Welcher Messenger passt für die soziale Arbeit?
Halb zehn bei der Caritas in Deutschland: "Können Sie mir den neuen Termin nicht einfach per Whatsapp mitteilen?" - "Ich habe da einen Brief vom Amt bekommen, ich mache ein Foto und schicke Ihnen das Bild per Whatsapp zu, okay?" - "Können Sie mir den Link nicht schnell per Whatsapp weiterleiten?"
So sieht sie aus, die Lebenswelt 4.0. Was vor zehn Jahren noch völlig undenkbar war, ist heute für alle Bevölkerungs- und Altersgruppen Normalität: zeitlich und räumlich unabhängig über einen Messenger Informationen, Termine und Dokumente auszutauschen. Ein mobiles Endgerät besitzen laut einer aktuellen Studie der Bitkom 98 Prozent der Bevölkerung. Neun von zehn dieser User(innen) (befragt wurden Personen zwischen 14 bis 60 Jahren) nutzen für ihre Kommunikation täglich oder mehrfach in der Woche Whatsapp. Whatsapp ist somit der absolute "Platzhirsch" bei den Smartphone-Nutzer(inne)n in Deutschland.
Und für die Wohlfahrtsverbände wäre es so einfach: Mal eben Whatsapp als Standard-Kommunikations-App auf jedes Diensthandy installieren, und mit einem Schlag wäre mit fast allen Menschen in Deutschland eine niederschwellige Kommunikation möglich. Leider hat Whatsapp aus Datenschutzgründen auf Diensthandys nichts zu suchen. Trotzdem wird es noch auf vielen mobilen Arbeitsgeräten täglich genutzt - oftmals auch aus nachvollziehbaren Gründen. Dennoch, die Rechtslage ist eindeutig. Whatsapp (Stand heute) entspricht nicht dem kirchlichen Datenschutzgesetz und darf dienstlich nicht genutzt werden.
Aber wieso - so mögen viele einwenden - stellen sich die Datenschützer(innen) so an? Die Chat- und Gesprächsinhalte sind doch bei Whatsapp seit ein paar Jahren von Ende zu Ende verschlüsselt und somit von niemandem auslesbar? Damit müsste man doch auf der sicheren Seite sein?… Ist man aber leider nicht. Das Problem ist das Sammeln von Metadaten. Neben dem Zugriff auf das komplette Adressbuch werden von Facebook (als Mutterkonzern) Informationen darüber erhoben, wer wann mit wem in Verbindung steht. Und diese Daten werden gespeichert, analysiert und weiterverwendet. Wofür und wozu, weiß - wenn überhaupt - nur Facebook allein.
Was also tun? Die Augen verschließen und sich nicht dafür interessieren, welcher Messenger auf den Diensthandys installiert ist, oder sich um eine sichere Alternative zu Whatsapp kümmern? - Mit dem Risiko, den Kontakt zu den Ratsuchenden zu verlieren. Würden sich deutschlandweit alle Caritasverbände, idealerweise sogar die gesamte Wohlfahrt, gemeinsam auf einen datenschutzsicheren Messenger einigen und zur Kommunikation mit den Ratsuchenden nutzen, dann hätte sie innerhalb von wenigen Wochen ein datenschutzsicheres Schwergewicht gegenüber Whatsapp.
Zukunftsmusik: ein einheitlicher Messenger
Aber zurück zur Realität: Die Caritas Münster hat sich auf die Suche nach einer sicheren Alternative zu Whatsapp begeben. Kein leichtes Unterfangen. Im Appstore und bei Google Play findet man inzwischen eine Vielzahl an Messengern, die allerdings alle ein großes Problem haben: Sie sind in Deutschland bislang kaum verbreitet. Bezogen auf die jeweiligen Nutzungsmöglichkeiten haben alle Messenger ihre Vor- und Nachteile: Die einen bieten beispielsweise eine Videofunktion, andere können dafür zeitversetzt Nachrichten verschicken. Schaut man sich die Messenger unter dem Sicherheitsaspekt an, sind einige mit der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) konform, andere behaupten, sicher zu sein, und manche schweigen einfach zu dem Thema. Leider dürfen die katholischen Daten-
schutzaufsichtsbehörden keine direkten Empfehlungen geben. Unter www.katholisches-datenschutzzentrum.de sind die fünf wichtigsten Kriterien für die relevanten Anforderungen zusammengefasst.
Es gibt noch eine weitere Schwierigkeit: Keiner weiß, welcher Messenger wann von wem aufgekauft wird, ob nicht morgen Sicherheitslücken in einem vermeintlich sicheren Messenger gefunden werden oder ein "einfacher" Messenger eine sinnvolle neue Funktion anbietet. Was die Frage aufwirft: Wie soll man bei all den Unsicherheiten und Eventualitäten zur abschließenden Entscheidung kommen, welcher Messenger für den eigenen Verband zukunftssicher ist und mit gutem Gewissen eingesetzt werden kann? Diese Frage kann vermutlich niemand für die nächsten drei Jahre sicher beantworten.
Kriterien bei der Messenger-Suche
Zu Beginn wurden Kriterien aufgestellt, die bei der Auswahl des passenden Messengers leiten sollten. Was muss ein Messenger außer ausreichendem Datenschutz noch bieten? Um eine möglichst hohe Akzeptanz bei Ratsuchenden und Mitarbeitenden zu erreichen, muss der Messenger in einer kostenfreien Version zur Verfügung stehen, ein ansprechendes Design bieten und intuitiv zu bedienen sein. Weiterhin sollte für die Registrierung keine Telefonnummer notwendig sein und der Messenger auf allen Endgeräten (Smartphone, Tablet und Desktop) genutzt werden können. Solange die Funktionen von der Online-Beratung noch nicht angeboten werden, wird für das Projekt "Blended Counseling" (Kombination verschiedener analoger und digitaler Kommunikationskanäle in der Beratung) ein Messenger benötigt, der Sprach- und Videoanrufe, Sprach- und Videonachrichten sowie einen Austausch von Dokumenten beliebigen Formats integriert hat. Viele Ratsuchende werden die App vermutlich unregelmäßig öffnen, deshalb sind Push-Mitteilungen hilfreich, damit die von der Caritas versendeten Nachrichten von der/dem Ratsuchenden auch gesehen werden. Parallel hat sich die Caritas Münster seit März 2019 mit Digitalisierungsexpert(inn)en anderer Caritasverbände zu dem Thema ausgetauscht.
Am Ende standen zwei Messenger zur Auswahl: SIMSme - heute Ginlo - und Wire. SIMSme wurde im März von der Post an die Brabbler AG verkauft und heißt jetzt Ginlo.
Viele der wichtigen Kriterien erfüllen beide Unternehmen. Sie bieten eine kostenfreie und eine kostenpflichtige Version an, die miteinander kommunizieren können. Ginlo ist deutlich günstiger (WGKD-Rahmenvertrag), dafür fehlt die wichtige Funktion Sprach- und Videoanrufe (inklusive Telefon- und Videokonferenzen). Ginlo besteht aus zwei einzelnen Apps (Privat/Business), Wire integriert beide Versionen (Privat/Pro) in einer App. Schlussendlich hat sich die Caritas Münster für den Messenger Wire entschieden. Die Wire Swiss GmbH hat ihren Sitz in der Schweiz, die Server stehen in Deutschland und Irland, Wire ist quelloffen, und hinter Wire stecken ehemalige Mitarbeitende von Apple, Skype und Microsoft. Die fünf wichtigsten Gründe für diese Festlegung: die vorhandene Funktion Sprach- und Videoanrufe, die intuitive Bedienung, das moderne Design, die Einschätzungen der verbandsübergreifenden Kolleg(inn)en und die Mitteilung zur Übernahme von damals SIMSme durch die Brabbler AG: "Erstmal ändert sich nichts." Die Einschränkung "erstmal" klingt, bezogen auf die Zukunftssicherheit, nicht gerade vertrauenswürdig.
Zurück zur Lebenswelt 4.0 der Ratsuchenden: Ziel ist es, mit Wire die Zugänge zu den Angeboten der Caritas zu erhöhen. Mit Wire ist es möglich, niederschwellig und trotzdem datenschutzsicher einen Dialog mit den Ratsuchenden zu pflegen, Termine zu vereinbaren und Absprachen zu treffen. Wire wird nicht gleich im gesamten Verband eingesetzt, sondern mit der Beratungsstelle für Eltern, Kinder und Jugendliche und den Sozialpädagogischen Familienhilfen gestartet. Die Mitarbeiter(innen) nutzen Wire Pro, die Klient(inn)en die kostenfreie Version Wire Privat. Die in den beiden Arbeitsbereichen gesammelten Erfahrungen werden am Ende der Projektphase reflektiert. Bei einer positiven Bewertung wird Wire anschließend im Gesamtverband eingesetzt. Die spannendste Frage wird sicherlich sein, ob es gelingt, die Mitarbeitenden und Ratsuchenden von der Nutzung von Wire zu überzeugen.
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