Oft wird Menschenhandel gar nicht erkannt
Menschenhandel verstößt gegen die Unversehrtheit und Würde des Menschen und liegt vor, wenn eine Person unter Zwang oder Vortäuschung falscher Tatsachen ausgebeutet wird. Dabei kann die Ausbeutung unterschiedliche Formen annehmen: Zwangsprostitution, Arbeitsausbeutung, erzwungene Bettelei oder den Zwang, kriminelle Handlungen zu begehen.
Menschenhandel in Deutschland und weltweit
Über das tatsächliche Ausmaß des Menschenhandels weltweit liegen keine verlässlichen Erkenntnisse vor. Er geschieht oft im Verborgenen. Nach aktuellen Angaben des UN-Büros für Drogen- und Verbrechensbekämpfung (UNODC) konnten 2016 weltweit fast 25.000 von Menschenhandel Betroffene identifiziert werden.1 Demnach wird etwa ein Drittel von ihnen in die Arbeitsausbeutung gezwungen. Besonders häufig wird diese in afrikanischen Staaten und im Nahen und Mittleren Osten erkannt. Mehr als die Hälfte der Betroffenen von Menschenhandel sind jedoch Opfer sexueller Ausbeutung, insbesondere in Europa, Südostasien und Amerika. Betroffene werden teils mehrfach ausgebeutet - dazu gehören zum Beispiel Frauen und Männer, die tagsüber in die Bettelei gezwungen werden und sich nachts prostituieren müssen.
Das jährlich vom Bundeskriminalamt veröffentlichte Lagebild zum Menschenhandel in Deutschland verzeichnet für 2017 insgesamt 340 polizeiliche Ermittlungsverfahren im Bereich des Menschenhandels, wobei 489 Opfer der sexuellen Ausbeutung und 180 der Arbeitsausbeutung identifiziert wurden.2
Auch für Deutschland wird jedoch ein wesentlich größeres Dunkelfeld angenommen. Von spezialisierten Fachberatungsstellen für Betroffene von Menschenhandel werden zahlreiche Klient(inn)en betreut, die aus unterschiedlichsten Gründen, sei es die Angst vor den Täter(inne)n, Misstrauen gegenüber Behörden, Scham- oder Schuldgefühle, Unkenntnis über die eigenen Rechte oder auch die Belastung, die mit den oft langwierigen Verfahren einhergeht, von einer Aussage gegen die Täter(innen) absehen. Betroffene suchen deshalb auch oftmals von sich aus keine Hilfe.
Viele Betroffene werden gar nicht als solche identifiziert, wenn diejenigen, die mit ihnen in Kontakt kommen, nicht ausreichend für die Thematik sensibilisiert und nicht geschult sind, Anzeichen für das Vorliegen von Menschenhandel und Ausbeutung zu erkennen.
Zu diesem Problem kommt insbesondere beim Zwang zu strafbaren Handlungen - etwa Kreditkartenbetrug, Diebstahl oder Drogenhandel - ein weiteres hinzu: Werden diese Personen gefasst, ist es für die Polizei schwierig, sie als Betroffene von Menschenhandel und nicht als Kriminelle wahrzunehmen. Die erbeuteten Güter oder gestohlenes Geld werden dann von den Drahtziehern eingezogen.
In zahlreichen Branchen finden sich Formen der Ausbeutung und des Menschenhandels, die sich immer durch extreme Abhängigkeiten und Zwang auszeichnen: beispielsweise im Lager-, Logistik- und Transportwesen, in der Landwirtschaft, bei haushaltsnahen Dienstleistungen, in der Pflege, im Baugewerbe, der Gastronomie und bei sexuellen Dienstleistungen.
Menschenhandel und Schleusung sind voneinander abzugrenzen. Der Unterschied liegt darin, dass beim Menschenhandel der Profit aus der Ausbeutung geschlagen wird, bei der Schleusung wird eine Dienstleistung beziehungsweise der irreguläre Grenzübertritt bezahlt.
Der rechtliche Rahmen
Jüngerer Bezugspunkt für das internationale Recht ist das im Infokasten oben zitierte Palermo-Protokoll aus dem Jahr 2000, das Menschenhandel international einheitlich definiert.
Mit der Europaratskonvention zur Bekämpfung des Menschenhandels aus dem Jahr 2005 wurden erstmals die Rechte und der Schutz der Betroffenen gleichrangig zur Strafverfolgung gewichtet. Sie ist mit einem effektiven Überwachungsmechanismus, dem Monitoring-Gremium des Europarats (GRETA), ausgestattet, der die nationale Umsetzung in den Vertragsstaaten regelmäßig bewertet. In diesen Prozess werden auch zivilgesellschaftliche Organisationen einbezogen und zu ihrer Sicht auf die Situation im Land und die aktuellen Probleme der Unterstützungspraxis befragt.
Weiterhin macht die EU-Richtlinie zur "Verhütung und Bekämpfung des Menschenhandels und zum Schutz seiner Opfer" einerseits Vorgaben zur strafrechtlichen Verfolgung von Menschenhandel und betont andererseits die Notwendigkeit staatlicher Maßnahmen zur Prävention. Sie sieht vor, dass die Staaten Unterstützung, Betreuung und Schutz der Betroffenen von Menschenhandel und den Zugang zu rechtlicher Beratung und Vertretung sicherstellen.
So wurde die EU-Richtlinie in Deutschland im Oktober 2016 mit dem Gesetz zur Verbesserung der Bekämpfung des Menschenhandels insofern umgesetzt, als dass die Regelungen zum Menschenhandel im Strafgesetzbuch neu gefasst, erweitert und systematisiert wurden. Damit werden auch erzwungene Straftaten, Ausnutzung der Bettelei und Organentnahme unter Menschenhandel erfasst. Insbesondere hinsichtlich Vorgaben, die sich auf Unterstützungsangebote, Opferrechte, Sensibilisierungs- und Schulungsmaßnahmen oder die Erarbeitung eines gesamtstrategischen Konzepts zur Bekämpfung von Menschenhandel beziehen, besteht jedoch weiterhin Handlungsbedarf.
Schlecht bezahlt und zu lange Arbeitszeiten
In Deutschland ist Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung seit Anfang der 1970er-Jahre strafbar. Seit der Reform von 2016 wird Menschenhandel zur sexuellen Ausbeutung in § 232 Strafgesetzbuch (StGB), Zwangsprostitution in § 232?a StGB geregelt. Menschenhandel zum Zweck der Arbeitsausbeutung ist in Deutschland seit 2005 ein eigener Straftatbestand.
Arbeitsverhältnisse, die als Ausbeutung der Arbeitskraft erfasst werden, zeichnen sich zum Beispiel durch schlechte Bezahlung, überlange Arbeitszeiten, überhöhte Vermittlungsgebühren oder Mietzahlungen, gefährliche Arbeitsbedingungen und Vorenthalten des Lohns aus (S. dazu auch Beitrag auf S. 13 (Kossen)). Häufig sind die Übergänge zwischen ungünstigen und schlechten Arbeitsbedingungen und Arbeitsausbeutung fließend.
Gründe, weshalb Personen von Menschenhandel betroffen sind, sind vielfältig. Häufig werden Menschen, die in Armut leben, auf der Suche nach Lebensperspektiven gezielt getäuscht. Angeworben über Inserate, Bekannte oder Agenturen, werden sie etwa über die Art der Tätigkeit betrogen. Es kommt auch vor, dass sie sich zunächst freiwillig dafür entscheiden, dann aber mit Arbeitsbedingungen konfrontiert sind, denen sie vorher nicht zugestimmt haben und in denen sie gezwungen werden, zu verbleiben. Beispielsweise durch hohe, fiktive Schuldenbeträge für Einreise, Passbeschaffung etc., Einschüchterungen, Bedrohungen - nicht nur der eigenen Person, sondern auch der Angehörigen. Erpressung, Gewalt, Isolation und Freiheitsberaubung, permanente Überwachung oder auch das Verabreichen von Drogen sind nur einige der Strategien der Täter(innen). Dem Bundeskriminalamt zufolge bildeten zuletzt deutsche Staatsangehörige die drittgrößte Gruppe Betroffener von Menschenhandel in Deutschland.
Eine zentrale Rolle, um Rechte der Betroffenen zur Geltung zu bringen, spielen die Fachberatungsstellen für Betroffene von Menschenhandel (FBS). Sie bieten ganzheitliche Unterstützung an, leisten psychosoziale Beratung und helfen, aufenthalts- sowie sozialrechtliche Ansprüche oder Lohn- und Entschädigungsansprüche durchzusetzen. FBS bieten oder vermitteln geschützte Unterbringung sowie medizinische und anwaltliche Betreuung und sie unterstützen bei Strafverfahren, einer Rückkehr in das Herkunftsland oder einer beruflichen Orientierung. In Deutschland gibt es knapp 50 FBS, die im Bundesweiten Koordinierungskreis gegen Menschenhandel (KOK) organisiert sind. Dennoch existiert keine flächendeckende Unterstützung, insbesondere im ländlichen Bereiche bestehen große Lücken.
Manche Einrichtungen sind mit nur einer Personalstelle ausgestattet, nicht alle arbeiten zu allen Formen der Ausbeutung oder allen Zielgruppen. FBS sind nicht institutionell gefördert, was häufig zu finanzieller Unsicherheit führt. Gleichzeitig steigen die Anforderungen stetig, etwa durch die Zunahme von Geflüchteten.
Noch erheblicher Handlungsbedarf
National wie international hat das Thema Menschenhandel in der Politik in jüngster Zeit mehr Aufmerksamkeit erfahren. So stimmten im Dezember 2018 152 Staaten für die Annahme des Globalen Pakts für Migration, durch den sich die internationale Staatengemeinschaft auch der effektiven Bekämpfung des Menschenhandels verpflichtet.
Im Juni 2019 veröffentlichte GRETA den zweiten Bericht für Deutschland. Darin wird der Bundesregierung einerseits viel Anerkennung für die Reformierung der Straftatbestände gezollt. Andererseits mahnt der Bericht erheblichen Handlungsbedarf an, etwa beim Aufbau einer Berichterstattungsstelle, bei Schulungen für Rechtsanwender(innen) oder bei sicheren Unterbringungsmöglichkeiten.3
Anmerkung
1. www.unodc.org/documents/data-and-analysis/glotip/2018/GLOTiP_2018_BOOK_web_small.pdf
2. Das "Bundeslagebild Menschenhandel und Ausbeutung" 2017 ist abrufbar unter: https://bit.ly/2XPnD4Z
3. Die Übersetzung der GRETA-Empfehlungen findet sich unter: https://bit.ly/30HnePo
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