feigenblatt erwiesen, mit dem die Unwilligkeit gegen die Einbeziehung grundgesetzlich geschützter Arbeitnehmervertretungen, die Gewerkschaften, in die Arbeitsrechtssetzung überdeckt werden sollte. Mit der "Drei von 62"-Regel hat der DCV die Vorgaben des Bundesarbeitsgerichts aus dem Jahr 2012 faktisch ausgehebelt. Das BAG hatte 2012 entschieden, dass die Kirchen Gewerkschaften in ihre AKs einbeziehen müssten, um das weiterhin geltende Streikverbot in kirchlichen Einrichtungen zu kompensieren.
Die Entscheidung zur Mitwirkung 2016 unter der neuen Ordnung bedeutete aus Sicht des Marburger Bundes allenfalls einen ersten Schritt zu einer echten Beteiligung auf Augenhöhe, die noch zu erreichen war. Die grundsätzliche Kritik am Dritten Weg wurde vom MB nie aufgegeben. Die längst überfällige und durch die neue Ordnung vorgegebene minimale Einbindung der Gewerkschaften in die Arbeitsrechtsfindung des Dritten Weges beseitigte die strukturelle Benachteiligung der Dienstnehmerseite gegenüber den Dienstgebern nicht. Insofern konnte die neue Ordnung nur einen Anfang der Einbindung der Gewerkschaften darstellen. Während der vierjährigen Mitarbeit wurde deutlich, dass die Dienstgeber die eigenen Mitarbeitenden in den Krankenhäusern - diesen Bereich kann der MB am besten überblicken - bewusst schlechter stellen, als dies in weltlichen Häusern der Fall ist. So akzeptierte die AK gegen die Stimmen der MB-Vertreter eine Einigung für Ärztinnen und Ärzte in katholischen Häusern, die materiell weit hinter der Tarifeinigung etwa in kommunalen Krankenhäusern zurückblieb. Die von den Krankenhausgeschäftsführungen zu erzielenden Erlöse sind jedoch die gleichen wie in den nichtkirchlichen Kliniken. Der Dritte Weg gibt den Dienstgebern also die Möglichkeit, finanzielle Vorteile für ihre Häuser zu erzielen, und das zulasten ihres ärztlichen Personals. Die vielbeschworene Dienstgemeinschaft wird so zur Farce. Hier zeigt sich auch wieder die grundsätzliche Entscheidungsschwäche des Dritten Weges. Die Notwendigkeit einer Mehrheit von 75 Prozent in paritätisch besetzten Kommissionen ist zur Gestaltung von Veränderungsprozessen völlig ungeeignet. Die Kompromisse, die die Dienstnehmerseite in immer stärkerem Maße eingehen muss, werden immer fauler. Nur durch die Zustimmung der nichtärztlichen Dienstnehmervertreter in der AK konnte der schlechte Abschluss für die Mediziner(innen) überhaupt beschlossen werden. Hierbei wird kein böser Wille unterstellt. Um jedoch überhaupt eine Forderung an einer Stelle zu erreichen, müssen viel zu viele Punkte an anderer Stelle aufgegeben werden. Im beschriebenen Fall hatten die nichtärztlichen Vertreter offensichtlich andere Prioritäten und ließen daher die ärztlichen Kolleg(inn)en im Regen stehen.
Auch das in der AK-Ordnung vorgeschriebene Vermittlungsverfahren zeigt deutliche Auflösungserscheinungen. Der Vermittlungsausschuss sah sich in der zurückliegenden Verhandlungsrunde für die Ärztinnen und Ärzte nicht in der Lage, überhaupt einen Vorschlag zu unterbreiten.
Es ist nicht nur der Versuch einer sinnvollen Mitarbeit im Dritten Weg gescheitert, sondern das System. Da ist die zu Veränderungen gänzlich unfähige AK-Ordnung. Da sind aber auch - wie in anderen kirchlichen Bereichen derzeit auch deutlich zu sehen ist - die unflexiblen oder in einer Trotzhaltung verharrenden Verantwortlichen, mit denen kaum noch sachgerechte und pragmatische Übereinkünfte oder gar strukturelle Änderungen zu verein[1]baren sind. Es wäre nicht nur ein Zeichen der Einsicht, sondern auch des Willens für eine echte Dienstgemeinschaft auf Augenhöhe gewesen, wenn der Verband der Diözesen Deutschlands oder der Deutsche Caritasverband die Gewerkschaften in die Erarbeitung einer neuen Ordnung für die AK einbezogen hätte. Die Gewerkschaften verfügen zweifellos über größere Erfahrungen in der institutionalisierten Tariffindung als die Kirchen. Mit einem reformierten, partnerschaftlichen System hätte der Dritte Weg vielleicht sogar eine Zukunft als Alternative zum Zweiten Weg. Dafür hätte er allerdings funktionieren müssen, was aber nicht der Fall ist. Der Dritte Weg ist noch nicht sturmreif, war die Einschätzung eines Richters beim BAG vor zehn Jahren. Nun, zehn Jahre später, müssten die Richter erkennen, dass ihre Vorgaben von 2012 ins Leere gelaufen sind.
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