Fachkräfte für die Eingliederungshilfe: mit vollem Einsatz gesucht
Seit Beginn der Corona-Krise haben soziale Berufe eine immense gesellschaftliche Aufwertung erfahren. Zwar wird auch deutlicher und lauter auf Missstände hinsichtlich der Arbeitsbedingungen hingewiesen, aber die Sensibilität und der Rückhalt in der Gesellschaft sind da. Das zeigt auch die im Rahmen der aktuellen Caritas-Kampagne #DasMachenWirGemeinsam durchgeführte Umfrage: 48 Prozent der Befragten sehen "bessere Arbeitsbedingungen und Bezahlung für soziale Berufe" als prioritäres Handlungsfeld in der Politik.
Doch wen haben die Befragten bei ihrer Antwort vor Augen gehabt? Es ist sehr wahrscheinlich, dass sie dabei an die Krankenpflege, Altenhilfe und vielleicht noch an die Erzieher(innen) gedacht haben. Aber was ist mit der Heilerziehungspflege (HEP)? Wer kennt dieses Berufsbild überhaupt? Und: Ist "Heilerziehungspflege" noch eine zeitgemäße Bezeichnung? Seit Jahren gibt es Überlegungen und Diskussionen zum Begriff des Berufsfeldes. Und das aus gutem Grund: Geht es darum, (teilweise erwachsene) Menschen zu erziehen? Sollen und können Menschen mit Behinderung "geheilt" werden - und wollen sie das überhaupt? Es wäre nur angebracht, den Begriff "Heilerziehungspflege" der zeitgenössischen Entwicklung anzupassen. Mit der UN-Behindertenrechtskonvention und dem Bundesteilhabegesetz ging ein Paradigmenwechsel einher. Selbsthilfeverbänden von Menschen mit Behinderung geht es nicht um Begriffe wie Fürsorge oder Versorgung, es geht vielmehr um Inklusion, Selbstbestimmung, Empowerment, Teilhabe. Diese Anliegen und ihre Umsetzung fangen schon bei der Sprache an. Und wo könnte man sonst - auch im Hinblick auf die Behindertenrechtskonvention - grundlegender ansetzen als bei der Berufsbezeichnung an sich?
Im Jahr 2019 hat die Bundesarbeitsgemeinschaft der Ausbildungsstätten für Heilerziehungspflege (BAG HEP) gemeinsam mit weiteren Verbänden den Vorschlag aufgebracht: "Fachkraft für Teilhabe und Pflege", kurz TEP. Das ist zwar zeitgemäßer und trifft die Aufgaben besser, einprägsamer ist die Bezeichnung jedoch nicht. Aus dem süddeutschen Raum kam zudem viel Kritik für diese Abkürzung - zu nah ist sie am mundartlichen "Depp".
Nicht nur Schulgeld macht Ausbildung unattraktiv
Der geringe Bekanntheitsgrad des Berufsbilds und die veraltete Bezeichnung sind nicht die einzigen Herausforderungen, mit denen sich die Heilerziehungspfleger(innen) konfrontiert sehen. Eine weitere ist, dass die Ausbildung für viele Menschen, die sich für den Beruf interessieren, als unattraktiv wahrgenommen wird. Und das ist kein Wunder! Die länderspezifischen Regelungen der Ausbildungs- und Berufsbedingungen sind so unterschiedlich, dass sie nicht gerade dazu bei[1]tragen, sich zugunsten der Heilerziehungspflege zu entscheiden, wenn demgegenüber zum Beispiel die bundeseinheitliche Altenpflege steht. Deutlich wird das beim Schulgeld: Während Schulen in privater Trägerschaft in Niedersachsen noch Schulgeld erheben können, müssen Schüler(innen) im Bundesland Bayern kein Schulgeld für die Ausbildung aufbringen. Demgegenüber steht wieder die Altenpflege, für die bundesweit kein Schulgeld erhoben wird.
Und wenn die Entscheidung doch zugunsten der Heilerziehungspflege fällt, wie sieht dann die konkrete Ausbildung aus? Die Frage ist nicht leicht zu beantworten. Jedes Bundesland hat seine eigenen Ausbildungscurricula. Das hat zur Folge, dass beispielsweise die Ausbildung in Niedersachsen eine andere Anerkennung erfährt als die in Sachsen. Alles das ebnet selbstverständlich nicht gerade den Weg in die Heilerziehungspflege, im Gegenteil: Die ohnehin schon angespannte Situation wird dadurch noch verschärft, dass es an ebendiesen qualifizierten Nachwuchskräften fehlt.
Einrichtungen und Dienste leiden unter Personalmangel
Fakt ist, dass Einrichtungen und Dienste der Behindertenhilfe seit Jahren flächendeckend und immer dringlicher einen Mangel an Fachkräften beklagen. Zahlenmaterial dazu zu finden ist allerdings schwer. Wenn überhaupt, behandeln vorhandene Studien das Thema HEP nur ganz am Rande. So fehlt es an relevanten Daten, auf deren Grundlage eine umfangreiche Analyse dieses Berufsbildes möglich wäre. Auch müssen schon vorhandene Studien wie der Berufsbildungsbericht1 dahingehend analysiert werden, wie aussagekräftig die wenigen Informationen zur HEP sind.
Aktuelle CBP-Fachkräftekampagne
Seit 2020 arbeitet der CBP an seiner Fachkräftekampagne, die die Ziele verfolgt, die Verbandsmitglieder bei der Personalgewinnung zu unterstützen, die Berufswahl von (Quer-)Einsteiger(inne)n zu fördern und das vorhandene Fachwissen in den Mitgliedseinrichtungen und -diensten zu bündeln, um es allen verfügbar zu machen.2 Damit verbunden ist, Politik und Gesellschaft für das HEP-Berufsbild zu sensibilisieren und sein Image zu verbessern. Und sind mehr gut ausgebildete HEP-Fachkräfte aktiv, stärkt das generell die Qualität in der Sozialwirtschaft.
Die Zielgruppen, an die sich die Kampagne richtet, sind politische Entscheider(innen), Arbeitsmarktakteure auf Bundesebene sowie Einrichtungen und Dienste der Behindertenhilfe. Durch sie werden dann auch die potenziellen Berufs- und Quereinsteiger(innen) regional adressiert
Die Maßnahmen der Kampagne lassen sich grob in vier Bereiche aufteilen:
◆ politische Sensibilisierung in Form von Monitoring der politischen Prozesse, Stellungnahmen und Gesprächen;
◆ die Website des CBP (www.cbp.caritas.de) soll mit Informationen rund um das Berufsbild, mit Erfahrungsberichten und guten Beispielen angereichert werden;
◆ für die Mitgliedseinrichtungen und -dienste wird eine Toolbox erstellt, in der unter anderem Handreichungen zur Personalgewinnung, ein Austauschforum für Personalverantwortliche, Videos mit Testimonials, Flyer-Vorlagen sowie weitere Info-Materialien direkt zum Einsatz vor Ort geplant sind; ◆ die Mitglieder können zudem auch vor Ort auf Beratung durch den CBP zurückgreifen, zum Beispiel durch Informationsgespräche und Workshops.
Um die Praxiserfahrungen in die Kampagneninhalte einzubeziehen, hat der CBP den "Arbeitskreis Personal" eingerichtet. Darin teilen Personalentscheider(innen) der Mitglieder gute Beispiele, berichten von aktuellen Herausforderungen und geben Rückmeldung zu den Kampagnenthemen.
Personelle Vielfalt wird bewusst in den Fokus genommen. Sämtliche Materialien werden unter Diversity-Gesichtspunkten konzipiert. Die Kampagne ist bis 2022 angelegt, soll aber darüber hinaus nachhaltig wirken. Verschiedene Möglichkeiten der Weiterführung und vor allem der Finanzierung werden daher geprüft.
Der CBP schließt Bündnisse
Das Thema Fachkräftemangel in der Behindertenhilfe treibt aber nicht nur den CBP um, auch bei vielen anderen Akteuren erscheint es nach und nach auf der Agenda.
So steht der CBP mit den vier weiteren Fachverbänden für Menschen mit Behinderung sowie anderen Vereinigungen (zum Beispiel der BAG HEP und dem Berufs- und Fachverband Heilpädagogik) in einem regelmäßigen Austausch. Mit dem Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend hat der CBP auch politische Unterstützung auf Bundesebene für das Thema gewinnen können. Dieser Erfahrungsaustausch soll es ermöglichen, die Herausforderungen im Hinblick auf HEP zu identifizieren. Darauf aufbauend werden konkrete Schritte eingeleitet, um das Berufsbild HEP gemeinsam politisch und gesellschaftlich zu stärken. Wenn das Ziel nicht mit Nachdruck fokussiert wird und in der Behinderten- beziehungsweise Eingliederungshilfe künftig keine ausgebildeten Fachkräfte nachkommen, wird vielen Menschen mit Behinderung die umfassende Teilhabe am Leben in der Gesellschaft verwehrt sein. Und das ist - gerade im Hinblick auf die UN-Behindertenrechtskonvention - weder zeitgemäß noch vertretbar.
Anmerkung
1. Download unter: www.bmbf.de/de/berufsbildungsbericht-2740.html
2. Vgl. CBP-Info Hefte 1 und 2/2021, Download: www.cbp.caritas.de/publikationen/cbp-info/cbp-info
Onlinezugang: Gestärkter Sozialstaat
Wie viele Pflegende braucht das Krankenhaus?
Personal dringend gesucht: Das Smartphone bringt’s
Magnet-Konzept zieht Fachkräfte an
Pflege muss bezahlbar sein
Erhalten, was uns wichtig ist
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