Magnet-Konzept zieht Fachkräfte an
Nicht zuletzt aufgrund des demografischen Wandels und des daraus resultierenden Fachkräftemangels entwickelt sich die Deckung des Personalbedarfs für die stationären Altenhilfe-Einrichtungen zunehmend zur Existenzfrage. Deshalb brauchen Verantwortliche dringend Strategien und Konzepte, ihre jetzigen Mitarbeiter(innen) zu halten, diese dauerhaft an das Unternehmen zu bin[1]den und weitere qualifizierte Pflegefachkräfte anzuwerben.1 Auf der internationalen Suche nach innovativen Lösungskonzepten zeigt sich das in den 90er-Jahren entwickelte US-amerikanische Modell der Magnetkrankenhäuser (MK) als interessanter Ansatz.
In den 80er-Jahren gab ein nationaler Pflegenotstand in den USA den Anstoß für eine Forschungsarbeit, in die insgesamt 163 Kliniken eingeschlossen wurden. Im Fokus der Untersuchung stand die Frage, warum manche Kliniken im Gegensatz zu ihren Mitbewerbern nur geringe oder keinerlei Probleme bei der Rekrutierung von qualifizierten Pflegekräften hatten. Aus den Ergebnissen dieser Studie wurden fünf Magnetkomponenten abgeleitet und daraus ein Modell zur Anwendung in der Praxis entwickelt. Seit dem Jahr 1994 vergibt das American Nurses Credentialing Center (ANCC)2 auf der Grundlage eines eigenen Kriterienkataloges das Magnet-Qualitätssiegel.
Zentrale Merkmale von Magnetkrankenhäusern sind eine höhere Arbeitszufriedenheit und ein niedrigeres Burnout-Risiko.3 Gleichzeitig sinken die Fluktuation und die Anzahl unbesetzter Stellen.4 Eine hohe Fachkompetenz der Pflegefachpersonen führt zu exzellenten Patienten-Outcomes.
Die Magnetkomponenten - Implikationen für die Praxis
Die nachfolgend dargestellten Lösungsansätze sind den jeweiligen Magnetkomponenten zugeordnet
Transformationale Führung
Führungskräfte tragen maßgeblich dazu bei, dass sich Exzellenz überhaupt entwickeln kann. Hierbei spielen die Mitarbeiter(innen) der mittleren Führungsebene eine Schlüsselrolle: Sie sind das Bindeglied zwischen strategischer Spitze und operativem Kern, und sie repräsentieren das Unternehmen gegenüber Bewohner(inne)n und Angehörigen, Therapeut(inn)en sowie anderen Stakeholdern. Deshalb sollte der Stärkung dieser Mitarbeitenden, zum Beispiel durch Traineeprogramme, Führungstrainings und Einzelcoachings, eine besondere Bedeutung beigemessen werden.
Strukturelle Bevollmächtigung
Die Entstehung exzellenter Pflege setzt eine entsprechende Arbeitsumgebung voraus. In der Literatur finden sich zahlreiche praxiserprobte Instrumente, die den Ursachen von Unzufriedenheit und hohem Arbeitsdruck in der Pflege entgegenwirken können.5
Eine zentrale Stellschraube bei der Verbesserung der Beschäftigungsbedingungen ist die Arbeitsorganisation. Hier stehen unter anderem folgende Ansatzpunkte zur Verfügung:
◆ Pflegegradmanagement,
◆ verlässliche Dienstplan- und Freizeitgestaltung,
◆ systematisches Ausfallsmanagement,
◆ lebensphasenorientierte Arbeitszeitmodelle,
◆ alternsgerechte Arbeitsplatzgestaltung,
◆ effektive und effiziente Kommunikationsstrukturen
Ein weiterer Ansatz rückt die Mitarbeitenden selbst in den Mittelpunkt. Es ist wichtig, dass Pflegefachkräfte die Aspekte der Selbstfürsorge stärker fokussieren. Dieses Bemühen sollte vonseiten der Vorgesetzten gezielt gefördert werden. Hier bieten sich Trainings zum Beispiel zu den Themen Resilienz, Kommunikation, Empathie und Umgang mit Konflikten sowie das Angebot von Einzelcoachings (insbesondere Emotionscoachings) und Supervision an.
Da Aspekte der Zusammenarbeit für die Berufszufriedenheit ebenfalls eine wichtige Rolle spielen, sollten Pflegeteams sorgfältig zusammengestellt und in ihrem Zusammen[1]halt gestärkt werden. Führungskräfte müssen in der Lage sein, Teamdynamiken zu steuern und Konflikte im Team professionell zu moderieren.
Beispielhafte professionelle Praxis
Um dem Anspruch einer exzellenten Pflege gerecht zu werden, braucht es vor allem Strategien zur Stärkung der Fachkompetenz von Pflegefachpersonen. Außerdem sollten Konzepte entwickelt werden, wie akademisch aus[1]gebildete Pflegekräfte konkret in der direkten Patientenversorgung eingesetzt werden können. Dieses Prinzip sollte bereits bei einer bewussten Anwerbung und einer intensiven Begleitung von dual Studierenden ansetzen.
"Neues Wissen", Innovationen und Verbesserung
Pflegefachkräfte sollten an der Gestaltung und Verbesserung der Arbeitsabläufe systematisch beteiligt werden. Eigene Pflegeforschung zu betreiben, wie es an großen Krankenhäusern möglich ist, stößt in den Altenhilfeeinrichtungen schnell an Grenzen. Dennoch gibt es Möglichkeiten, sich als Einrichtung an Forschungsprojekten zu beteiligen. Dabei könnten akademisch ausgebildete Pflegefachpersonen und dual Studierende einen wertvollen Beitrag leisten.
Empirische Outcomes
Seit Einführung des indikatorengestützten Verfahrens der externen Qualitätssicherung erheben die stationären Altenhilfe-Einrichtungen regelmäßig stichtagsbezogene Ergebnisindikatoren. Darüber hinaus liefert eine moderne Pflegedokumentationssoftware eine Vielzahl von qualitätsrelevanten Kennzahlen quasi auf "Knopfdruck". Diese Daten können für ein Benchmarking und für Best-Practice-Vergleiche herangezogen werden.
Fazit: Gut geeignet
Das Magnet-Konzept eignet sich hervorragend als konzeptioneller Rahmen, um Pflegefachkräfte in stationären Altenhilfeeinrichtungen zu rekrutieren und zu binden. Wie die vorangegangenen Ausführungen deutlich gemacht haben, sind der Dreh- und Angelpunkt für den Erfolg dieses Vorhabens eine souveräne Führung sowie attraktive Arbeitsbedingungen.
Zugegeben: Der Weg dahin ist möglicherweise weit und anstrengend. Doch wenn es den Einrichtungen gelingt, die Führungskultur und die Arbeitsbedingungen derart zu gestalten, dass sich davon qualifizierte Mitarbeiter(innen) "magnetisch" angezogen fühlen, wird eine Positivspirale eintreten. Schafft es eine Einrichtung, als Arbeitgeber dermaßen attraktiv zu sein, dass deutlich mehr Bewerbungen eingehen, als Stellen zu besetzen sind, wird die Qualität in der Einrichtung auf allen Ebenen exponentiell steigen.
Anmerkungen
1. Die nachfolgenden Ausführungen fokussieren die Gruppe der Pflegefachpersonen wohlwissend, dass an einer exzellenten Pflege auch noch Pflegeassistent(inn)en und andere Berufsgruppen maßgeblich beteiligt sind.
2. American Nurses Credentialing Center ANCC: Magnet Model - Creating a Magnet Culture. American Nurses Credentialing Center (ANCC, Ed.), 2020. Verfügbar unter: https://bit.ly/2RFMyFY
3. Aiken, L. H.; Clarke, S. P.; Douglas, M. S.; Lake, E.T.; Cheney, T.: Effects of Hospital Care Environment on Patient Mortality and Nurse Outcomes. In: The Journal of Nursing Administration, 38 (5)/2008, S. 223-229. Kelly, L.; McHugh, M. D.; Aiken, L. H.: Erratum: Nurse outcomes in Magnet® and non-Magnet hospitals. In: Journal of Nursing Administration, 41 (10)/2011, S. 428-433. Kutney-Lee, A.; Stimpfel, A. W.; Sloane, D. M.; Cimiotti, J. P.; Quinn, L. W.; Aiken, L. H.: Changes in patient and nurse outcomes associated with magnet hospital recognition. In: Medical Care, 53 (6)/2015, S. 550.
4. Drenkard, K.: The business case for Magnet®. In: The Journal of Nursing Administration, 40 (6)/2010, S. 263-271.
5. Das Demographie-Netzwerk; AGP Sozialforschung. Schlüsselfaktoren für eine erfolgreiche Personalarbeit in der Langzeitpflege. Eine Arbeitshilfe für die Praxis. Dortmund/Freiburg, 2017. Verfügbar unter: https://bit.ly/3dxYylt Bundesregierung Deutschland: Projekt zur Umsetzung guter Arbeitsbedingungen in der Pflege. Berlin, 2019. Verfügbar unter: https://bit.ly/3alFYe
Onlinezugang: Gestärkter Sozialstaat
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