Jede Grünfläche zählt
Zwei Dutzend junge Pfadfinder(innen) stecken ellenbogentief in feuchter Blumenerde, schneiden Büsche zurück und stellen einen neuen Rosenbogen auf. Im Altenpflegeheim St. Marienhaus in Konstanz ging es im Frühsommer ein wenig zu wie in einem Bienenstock. Die Bewohner(innen) genossen das lebendige Treiben bei einem Stück Kuchen - und freuten sich auf die neuen Nachbarn: Wildbienen, Schmetterlinge und Co.
2017 werteten Forscher die Biomasse der Fluginsekten in Deutschland aus. Das dramatische Ergebnis: Vor 30 Jahren schwirrten noch dreimal so viele Schmetterlinge, Wildbienen und Marienkäfer durch die Luft wie heute. Für Dominique Seeger, Mitarbeiterin beim BUND Konstanz, liegen die Gefahren des Insektensterbens auf der Hand: "Ohne Insekten würde unsere Lebensmittelproduktion zusammenbrechen. Rund 150 Nutzpflanzen und knapp 90 Prozent aller Wildpflanzen sind von Fluginsekten abhängig. Der monetäre Wert dieser enormen Bestäubungsleistung wird auf bis zu 500 Milliarden Euro geschätzt." Die Ursache für das Verschwinden der Insekten? Nach einhelliger Expertenmeinung: der Mensch. Monokulturen auf den Äckern und Versiegelung in den Städten rauben ihnen Nahrung und Lebensraum. "Letztendlich ist die Politik gefragt", betont die Umweltaktivistin. Doch will der BUND Konstanz nicht länger warten und hat mit Unterstützung der Sparkassenstiftung Konstanz das Projekt "Konstanz summt" gestartet. "Unsere Stadt soll wieder lebenswerter werden für alles, was summt, zirpt oder zwitschert", so Seeger.
Zentrales Element ist die insektenfreundliche Umgestaltung städtischer Räume. Die sind allerdings hart umkämpft: Wildbienen und Co. haben gegenüber Wohnungssuchenden, Investoren und Unternehmen das Nachsehen. Meistens. Doch manchmal helfen glückliche Zufälle: Antje Boll, Geschäftsführerin des BUND Konstanz, kam mit Andreas Hoffmann, Geschäftsführer der Caritas-Altenhilfe Konstanz, über Insektenschutz ins Gespräch. "Für die Caritas Konstanz kein neues Thema", sagt Andreas Hoffmann. In den inklusiven Werkstätten des Seewerks stellen Mitarbeitende mit Behinderung seit vielen Jahren Bienenhotels her, die unter anderem über den NABU Baden-Württemberg vertrieben werden. Boll erzählte von "Konstanz summt" und beide erkannten das Potenzial einer Zusammenarbeit - für Bienen und Senior(inn)en. Denn die Pflegeheime der Caritas-Altenhilfe - das "St. Marienhaus", das "Haus Don Bosco" und ab 2021 das "Haus Zoffingen" - verfügen über große Gärten mitten in der Stadt.
Biene sucht Blume - und findet Caritas
"Genau solche Flächen sucht der BUND", freut sich Dominique Seeger. Die Caritas stellt die Gärten zur Verfügung und finanziert die insektengerechte Umgestaltung. Der BUND Konstanz bringt das dafür nötige Know-how mit. Im Mai 2019 startete "Konstanz summt" im St. Marienhaus. Vorab besichtigten Dominique Seeger und ihr Team aus Ehrenamtlichen den Garten. Im Rahmen der 72-Stunden-Aktion machten sich dann die Pfadfinder(innen) des Stamms Bruder Klaus Konstanz gemeinsam mit Ehrenamtlichen des BUND Konstanz an die Arbeit, pflanzten einen Blühstreifen, richteten ein Blumenbeet, Wildbienen- und Hummelnistplätze aus Totholz ein und bauten ein Insektenhotel und Vogelnistkästen auf. Auch einige Bewohner(innen) des Pflegeheims packten mit an: Ein älterer Herr zeigte ein paar Jungen, wie sie die Säge richtig benutzen. Andere ließen sich von stolzen Pfadfindern durch den umgestalteten Garten führen. "Ein rundum gelungener Auftakt für Jung, Alt und Insekten", findet Heimleiterin Bärbel Sackmann.
Für die Bewohner(innen) mit kognitiven Einschränkungen wirken blühende Gärten belebend: Der frische Duft, das Rauschen der Blätter, das Gefühl von Holz und Stein auf der Hand schärfen die Sinne und halten den Geist wach. Darum freut sich Sackmann besonders über die neuen fliegenden Nachbarn: "Mehr Insekten bedeuten auch mehr Vogelgezwitscher und mehr Leben in den Gärten unserer Pflegeeinrichtungen."
Schon mit kleinen Investitionen gewinnen alle
Das Projekt "Konstanz summt" zeigt: Mit kleinen Investitionen sind große Wirkungen möglich. Für das Frühjahr 2020 sind die Umbauten im Demenzgarten des Haus Don Bosco geplant. Und auch die Pläne für die beiden Gärten des Pflegeheims Zoffingen hat die Caritas mit Unterstützung des BUND Konstanz bereits überarbeitet. "In wenigen Jahren entstehen hier inmitten der mittelalterlichen Konstanzer Niederburg kleine grüne Oasen für unsere Bewohner und Insekten gleichermaßen", betont Andreas Hoffmann.
Vier insektenfreundliche Gärten sollen die Welt retten? Wohl kaum. Doch Dominique Seeger ist überzeugt, dass ein kleines bisschen mehr Kraut und Rüben in deutschen Gärten hilft: "Jede Grünfläche zählt: Küchenkräuter wie Thymian und Rosmarin auf dem Balkon, früchtetragende Sträucher wie Johannis- und Stachelbeere im Vorgarten oder einfach eine ungemähte Wiese."
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